»Was sollte ich mir eingestehen? Dass ich so bin wie du?«
»So wie ich wirst du niemals sein. Dazu fehlt dir der Mumm.«
Ich lachte kurz auf. Was bildete sie sich eigentlich ein? Niemals würde ich mich dieser Gehirnwäsche unterziehen und mich demutsvoll einer Gefangenschaft hingeben. Gerade weil es mir nicht an Mumm fehlte.
»Werden sie mich so lange foltern, bis sie mich da haben, wo sie mich haben wollen?« Mir fiel ein, dass es gar nicht so abwegig war.
»Gefoltert wird hier niemand, es sei denn, du stehst darauf. Was sie genau mit dir vorhaben, weiß ich nicht. Aber einen Plan haben sie, das steht fest. Für jeden Neuling gibt es einen Plan. Auch für dich.«
Blasiert sah sie mich an, mit hochgezogenen Brauen und einem Grinsen, das ich liebend gern nachgeäfft hätte. Doch ich hielt mich zurück, ich wollte nicht sein wie sie, in keiner Weise.
Ein Klackern zog sich durch die Stille und Mila ließ das Besteck fallen. Sie sprang auf und nahm in der Mitte des Raumes ihre Pose ein. Ich schüttelte den Kopf. Sie konnte einem echt leidtun.
Die Tür öffnete sich und Theo stand im Türrahmen. Mit zusammengekniffenen Augen sah er mich an.
»Wieso sitzt du hier rum?«, fauchte er.
Ich stammelte einige Laute, während er mit großen Schritten auf mich zukam. Der Mut, der mir eben noch Zuspruch geleistet hatte, verkroch sich nun im letzten Winkel. Gebannt starrte ich auf den vollen Teller vor mir, nur damit ich seinen finsteren Blick nicht ertragen musste. Theo packte meinen Oberarm und zerrte mich vom Stuhl. Mit aller Kraft stemmte ich mich dagegen. Für einen aberwitzigen Moment glaubte ich, eine Chance zu haben. Bis er mir das Handtuch entriss, mich am Nacken packte und nach draußen bugsierte.
»Unerzogenes Miststück«, schimpfte er und drückte mich grob durch den langen Flur. Der Griff um meinen Oberarm verstärkte sich und spiegelte seine wachsende Wut auf mich. Ich hatte Mühe seinen Schritten standzuhalten. Warum hatte er es so eilig? Weil er wütend war und es kaum erwarten konnte, mich für mein Aufbegehren zu bestrafen?
Er brachte mich in den Raum mit den beiden Säulen. Diesmal brannten neben der Leuchte über dem Bett auch Spots in der Zimmerdecke. Der Raum wirkte dadurch größer und nüchterner als beim letzten Mal.
Theo griff nach den Handmanschetten und verband sie auf meinem Rücken.
»Bleib hier stehen«, herrschte er mich an und ging zur Wand, an der die Folterinstrumente hingen. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass die Tür offen stand. Ein Ziehen nistete sich in meiner Magengrube ein, ich witterte eine Chance. Meine Beine kribbelten, warteten auf den Startschuss. Noch stand Theo mit dem Rücken zu mir, nahm gerade einen fingerdicken Rohrstock von der Halterung und schlug ihn immer wieder leicht auf seine Handfläche.
Die Tür war etwa zwei Meter von mir entfernt und mir blieb kaum noch Zeit. Ein Ruck durchfuhr mich, dann lief ich los. Keine Ahnung, ob er es bemerkt hatte. Ich rannte einfach, ohne mich umzudrehen.
So schnell mich die Beine tragen konnten, lief ich durch den Flur. Mit einem Dröhnen in den Ohren, das jedes andere Geräusch übertönte. Mein Herz trommelte und kalter Schweiß bildete sich auf meiner Stirn. Die Treppe war nur noch wenige Meter von mir entfernt.
Ich schaffte gerade mal zwei Stufen, als mich eine Hand am Oberarm packte und zurückzog. Ich stolperte und fiel zu Boden. Theos zweite Hand umklammerte meinen Nacken und zerrte mich hoch. Es schien ihm egal zu sein, dass ich noch nicht auf beiden Füßen stand. Er fasste mir in die Haare und zog mich einfach mit sich. An meiner Kopfhaut schmerzte es, als wollte er mir die Haare ausreißen. Meine Füße stolperten über den Boden, ich schaffte es kaum, das Gleichgewicht zu halten, weil diese verdammten Manschetten meine Hände auf dem Rücken zusammenhielten.
»Lass mich los, du tust mir weh!«, keifte ich.
Er zerrte mich wieder in den Raum und drängte mich an die Wand gegenüber den Peitschen. Ich sah die vielen Ringhaken und wusste, er würde mich daran festbinden und sich dann für meinen Ungehorsam rächen. Seine Hand umklammerte meinen Oberarm so fest, dass meine Finger zu kribbeln begannen.
»Auf die Knie.« Er holte mit dem Stock aus.
Ich zögerte nicht mehr. So schnell ich konnte, kniete ich mich hin.
»Nach hinten, bis deine Füße an der Wand sind.«
Noch immer hielt er den Stock in der Luft, bereit zuzuschlagen. Ich tat, was er verlangte, rutschte so weit nach hinten, bis meine Zehenspitzen an die glatte Wand stießen.
»Bitte tu mir nicht weh.«
Mit einem hellen Poltern fiel der Stock neben mir zu Boden. Ich atmete auf. Theo hob meine Arme und verankerte die Manschetten mit einem der Ringhaken, etwa einen halben Meter über dem Boden. Die Position zwang meine Schultern nach hinten und drückte meinen Rücken in ein Hohlkreuz.
Etwas Kaltes berührte meine Knöchel. Ich erschauderte, neigte den Kopf zur Seite und sah, dass er gerade eine Schelle anlegte. Es waren dieselben Schellen, die ich auch bei Shazar getragen hatte. Was konnte ich nur tun? Wie sollte ich aus dieser Situation wieder rauskommen? Mein Atem ging hastig, erste Tränen sammelten sich in meinen Augen. Ich hatte keine Chance. Theo war stärker, und solange ich hier festgekettet war, würde ich es nicht schaffen, ihm zu entkommen. Innerhalb Sekunden trugen meine Fußgelenke diese Fessel und waren mit einem Ringhaken am unteren Rand der Wand verankert.
Ich konnte mich kaum mehr bewegen. Um die Knie zu entlasten, setzte ich mich auf die Fersen. Zwar war mein Oberkörper nun nach vorn gebeugt, dafür war der Schmerz erträglicher.
»Öffne die Beine«, sagte Theo und zog mir den Stock über den Schenkel. Ich schrie und keuchte, als der Schmerz mich packte. Überraschend traf mich der nächste Schlag. Er wird nicht aufhören, schoss es mir durch den Kopf, das ist erst der Anfang. Schnell schob ich die Schenkel auseinander, bis die Eisenschellen in die Füße schnitten. Ich zitterte am ganzen Körper, mir war heiß und mein Atem beschleunigte sich.
Theo holte ein Tuch aus schwarzem Chiffon. Seine schweren Schritte jagten mir Angst ein und vertrieben den kleinsten Funken Kampfgeist. Ich nahm mir vor, alles zu tun, was er von mir verlangte. Alles. Er legte mir das Tuch über die Augen und verknotete es am Hinterkopf. Bei jedem Augenaufschlag spürte ich den zarten Stoff an den Wimpern. Seine Umrisse und Bewegungen konnte ich nur erahnen. Wie schwarze Schatten zeichneten sie sich vom Grau der Umgebung ab.
In dem Moment bereute ich es, dass ich am Tisch sitzen geblieben war, während Mila schon längst in der Mitte des Zimmers gestanden hatte. Ich bereute es, dass ich versucht hatte zu fliehen. Womöglich wäre mir dann all das erspart geblieben.
»Nur eine kleine Bewegung und der Stock trifft dich, bevor du bis zwei zählen kannst.« Seine Stimme klang einige Meter entfernt. Zu weit weg, um eindeutige Umrisse seiner Gestalt durch den dunklen Schleier vor meinen Augen auszumachen.
Es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Ich zählte die Sekunden und wagte kaum zu atmen. Der Boden knirschte, mehrmals hintereinander. Jedes Knacksen, jedes Scheppern, auch wenn es noch so leise war, traf mich mit voller Wucht und ließ mich innerlich zusammenzucken. Nicht bewegen, ermahnte ich mich ununterbrochen. Trotzdem wollte ich. Damit er endlich anfing. Ich wollte es endlich hinter mich bringen.
Irgendwann spürte ich ein Kribbeln in den Füßen, sie begannen einzuschlafen. Oh nein, auch das noch. Der Drang, mich von den Fersen abzuheben war groß, doch ich wagte es nicht. Langsam bewegte ich die Zehen und hoffte, er würde es nicht bemerken. Womöglich stand er sogar neben mir und wartete nur den richtigen Moment ab, mit gehobenem Stock, einen Meter über meinem Schenkel. Ich musste endlich aufhören, darüber nachzudenken.
Plötzlich vernahm ich Schritte.
Fest und sicher kamen sie auf mich zu. Ein Luftzug streifte an mir vorbei und eine große Gestalt verdunkelte mein Blickfeld. Die Schritte hörten auf. Er stand direkt neben mir. Ich spürte es. Gänsehaut zog sich über meinen Rücken. Jede Sekunde rechnete ich mit dem Schmerz des Rohrstocks. Doch er ließ mich warten.
Lange