Marcs TageBuch | Roman. Sandra Scott. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandra Scott
Издательство: Bookwire
Серия: Erotik Romane
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783862773763
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Fernseher beherrscht wurde. Auf einem Sofa saßen zwei Mädchen.

      »Das sind«, sagte Isabelle, »Claire und Carmen, deine neuen Mitbewohnerinnen. Mädels, das ist Marc.«

      Ich musste in diesem Augenblick kein sonderlich intelligentes Gesicht gemacht haben. Ich war so überrascht, dass ich einige Sekunden brauchte, um mich an die grundlegendsten Umgangsformen zu erinnern und zu grüßen.

      Isabelle hatte mir schon per Mail im Vorfeld mitgeteilt, wie die anderen beiden Mädchen heißen. Und bei den Namen Claire und Carmen hatten sich bestimmte Bilder vor meinem inneren Auge gebildet, die nun an der Realität zerbarsten.

      Carmen war eindeutig asiatischer Abstammung: Sie war klein und zierlich, hatte schimmerndes schwarzes Haar, das ihr bis zum Po reichte, braune Mandelaugen und ein fein geschnittenes Gesicht wie eine Porzellanfigur. Wie ich später erfuhr, waren ihre Eltern aus Thailand hierher eingewandert, sie selbst war in Spanien geboren und aufgewachsen. Carmen lächelte mir schüchtern zu und wandte dann den Blick ab.

      Claires Herkunft verortete ich richtigerweise irgendwo in Lateinamerika – sie stammte in der Tat aus Französisch-Guayana, einem der letzten verbliebenen französischen Überseegebiete. Als sie aufstand, um mich zu begrüßen, bot sie einen beeindruckenden Anblick. Sie war groß, beinahe so groß wie ich, und hatte den Körper eines Models. Endlose Beine, schlank, aber mit Kurven an den richtigen Stellen. Ihre Haut hatte die Farbe von Cappuccino. Schwarze glatte Haare und dunkle, beinahe schwarze Augen, aus denen sie mich abschätzend, aber nicht unfreundlich musterte, vervollständigten ihre Erscheinung.

      Nach der Begrüßung und einigem Smalltalk zeigte mir Isabelle noch mein Zimmer. Ich packte meinen Koffer aus, schlüpfte in gemütlichere Kleidung und nahm das Zimmer in Augenschein. Irritiert stellte ich fest, dass es, wie auch alle anderen Räume der Wohnung, mit einfachen Steinfliesen ausgelegt war, die ich bisher allenfalls von Hausfluren kannte. Ansonsten war das Zimmer zweckdienlich und ein wenig spartanisch eingerichtet. Die leeren schmutzig-weißen Wände wirkten trostlos, doch immerhin würde ich nur einige Wochen hier sein und mich zudem vermutlich nur zum Schlafen in diesem Raum aufhalten. Nachdem ich meine Sachen eingeräumt hatte, gesellte ich mich wieder zu meinen Mitbewohnerinnen, die es sich inzwischen auf der Dachterrasse gemütlich gemacht hatten.

      Die Abenddämmerung brach herein und mir bot sich ein wundervoller Ausblick über die Dächer Barcelonas und den nahen Strand. Claire öffnete eine Flasche Rotwein – später noch eine zweite – und wir saßen bis in die tiefste Dunkelheit zusammen und machten uns miteinander bekannt.

      Jetzt bin ich hundemüde und freue mich auf mein Bett. Morgen werde ich meinen Arbeitsplatz für die nächsten Wochen kennenlernen und bin gespannt darauf, was mich erwartet. Mein Abenteuer beginnt!

       5. Juni

      Das! Ist! Der! Pure! Wahnsinn!

      Meine Hand zittert noch ein wenig vor Aufregung. Wahrscheinlich kann ich morgen kein Wort von diesem Gekrakel mehr entziffern, aber ich muss es einfach aufschreiben. Jetzt, wo das Erlebte noch frisch ist.

      Ich kann es noch gar nicht glauben, dass mir so etwas passiert ist! Ich dachte, so was gibt es nur in Filmen. Vorzugsweise in solchen, in denen schlüpfrige Männerfantasien bedient werden.

      Aber der Reihe nach.

      Isabelle und ich machten uns am Morgen zu Fuß auf den Weg zum Institut, der geradewegs am Strand entlanglief. Es war einfach herrlich. Die Sonne war gerade am Horizont über den Wellen aufgegangen. Es war bereits angenehm warm, aber noch nicht heiß. Der Weg aus rotbraunen Steinplatten, die wie Holzbohlen gemasert waren, wurde auf der einen Seite von Palmen und auf der anderen Seite von einer endlosen Reihe steinerner Sitzbänke gesäumt. Gut zwei Meter unter uns verlief der breite Sandstrand. Auf dem Strand selbst, ebenso wie auf der Promenade darüber, waren Fahrradfahrer, Inlineskater, Jogger und Spaziergänger unterwegs, die ihre Hunde Gassi führten. Während wir uns auf die beeindruckende Fischskulptur aus Stahlgeflecht zubewegten, die in einiger Entfernung zwischen zwei Bürotürmen am Strand aufragte, sah ich ein Flugzeug auf die Küste zufliegen und erinnerte mich an die fantastische Aussicht, die ich beim Anflug gehabt hatte.

      Nur mit Mühe konnte ich ein enthusiastisches Auflachen unterdrücken. Ich fühlte mich einfach großartig! Die ungewohnte Sonne so früh am Morgen belebte mich, dazu die wunderschöne Aussicht auf das Meer, die Wellen, die sanft gegen den Strand brandeten, die Palmen, die Möwen … das alles machte mir eine verboten gute Laune.

      Das entging auch Isabelle nicht, die mich von der Seite aus neugierig ansah. »Das ist anders als London, oder?«, fragte sie.

      Ich lachte. »Es ist fantastisch!«

      Isabelle nickte. »Ich weiß genau, was du meinst. Es liegt vor allem am ständigen Sonnenschein. Im ersten Jahr hier war es wie ein Rausch, weißt du? Ich hatte ständig den Drang, etwas zu unternehmen, die Sonne auszunutzen. Das ist man ja gewöhnt aus England: die wenigen wirklich schönen, warmen Tage nutzen. Aber irgendwann habe ich begriffen: Sonnentage sind hier nichts Kostbares.«

      »Für mich schon«, erwiderte ich. »Ich habe jetzt sechs Wochen Sonne vor mir, und das finde ich einfach großartig!«

      Im Institutsgebäude angekommen, führte mich Isabelle zu den Räumen ihrer Arbeitsgruppe, wo ich vom Gruppenleiter, einem kleinen, pummeligen Franzosen in den Vierzigern, überschwänglich begrüßt wurde. Er führte mich in den Räumen des Instituts herum und stellte mir die anderen Mitglieder seiner Gruppe vor. Dann fragte er Isabelle, wann sie denn den nächsten Probanden erwarte.

      »Jetzt«, antwortete Isabelle. »In ein paar Minuten.«

      »Ausgezeichnet«, freute er sich. »Dann kann Marc gleich mal sehen, wie es abläuft.« Er wandte sich wieder an mich. »Wir reden dann später weiter.«

      Isabelle führte mich in einen Raum, in dem sich auf zwei Schreibtischen Computertürme und Bildschirme drängten. Durch eine Glasscheibe konnte man die große weiße Röhre des Magnetresonanztomographen, kurz MRT, erkennen. Ich musste ein Schaudern unterdrücken, als Erinnerungsfetzen vor meinem inneren Auge erschienen. Vor nicht allzu langer Zeit hatte man mich selbst in eine solche Maschine geschoben. Mir war schwindelig und übel gewesen, ich hatte meine rechte Körperhälfte nicht bewegen und überdies nur noch lallen, statt sprechen können. Ein halbes Dutzend Ärzte und Pfleger waren um mich herumgewuselt, hatten mir Kontrastmittel gespritzt und meine Kleidung nach metallischen Gegenständen durchsucht. Dann kam ich mit fixiertem Kopf in diese Röhre und hatte das Gefühl, lebendig in einem Sarg zu stecken, nur dass es auf dem Friedhof sicher nicht so höllisch laut wäre.

      Ich versuchte, mich damit zu beruhigen, dass es diesmal ganz anders sein würde. Nicht nur, weil ich nicht selbst in die Röhre musste, sondern andere dabei überwachte. Vor allem aber waren es gesunde Freiwillige, die keine potentiell lebensbedrohlichen Krankheiten hatten, sondern für eine Tafel Schokolade oder eine kleine Aufwandsentschädigung ein wenig Zeit der Wissenschaft opferten.

      »Kennst du dich damit aus?«, wollte Isabelle wissen.

      Ich nickte. Ich konnte nicht behaupten, die genauen physikalischen Vorgänge zu begreifen, die dazu führten, dass man mithilfe eines starken Magnetfelds Gehirnaktivität messen konnte, aber im Prinzip quantifizierte man Änderungen in Durchblutung und Sauerstoffgehalt von Gehirnarealen, von denen wiederum auf Aktivitäten der entsprechenden Regionen geschlossen werden konnte. »Ich weiß, wie es funktioniert«, sagte ich einfach.

      »Gut. Wenn du den Raum mit dem MRT betreten willst, darfst du nichts Magnetisches am Körper haben. Pack dein Handy, deine Uhr und alles, was du sonst noch hast, am besten in deinen Rucksack.« Sie sah mich abschätzend an. »Hast du irgendwelche versteckten Piercings?«

      Ich bildete mir ein, dass sie leicht enttäuscht wirkte, als ich den Kopf schüttelte. Aber sie nickte nur und sagte: »Gut. Die hättest du sonst rausnehmen müssen.«

      In diesem Moment klopfte es an der Tür zum Vorraum und Isabelle ging hinaus, um das Opfer, beziehungsweise den Freiwilligen, hineinzulassen. »Mach’s dir bequem«, rief sie mir zu. »Ich erklär dir gleich alles.«

      Ich nahm auf einem der