Er brauchte ein paar Sekunden, streichelte zärtlich über meine Wange und betrachtete mich skeptisch, bevor er zustimmend nickte. An seinem leicht schmerzlichen Gesichtsausdruck merkte ich, dass er zwar einverstanden war, ich ihm damit aber, ähnlich wie mit meiner Jungfräulichkeit, sichtlich Probleme bereitete.
Zum zweiten Mal klopfte es an der Tür und wir standen beide auf.
»Wie finde ich dich?«, fragte er leise.
Ich überlegte. Ich hatte nichts zu schreiben, wie sollte ich ihm meine Adresse oder Telefonnummer geben? Zum Glück rettete mich ein Geistesblitz. »Liberty Models N.Y., die haben meine Daten.«
»David wird sich bei dir melden ... Vertrau ihm!«
Zum Abschied legte er noch einmal seine Hand an mein Gesicht und küsste mich zärtlich auf die Stirn, um eindringlich einen letzten Wunsch zu äußern: »Wenn wir uns jetzt wieder setzen, dann möchte ich von dir, dass du mich für den Rest dieses Fluges nicht mehr ansiehst.«
Erwartungsvoll blickte er in meine Augen ... und ich nickte, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt den Grund dafür noch nicht verstand. Ich dachte, es wäre, um nicht aufzufallen. In Wahrheit waren die Handschellen sein Problem. Er fühlte sich seiner Würde beraubt, wenn meine Blicke ihn trafen. Erst viel später kam ich zu dieser Einsicht und heute wäre es selbstverständlich für mich, meine Augen in einer solchen Situation unaufgefordert von ihm abzuwenden.
Zum letzten Mal schenkte er mir den Anblick seiner ernsten Miene und öffnete gleichzeitig die Türverriegelung. Wieder hörte ich Schlüssel, als sie ihm Handschellen anlegten, und ich wartete ein paar Sekunden, bevor ich die Tür vorsichtig erneut von innen verschloss, in der Hoffnung, dass unser geheimes Treffen niemandem aufgefallen war. Ich sank zu Boden und war überwältigt von meinen Gefühlen. Wie konnte es bloß sein, dass er wegen Vergewaltigung anklagt war? Gab es eine Frau auf dieser Welt, die nicht freiwillig mit ihm geschlafen hätte?
Nach einer kurzen Erholungspause blickte ich in den Spiegel und richtete meine Haare, ich zog mein Kleid zurecht und spritzte mir eiskaltes Wasser ins Gesicht, um wieder klar denken zu können. Dann kehrte ich mit wackeligen Beinen zu meinem Sitzplatz zurück.
Kaum hatte ich meine Augen geschlossen, tippte mir jemand auf die Schulter. »Miss, Ihr Sitzplatz ist jetzt wieder in Ordnung!«
Schweren Herzens stand ich auf ... ohne Santiago anzusehen. Sein Wunsch bedeutete mir sehr viel. Die Stewardess begleitete mich nach hinten und als die junge Mutter sich bei mir für ihr Ungeschick ausschweifend zu entschuldigen begann, musste ich direkt lachen. Am liebsten wäre ich ihr um den Hals gefallen. Sie war etwas schockiert über meine Reaktion, aber ich erklärte ihr, dass alles in Ordnung wäre und meine überschwängliche Freude andere Gründe hätte.
Als das Flugzeug landete, sah ich auf der Rollbahn einen Einsatzwagen, bis ich jedoch endlich zum Ausgang gelangte, war er längst weg. Auf dem gesamten Weg durch die Ankunftshalle strahlte ich vor Glück und Dankbarkeit für dieses unerwartete Geschenk des Schicksals.
BodyGuards für Zahira
Zwei endlos lange Wochen war es her und seitdem war kein Tag vergangen, an dem ich nicht ständig an ihn denken musste. Ich war wie in Trance, süchtig nach Tagträumen, in denen er die Hauptrolle spielte, und überwältigt von einer völlig neuen Gefühlswelt, die sich in mir auftat. Obwohl mich anfangs hauptsächlich sein äußeres Erscheinungsbild verzaubert hatte, so waren es doch andere Attribute, nach denen ich mich jetzt sehnte. Seine erotische, männliche Stimme, seine einfühlsamen, aber doch sehr bestimmenden Worte, das gekonnte Spiel seiner Hände an meinem Körper. Aber vor allem der dominante Blick in seinen dunklen Augen war es, dem ich mich so bedingungslos ausgeliefert fühlte. Er ließ mein Herz höher schlagen, meinen Atem schneller fließen und brachte meine Hände zum Zittern. Es war ein berauschendes Gefühl, das in mir grenzenlose Begierde weckte, und ich wusste nicht, wie lange ich es ohne ihn noch aushalten würde. Ich hatte in diesen vierzehn Tagen drei Kilo abgenommen. Mein Kreislauf bereitete mir seit längerem Probleme, doch in letzter Zeit noch häufiger, was sich aber vor allem den vielen kleinen Schmetterlingen in meinem Bauch zuschreiben ließ. Ich wartete angespannt auf ein Lebenszeichen von ihm.
***
Es war ein Sonntagabend, als ich wieder einmal gedankenverloren auf meiner Couch saß und mir seine wundervollen Hände herbeisehnte ... da vibrierte mein Handy ... und eine unbekannte Stimme fragte nach mir.
»Zahira?«
Mit einem Schlag war ich hellwach. Kurz drückte ich das Handy an meine Brust, mit einem stummen »Bitte!« zum Himmel gerichtet, und entgegnete: »David?«
Er schenkte mir ein lachendes »Ja«, und ich war so glücklich. All die Verzweiflung der letzten Tage war vergessen. Seine Stimme klang angenehm und ich hörte aufgeregt zu, als er anfing zu reden.
»Es tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, aber ich musste bei deiner Agentur einiges in Bewegung setzen, bevor ich deine Telefonnummer bekam. Du hast nichts versäumt, Santiago ist noch in Haft, er kommt diesen Freitag raus und er möchte dich sehen. Bis dahin haben wir noch etwas Zeit, alles zu organisieren.«
Nervosität stieg in mir auf und es verschlug mir fast die Sprache, aber ich strahlte bis über beide Ohren. David kündigte an, er würde montagabends zu mir in die Wohnung kommen, dann könnten wir alles besprechen. Ich musste ihm nur versichern, allein auf ihn zu warten.
Zu mir in die Wohnung ... Santiago sagte, ich solle ihm vertrauen. Normalerweise war ich vorsichtiger, aber in diesem Fall ging ich, ohne wirklich lange nachzudenken, darauf ein und gab David meine Adresse.
***
Ehrlich gesagt, war ich mir am nächsten Abend, als es an meiner Tür klingelte, nicht mehr ganz sicher, wer sich hier vor wem in Acht nehmen wollte, denn David erschien in Begleitung von zwei weiteren Männern. Einer von ihnen blieb vor meiner Wohnungstür stehen und der andere kam mit herein. Ein Fahrer wartete beim Wagen ... eine schwarze Stretch-Limousine, die ich etwas später bei einem beiläufigen Blick aus dem Fenster meiner im sechsten Stock gelegenen Wohnung bemerkte.
David sah atemberaubend gut aus. Er wirkte deutlich älter als Santiago, extrem schlank, groß, auffallend hellhäutig und nur leicht muskulös. Seine blonden glatten Haare, von denen einzelne Strähnen ständig die Stirn umspielten, waren im Nacken modisch kurz angeschnitten und ließen ihn etwas jünger erscheinen, als er tatsächlich war. Er begrüßte mich mit einem freundlichen Lächeln und hatte mit seinem souveränen Auftreten sofort mein Vertrauen gewonnen. Ich konnte Santiago in ihm spüren, nur dass es etwas leichter war, mit David zu reden, weil mein Körper nicht so verrücktspielte. Er gab sich sehr einfühlsam und er merkte schnell, dass ich in den letzten zwei Wochen eine schwere Zeit durchgemacht hatte, und auch, wie froh ich war, dass zumindest er nun bei mir sein konnte, um mich meinem Ziel etwas näher zu bringen. Schon nach den ersten paar Minuten in meiner Wohnung hatte er mich durchleuchtet. »Du liebst ihn!«, war das Ergebnis seiner Analyse ... und ich brauchte nicht zu antworten, denn sofort kullerten ein paar Tränen aus meinen Augen.
David nahm mich ohne zu zögern in seine Arme, er hielt meinen Kopf fest an sich und versuchte, mich zu beruhigen. Aber jetzt löste sich erst recht die ganze Anspannung und unzählige meiner Tränen sickerten in sein weißes Hemd. Er küsste meine Haare und bat seinen jungen Gefährten, mir ein Glas Wasser zu bringen. Es war so ungewohnt, von einem fremden Mann gehalten zu werden, überhaupt wenn man sich schon zwei Wochen lang nach der Liebe eines anderen gesehnt hatte. Aber es fühlte sich auch unheimlich gut an, und ich musste mich bewusst zurückhalten, um nicht zu vergessen, in wessen Armen ich mich befand.
Wir setzten uns nebeneinander auf die weiße Leder-Couch und er ließ mich einen Schluck trinken. Ich drehte mich in seine Richtung, verschränkte meine Beine auf der breiten Sitzfläche und er griff nach meiner Hand.
»Du musst mehr auf deine Gesundheit achten ... Du wirkst so zerbrechlich«, befand David. »Auf deiner Setcard habe ich gelesen, du wirst in zwei Wochen achtzehn, bist eins einundsiebzig groß und wiegst fünfzig Kilo.«
»Ja«, antwortete ich, »zurzeit nicht ganz ... Ich konnte