Sandrine blieb dicht vor Balthasar stehen, sodass der moschusartige Geruch ihres Parfüms in seine Nase stieg. Sie ragte trotz ihrer Größe gerade einmal bis zu seinem Kinn empor. »Ich benötige Ihre Hilfe. Jedenfalls versicherte man mir, Sie seien der richtige Mann für heikle Aufgaben. Und wenn ich Sie so betrachte, sind Sie in meinen Augen wirklich bestens geeignet.«
Er runzelte die Stirn. »Worum geht es?«
Sie legte den Zeigefinger ihrer rechten Hand auf seine Brust, um mit ihm in kreisenden Bewegungen langsam hinabzufahren.
»Haben Sie schon mal vom Planeten Hirda gehört?«, fragte sie mit einem lauernden Tonfall in der Stimme.
»Ich kenne ihn«, erwiderte er. »Immerhin gibt es nur wenige Planeten, die derart streng überwacht werden.«
Sandrine nickte. »Zum Bedauern vieler Menschen. Wissen Sie auch über den genauen Grund Bescheid?«
Balthasar unterdrückte ein Seufzen. Er wollte ihr gegenüber nicht sein ganzes Wissen offenbaren, da er nicht sicher war, worauf sie hinauswollte.
»Die Einzelheiten sind mir nicht so bekannt«, erklärte er ausweichend.
Auf Sandrines Gesicht trat ein weiches Lächeln. »Nun, dann will ich Sie aufklären, wobei dies in einer Hinsicht kaum nötig sein wird.« Sie senkte ihren Finger, um ihn andeutungsweise über sein Becken zu führen. »Die Bewohner sehen uns Menschen sehr ähnlich, na ja, beinah. Jedenfalls sind sie humanoid und man könnte annehmen, sie seien ein Spiegelbild von uns, wenn sie nicht eine tiefrote Hautfarbe besäßen. Ich glaube, selbst die Ureinwohner eines Kontinents der Erde, die man abfällig als Rothäute bezeichnete, waren niemals so rot vom Aussehen her. Zumindest die Haare der Hirdaner sind durchgängig schwarz. Übrigens gibt es bei ihnen, im Gegensatz zu den Menschen, keine Schattierungen oder Abweichungen in ihrem äußeren Erscheinungsbild.«
Balthasar kniff die Lippen zusammen. »Ich habe mal ein Hologramm der Spezies gesehen. Doch was wollen Sie von mir?«
»Seien Sie nicht so ungeduldig. Ich komme schon noch auf den wesentlichen Punkt«, entgegnete Sandrine. »Jedenfalls gibt es noch eine Besonderheit. Auf ihren Köpfen wachsen zwei winzige Erhebungen, die bei einigen durch das dichte Kopfhaar blitzen. Aber das nur so nebenbei. Bevor ich zu meinem wahren Anliegen komme, muss ich Ihnen die Geschichte von der Entdeckung dieses Volks erzählen. Wie wahrscheinlich auch Ihnen bekannt ist, schickte man, nachdem das erste Expeditionsschiff nicht zurückgekehrt war, eine Forschergruppe in Begleitung einer gut ausgerüsteten Sicherheitstruppe auf den Planeten. Offenbar befürchtete man eine kriegerische Auseinandersetzung oder einen ernsthaften Konflikt mit den Bewohnern, da man von der Annahme ausging, die ersten Entdecker wären in Gefangenschaft geraten.«
Balthasar verdrehte die Augen. Doch er zog es vor, zu den Äußerungen zu schweigen.
Sandrine schritt langsam um ihn herum, ohne den Bericht zu unterbrechen. »Überraschend schnell stieß man auf den Grund des Verschwindens der Besatzung. Die Männer und Frauen waren im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode geliebt worden. Bei der Obduktion stellte man mit Erschrecken fest, dass die Organe schlichtweg versagt hatten. Wobei man in einigen Fällen nicht sicher war, ob das Herz nicht schon vor Überanstrengung stehen geblieben war. Was für ein Schock für die Angehörigen und Freunde. Kein Verbrechen, kein Unfall, einfach beim Sex gestorben.« Ein bitteres Lachen floss aus ihrer Kehle. »Ein Tod, den sich so viele Menschen wünschen. Die Forscher fanden dann auch rasch den Grund für dieses eigenartige Ableben heraus. Die Bewohner des Planeten besitzen die Eigenschaft, in jedem anderen Wesen eine unermessliche Gier zu wecken, indem sie eine Gestalt annehmen, nach denen sich Männer, aber auch Frauen am meisten verzehren. Bis hierhin stellt dies auch noch kein Problem dar. Doch die Hirdaner ernähren sich durch die sexuelle Vereinigung von den dabei ausgestoßenen Hormonen, besonders von den Endorphinen und Oxytocinen. Gleichzeitig sondern sie einen Stoff ab, der ein erneutes, gesteigertes Verlangen bei ihren Partnern auslöst. Dieser unfreiwilligen Abhängigkeit kann man nur entkommen, wenn man sich über einen längeren Zeitraum nicht in ihrer Nähe aufhält. Die Forscher entdeckten auch, dass sich ausgerechnet die Menschen wie Süchtige verhielten, im wahrsten Sinn des Wortes sexsüchtig wurden. Männer und Frauen konnten nicht genug bekommen und gierten immer schneller und häufiger nach einem Geschlechtsakt. Aus diesem Grund empfahlen die Experten der terranischen Regierung, jeden direkten Kontakt mit den Bewohnern zu meiden, den Planeten unter Quarantäne und jeden Besuch unter Strafe zu stellen, da die Hirdaner sich offenbar von den rein natürlich produzierten Hormonen ernähren, die sie zum Erhalt ihrer Existenz benötigen. Ohne diese Stoffe würden sie schlichtweg – wie soll ich es ausdrücken? – verhungern. Ein besserer Vergleich fällt mir dazu nicht ein. Solang sie sich untereinander hingeben, ist die Paarung völlig harmlos und ungefährlich. Der Hormonaustausch führt bei ihnen zu keiner Abhängigkeit und stellt eine Notwendigkeit zur Erhaltung des Volks dar. Es ist bei ihnen eine unbewusste Handlung, ein Vorgang, der für sie völlig natürlich ist.«
»Hat man nicht versucht, die Hormone künstlich herzustellen?«, wandte Balthasar ein. »Wenn sie vorher die Stoffe einnehmen, dürfte es doch zu keinem stärkeren Austausch kommen und die Menschen müssten vor dem Verlust und der damit verbundenen Gefahr beim Sex geschützt sein.«
»Eine berechtigte Vermutung«, stimmte Sandrine zu. »Doch jede Art von künstlicher Zuführung stillt ihren Hunger nicht. Der Sex mit den Menschen löst durch den Überschuss an freigesetzten Hormonen bei den Hirdanern eine Art von Glücksgefühl aus. Dadurch wurde auch ihr Verlangen nach der Vereinigung mit terranischen Abkömmlingen gesteigert. Man kann sagen, sie ernährten sich förmlich von uns. Am ehesten vergleichbar mit einem Vampir, der das Blut aus seinem Opfer saugt. Nur ein gegenseitiges Fernbleiben löste das Problem und stellte einen weiterer Grund für die Quarantäne dar.«
»Eine einfache Lösung, aber sehr effektiv«, kommentierte Balthasar.
»Wie man es nimmt. Einer der Forscher war offenbar mit der terranischen Mythologie bewandert. Da die Bewohner dem Aussehen bestimmter irdischer Dämonen ähnelten und sich während des Akts mit den Menschen von dessen Hormonen und sexueller Energie ernährten, bezeichnete er sie als Succub, ein alter Begriff für bestimmte weibliche Dämonen. Offenbar übersah er dabei, dass auch die Männer das gleiche Verhalten an den Tag legten. Diese erhielten trotzdem einen anderen Namen: Satanas. Dabei entspricht es keineswegs ihrer Natur, sich wie ein Teufel zu verhalten. Eher sind sie sanftmütig wie Engel. Wie gesagt, der Kerl war wohl ein Witzbold. Es gibt jedoch einen weiteren Grund, warum man Hirda noch heute so streng bewacht.«
»Jetzt bin ich aber wirklich neugierig«, sagte Balthasar. »Wollte man verhindern, dass der Planet zu einem Magneten für ständig geile und selbstmordgefährdete Menschen wurde?«
Sandrine kicherte, während sie seine Schultern massierte. »Es ist die Fähigkeit des Gestaltwandelns, die vielen Regierungsmitgliedern Sorgen bereitet. Man befürchtet das Ausspähen von wertvollen Informationen, da man durch die Verwandlung einen Spion nicht erkennen kann. Daher wacht man so besonders über den Planeten. Aber Sie haben schon recht mit Ihrer Annahme. Trotz der ganzen Maßnahmen versuchen immer wieder Menschen auf den Planeten zu gelangen, um sich einmal mit einem Bewohner zu paaren, um das unbeschreibliche sexuelle Verlangen, das sie auslösen, am eigenen Leib zu erleben.«
Balthasar packte Chauvins Hände, als sie versuchte, sein Hemd zu öffnen, und drehte sich zu ihr um. Ein begieriges Funkeln stand in ihren schwarzen Augen.
»Was habe ich mit Hirda zu schaffen? Soll ich mich auf den Planeten begeben?«
Sandrine zeigte ihm ihre schneeweißen Zähne. »Eine Succub ist durch die Reihen der Wachstationen entwischt.«
Balthasar stieß einen leisen Pfiff aus. »Dies bereitet