»Miss Hunter?«
Die Stimme war nicht zu verkennen. George McLeod!
»Mr McLeod?«, krächzte ich, was mir sehr peinlich war, aber mit dem vor Aufregung trockenen Hals nicht zu ändern.
»Ich erwarte Sie heute Abend in meinem Büro. Punkt zehn Uhr.«
Ich schwieg. Was für ein Termin sollte das denn sein?
»Sind sie umgefallen?«, brummte es.
Ich schluckte. Er hatte mir eine Probe seines Humors geschenkt!
»Nein, Mr McLeod. Um zehn Uhr. In Ihrem Büro.«
»Und ziehen Sie sich was Vernünftiges an.«
Damit knackte es und die Leitung war tot. Wie hatte er das gemacht? Es gab kein Tuten. Nichts. Tote Leitung.
»Hallo?«, rief ich ziemlich verblödet in die Lautlosigkeit.
Egal. Vielleicht hatte er eine Spezialleitung zur British Telecom!
Etwas Vernünftiges anziehen … auf jeden Fall kein »Tee mit der Herzogin«-Kleid! Zwei Sekunden später stand ich vor meinem äußerst übersichtlich gefüllten Kleiderschrank. Wenn ich mich auch sonst mit keiner Sache rühmen konnte – jener, stets die billigsten Klamotten zu finden, schon!
Jetzt allerdings musste ich zugeben, dass kaum ein vernünftiges Teil dabei war. Alles war gut genug für einen Fahrradausflug mit Freunden, aber nicht zu einem Gespräch mit George McLeod!
Die Bemerkung mit der Herzogin ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Also rief ich Daisy an und fragte um Rat.
»Das hat er gesagt? Hm … Dann weiß ich was. Bin in zehn Minuten bei dir.«
Daisy war ein echtes Juwel! Sie kam zwar mit einer ziemlich übersichtlich gefüllten Plastiktüte an, aber sie bewies, dass auf sie Verlass war.
»Was ist denn da drin?«, fragte ich.
Sie grinste und stülpte die Tüte auf meinem Bett um. Der Stoff ergoss sich wie eine quecksilbrige Flüssigkeit auf die Decke.
»Aha«, sagte ich.
»Nix Aha! Ist wahrscheinlich besser, als deine Wäsche. Was hast du denn?«
Ich hob mein T-Shirt und Daisy verzog das Gesicht, als hätte sie auf eine Zitrone gebissen. »Okay. Vergiss es! Nimm lieber die Dessous von mir.« Sie hielt mit den Fingerspitzen zwei schwarze Nichtse in die Höhe. »Ein Stringtanga und ein BH. Hopp! Zieh an!«
Die schwarze Spitze war ziemlich ungewohnt und ich muss zugeben, dass ich mich etwas für meinen reichlich ausladenden Po schämte.
Doch Daisy nickte zufrieden. »Geil!«
»Ich zieh aber noch etwas drüber.«
»Genau. Das hier!« Damit reichte sie mir eine praktisch durchsichtige Bluse und einen schwarzen Bleistiftrock. Da konnte ich auch gleich nackt gehen, schoss es mir durch den Kopf. Das war zwar keine Teeeinladung bei einer Herzogin, aber ich bewarb mich ja auch nicht gerade in einem Puff!
Ich schloss den BH. »Oh …«, entfuhr es mir. Meine Brüste drängten sich ungestüm aus den etwas zu kleinen Körbchen. Durch die Löchlein in der Spitze konnte man meine Nippel wunderbar sehen, die jetzt, bedingt durch die Reibung, auch noch hart wurden. »Ähm … ich kann so aber nicht zu dem Gespräch!«
»Klar kannst du! Dieser McLeod ist ja wohl alles andere als ein Kostverächter.« Sie stützte ihre Fäuste in die Hüften und raunzte mich wie ein Ausbilder bei der Armee an: »Willst du den Job, oder nicht?«
***
Mir war elend, als ich in dieser Aufmachung, bedeckt mit einem beigefarbenen Trenchcoat, in der Tube, der U-Bahn, zur Kanzlei fuhr.
Du hast nur eine minimale Chance, also nutze sie!, redete ich mir gut zu.
Ich brauchte einfach besser bezahlte Arbeit! McLeod hatte mir einen Wink gegeben, und ich würde mich danach richten. Wenn er eine verführerische Sekretärin suchte, würde er sie bekommen.
Im spiegelnden Fensterglas der U-Bahn schaute ich mich an und bemühte mich um einen verwegenen Gesichtsausdruck. Cool. Entschlossen.
Verdammt! Ich musste diesen Job kriegen! Im Zweifel würde ich den Trenchcoat einfach anlassen …
Der Anwalt - Teil 1
Es war stockdunkel um mich herum und meine Haare stellten sich jedes Mal auf, wenn ich ein Knacken hörte. Ich hatte die Tube-Station verlassen und festgestellt, dass außer mir praktisch niemand unterwegs war. Nervös lauschte ich auf jedes Geräusch – und sei es nur der Sommerwind, der welkes Laub über die gepflasterten Gehwege fegte. Meine Ängstlichkeit war bemerkenswert.
In dieser Gegend gab es nicht viele Leute, die noch spazieren gingen. Man war einfach zu weit weg von den quirligen Londoner Einkaufsstraßen.
Ich musste nicht lange suchen, wenn auch meine Orientierung in der Dunkelheit etwas anders war als bei Tageslicht. Vor dem Haus angekommen, drückte ich die goldfarbene Klingel und gleich darauf sprang die Tür mit einem Summen auf. Kein Mensch weit und breit. Auch die Sekretärin war verschwunden. Kein Wunder – abends um zehn!
Ein kleines Licht brannte auf dem verlassenen Schreibtisch im Empfangsraum. Nur der Duft der Lilien erinnerte an jenen Morgen, als ich zum ersten Mal hier gewesen war.
Der Vorraum verbreitete die Atmosphäre eines Hotels inmitten der Nacht, wenn der Portier irgendwohin verschwunden ist, man hilflos und verlassen am Empfang steht und unsicher ist, was man machen soll.
Was sollte ich nur tun? Ich sah an mir herab. Himmelherrgott! Ich war allein mit einem der bekanntesten Anwälte Londons und sah aus wie eine Hafennutte!
Er würde über mich herfallen, mich vergewaltigen und die Polizei würde nur ihm glauben, wenn sie meine Aufmachung sahen.
Aber was half es? Ich brauchte den Job und ich brauchte das Geld. Jetzt konnte ich nicht mehr weglaufen und so beschloss ich, an seine Tür zu klopfen.
Auch sie öffnete sich automatisch, denn als sie aufschwang, sah ich ihn scheinbar unverändert an seinem Tisch sitzen. Möglicherweise lag ein jahrhundertealter Fluch auf ihm, der besagte, dass er diesen Tisch nie verlassen durfte und …
»Sie sind pünktlich. Das weiß ich zu schätzen, Miss …«
Die Pause enttäuschte mich. Hatte er ernstlich meinen Namen vergessen?
»… Hunter«, ergänzte ich. Gut, ich hatte mich darauf eingestellt, einiges hinnehmen zu müssen, um meine Lage zu verbessern.
»Treten Sie näher.«
Und indem ich auf ihn zukam, stand er auf. Also kein jahrhundertealter Fluch! Er streckte die Arme vor sich aus und gab mir damit zu verstehen, dass er mir helfen wollte, den Mantel abzulegen. Vor Schreck hielt ich die Luft an und öffnete ihn mit leicht bebenden Händen. Von wegen: Anbehalten! McLeods Augen schlossen sich zu kleinen Schlitzen als er mich ohne Trenchcoat sah. Dann wanderte sein Kopf eine Winzigkeit nach unten und wieder hoch. »Sie sehen sehr … ansprechend aus, Miss Hunter.«
Ja! Ich hatte ihn umgehauen! Punkt für Daisy.
»Keine Teeeinladung«, sagte ich. Der Satz war nicht ge-plant. Peinlich.
Er grinste. Trotzdem oder gerade deswegen.
»’Tschuldigung …«, raunte ich.
»Sie haben Humor. Das mag ich. Im Übrigen … Nein, keine Teeeinladung! Nehmen Sie Platz.«
Jetzt erst erblickte ich eine lederne Sitzgruppe an der seitlichen Wand. Soweit war ich beim ersten Mal gar nicht in den Raum gekommen.
»Ja, dorthin, bitte.«
Ich sank so weit in den Sessel ein, dass meine Knie