»Davon habe ich gerüchtweise auch schon mal gehört. Aber ich bin da furchtlos. Ich verspreche dir, ich werde nicht die Flucht ergreifen.«
»Und wo ist der Haken?«
»Warum sollte es einen Haken geben?«
Mario klang betont unwissend. Es entstand eine kurze Pause, dann seufzte er laut und fuhr in resigniertem Tonfall fort. »Na gut, du hast mich überführt. Ich brauche ein paar Sommerhemden, und ich dachte, du könntest mich begleiten, weil ... Okay, das ist mir jetzt sehr peinlich, aber ich trau mich nicht allein. Eigentlich hatte ich ja gehofft, das vor dir verheimlichen zu können, aber ...«
Laura lachte schallend los. »Du machst dich ja doch lustig über mich!«
»Nein«, antwortete Mario heiter, »es ist wahr, ich brauche wirklich Hemden. Und he, hast du eigentlich eine Vorstellung davon, wie schlimm es für einen Mann ist, allein ein Bekleidungsgeschäft zu betreten? Da stürzen sich sofort die Verkäuferinnen auf einen und behandeln einen, als wäre man allein nicht überlebensfähig. So was kann schon zu traumatischen Erlebnissen führen, vor allem, wenn sie im Rudel daherkommen.«
»Schon gut, schon gut. Ich gehe mit dir einkaufen. Ich will ja nicht dafür verantwortlich sein, dass du ein schweres Trauma erleidest.«
»Gut, dann hole ich dich um eins bei dir ab.«
»In Ordnung, also bis dann.«
»Bis dann.«
Kapitel 8
Es war kurz nach vier, als Laura schließlich beim Verlassen des gefühlten hundertsten Geschäftes verkündete: »Also was mich betrifft, wäre es das jetzt. Willst du noch irgendwohin?«
Mario sah sie mit einem Blick an, der zu sagen schien: »Die Frage ist doch wohl nicht ernst gemeint!«
»Gibt es überhaupt noch ein Geschäft, in dem wir nicht gewesen sind?« Laura stieß ihn leicht in die Seite und lachte. »Also so schlimm war es doch nun auch wieder nicht. Wir waren ja nicht einmal drei Stunden unterwegs. Komm, lass uns nach Hause fahren, bevor du doch noch den Shopping-Koller bekommst.«
Sie machten sich auf den Weg zurück zum Auto, als Mario auf halbem Weg abrupt stehen blieb.
»Da ist tatsächlich ein Geschäft, in dem wir noch nicht gewesen sind.«
Laura rückte näher zu Mario und säuselte mit gesenkter, aber bestimmter Stimme: »Nein, da waren wir nicht drinnen. Das ist nämlich ein Sexshop!«
Mit dem Kopf die Straße hinunterdeutend versuchte sie Mario zu verstehen zu geben, dass sie weitergehen wollte. Dieser blieb jedoch ungerührt stehen und betrachtete stattdessen die Auslage.
»Mario, können wir bitte weitergehen. Ich möchte nicht unbedingt von jemandem, der mich kennt, vor einem Sexshop gesehen werden.«
Mario wandte den Kopf zu ihr. Er lächelte, aber in seinen Augen lag ein seltsames Glitzern. Zärtlich umfasste er ihre Hand und streichelte mit dem Daumen über ihren Handrücken.
»Nun, wenn dich das so beunruhigt, sollten wir nicht länger hier herumstehen.«
Plötzlich marschierte er los, doch zu Lauras Entsetzen nicht in Richtung Auto, sondern auf den Eingang des Sexshops zu. Sie versuchte sich ihm zu widersetzen, doch Mario zog sie mühelos hinter sich her. Ehe sie sich versah, hatten sie das Geschäft auch schon betreten. Jetzt war es Laura, die vorstürmte. Es war ihr schon peinlich gewesen, möglicherweise vor dem Sexshop gesehen zu werden. Beim Betreten des selbigen erwischt zu werden, wäre eine mittlere Katastrophe gewesen. Eilig versuchte sie so schnell wie möglich aus dem von außen einsehbaren Bereich wegzukommen. Unsicher blickte sie zurück, um sich zu vergewissern, dass sie den Gefahrenbereich verlassen hatte. Sie vernahm ein leises Kichern und warf Mario einen finsteren Blick zu. Ihm schien das überhaupt nicht peinlich zu sein. Wütend drehte sie sich um, um sich einen Überblick zu verschaffen, wo sie hier eigentlich gelandet war. Bei dem, was sie sah, blieb ihr beinahe der Mund offen stehen. Vor ihr breitete sich ein ganzes Regal voll mit Dildos und Vibratoren in allen Farben, Formen und Größen aus. Mit gesenktem Blick drehte sie sich hastig zu Mario.
Dieser legte ihr behutsam den Zeigefinger unters Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. Was sie nur widerwillig tat. Doch sein Blick war jetzt wieder ganz sanft und ließ sie beinahe vergessen, dass sie eigentlich wütend auf ihn war. Sein Daumen strich zärtlich über ihre Wange.
»Hier drinnen brauchst du dich vor niemandem zu genieren, Laura. Die kommen selber alle her, weil sie das Zeug anschauen oder kaufen möchten. Und vor mir muss dir das sowieso nicht peinlich sein. Komm, sehen wir uns ein wenig um.«
Er nahm die Hand von ihrem Gesicht und hielt sie ihr einladend hin. Laura griff zunächst nur zögernd danach, war dann aber doch sehr froh, dass sie etwas zum Festhalten hatte. Langsam schlenderten sie durch die Gänge, wobei Laura sich ganz nah an Marios Seite hielt und nur ein paar verstohlene Blicke aus den Augenwinkeln riskierte. Vor allem die Reihen mit den DVDs waren ihr sehr unangenehm. Sie hatte sich noch nie einen Porno angeschaut, und beim Anblick der Titel und der Abbildungen auf den Covers wusste sie auch, warum. Plötzlich schoss ihr die Frage durch den Kopf, ob Mario wohl eine Vorliebe für solche Filme hatte. War das nicht der Grund, warum Männer in Sexshops gingen? Die Dildos, die sie vorhin gesehen hatte, dürften es ja wohl eher nicht sein. Andererseits schien das Geschäft hinter der DVD-Abteilung noch ein gutes Stück weiterzugehen. Vielleicht gab es dort noch andere Dinge, die für Männer interessant waren. Schaudernd dachte sie daran, dass hier mit Sicherheit auch Gummipuppen verkauft würden. Wobei die wohl auch kaum das restliche Geschäft füllen konnten. Und wenn sie sich ihren Begleiter so anschaute, konnte sie sich nicht vorstellen, dass er es nötig hatte, sich eine aufblasbare Frau zu kaufen. Allerdings fiel ihr sonst nichts mehr ein, was in Sexshops verkauft werden und für Mario von Interesse sein könnte, von Kondomen einmal abgesehen. Eine Erkenntnis, die Laura dazu zwang, sich einzugestehen, dass sie eigentlich überhaupt keine Ahnung von diesen Dingen hatte, und alles, was sie zu wissen glaubte, wohl eher auf Vorurteilen beruhte.
Schließlich waren die Reihen mit den DVDs endlich zu Ende, und sie kamen in die Wäscheabteilung. Erfreut stellte Laura fest, dass es hier auch ganz normale Unterwäsche gab. Sie löste sich von Mario und sah sie genauer durch. Nach den Dessous kamen Baby-Dolls und andere aufreizende Kleidchen. Mutig ging Laura um das Regal herum und fand sich auf der anderen Seite auf einmal vor der Lederbekleidung wieder. Sie zögerte kurz, doch dann siegte die Neugier. Zaghaft schob sie die Sachen auseinander, um sie betrachten zu können. Sie war etwas überrascht, hier auch Ledermäntel und Lederhosen vorzufinden. Beim genaueren Betrachten einer dieser Hosen stellte sie zu ihrer noch größeren Überraschung fest, dass diese einen Reißverschluss hatte, der zwischen den Beinen weiterging und erst über dem Hintern endete. Schnell hängte sie sie wieder zurück und ging ein Stück weiter. Hier gab es Röcke in verschiedenen Längen und diverse Korsagen. Schließlich waren da noch lederne Unterwäschestücke, und einige eigenartige Teile, von denen sie zwar nicht wirklich wusste, wie rum man das wo trug, die aber auf jeden Fall mehr zeigen als verdecken sollten.
Das nächste Regal beherbergte die Lackbekleidung, die Laura jedoch schnell hinter sich ließ. Lack schien ihr nicht unbedingt für hohen Tragekomfort zu stehen, darin musste man doch bestimmt schwitzen. Auch die Latexabteilung fand sie wenig spektakulär, da hier alles verpackt war, und sie nichts anschauen konnte, ohne dass es so aussah, als würde sie sich besonders dafür interessieren. Sie umrundete das Regal und kam schließlich in den letzten Gang, wo sie wie angewurzelt stehen blieb. Sie sah sich unsicher nach Mario um, der ihr die ganze Zeit in ein bis zwei Schritten Entfernung unauffällig gefolgt war. Er schien ganz auf die Lackbettwäsche konzentriert zu sein, die sich auf der Stirnseite des letzten Regals befand. Laura ließ den Blick weiter im Kreis schweifen und stellte fest, dass sonst niemand in der Nähe war. Solchermaßen unbeobachtet rang sie sich dazu durch, zögerlich weiterzugehen. Zu Anfang des Regals hingen einige Gerten und Peitschen, gefolgt von diversen Fesselutensilien. Beim Anblick der Handschellen schoss Laura die Frage durch den Kopf, wie es sich wohl anfühlen würde,