»Der größte Schock für die beiden kam Anfang April, als die brasilianischen Behörden meldeten, dass sie nun fest davon ausgingen, dass die Leiche Manfred sei. Eine Überstellung nach Deutschland wurde abgelehnt, da die Einäscherung und Beisetzung bereits erfolgt waren – auf Anordnung seiner Frau.«
»Auf meine Anordnung hin?« Vera war wie vor den Kopf gestoßen. »Anfang April ... da war ich in São Paulo, nachdem ich in Paraíba, Rio Grande do Norte und Pernambuco vergeblich nach dem unbekannten Mann gesucht und Kontakt mit den Konsulaten aufzunehmen versucht hatte. Von einem Toten wusste ich nichts!«
»Diese Info machte hier alle stutzig – besonders Maria und Susanne natürlich«, meinte Gerda.
Thomas erklärte weiter: »Am zehnten Mai tauchte plötzlich eine Gabriela Bruna da Moura Brandão, verheiratete Wegner, auf und legte eine Heiratsurkunde, datiert auf den 24. November, sowie eine Sterbeurkunde von Manfred vor, datiert auf den 22. Dezember, wobei hier der Hinweis ›geschätzter Todeszeitpunkt‹ angeführt war. Das Ganze machte auf uns einen äußerst dubiosen Eindruck und stimmte auch mit einigen Details unserer Erhebungen nicht zusammen, doch davon wollte unsere Polizei nichts wissen. Für sie war nur wichtig, dass sie damit den Fall zu den Akten legen konnten.«
»Und jetzt kommt es: Sie hatte eine detaillierte Vermögensaufstellung, stellte Erbansprüche und wollte von Maria und Susanne nun auch noch Geld für die Beisetzung von Manfred zurückhaben. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sich die beiden daraufhin aufgeführt haben! Jedes Mal, wenn sie Gabriela begegnet sind, sei es vor Gericht oder auf der Straße, sind sie sich gegenseitig an die Gurgel gegangen. Die Polizei war wochenlang damit beschäftigt, sie voneinander fernzuhalten. Fast wäre es so weit gekommen, dass sie die Streithennen eingesperrt hätten. Für mich irgendwie eine Genugtuung: Wir waren zunächst aus der Schusslinie. Gabriela ist immer wieder nach Brasilien zurückgeflogen, war allerdings mindestens einmal pro Monat hier, um ihre Erbansprüche durchzusetzen.«
»Da es keine Spur von dir gab, konnte ich die Behörden so weit hinhalten, dass zwei Jahre abgewartet werden sollte, bevor hier etwas entschieden würde – schließlich gab es keine gültigen Beweise dafür, dass ihr geschieden wart oder du nicht mehr lebtest. Mitte Juni meldete mir mein Kontakt aus Brasilien, dass die dortigen Behörden nun doch Zweifel hätten, dass die gefundene Leiche Manfred war. Der Führerschein wurde nicht – wie ursprünglich angegeben – an der Leiche, sondern im Handschuhfach gefunden! Außerdem gab es kleinere Unstimmigkeiten bei den Zahnunterlagen, die in einem Detail nicht ganz zusammenpassten. Damit wurde der Haftbefehl gegen Manfred wieder aktuell – wegen Verdachts auf Menschenhandel und Nötigung zur Prostitution. Es gab da offensichtlich eine Anzeige von einem Zeugen. Durch unsere laufende Einmischung wurde dieser nun auch als internationaler Haftbefehl geführt, weil nun unsere Darstellung doch nicht mehr als so ganz abwegig angesehen wurde.«
»Womit wir wieder voll in der Schusslinie von Maria, Susanne und Kurt standen!« Gerda konnte sich ein triumphierendes Grinsen nicht verkneifen.
»Das ist gerade einmal sechs Wochen her und jetzt bist du wieder hier – Gott sei Dank!« Man konnte Thomas die aufrichtige Freude ansehen. »Damit hätten wir das Gröbste zusammengetragen. Lass das Ganze jetzt einfach auf dich wirken und schlaf eine Nacht darüber – vielleicht kehren ja noch ein paar Erinnerungen zurück.«
»Du hast sicher recht, es ist schon spät und ich bin wirklich hundemüde. Die lange Reise, die ganze Aufregung und so viele Neuigkeiten, die ich erst verarbeiten muss ... Das wird mir langsam zu viel. Ich würde mich am liebsten gleich hinlegen.«
Gerda und Thomas nickten zustimmen und alle drei standen auf. An der Wohnungstür meinte Vera: »Jedenfalls vielen Dank für all die Infos und für alles, was ihr für mich getan habt.«
»Schon gut, das war erst der Anfang. Ich befürchte, dass uns die Hauptarbeit noch bevorsteht, bis endgültig geklärt ist, was tatsächlich mit Manfred passiert ist – auch wenn ich glaube, dass er wirklich tot ist. Für dich wäre das sicher das Einfachste und Angenehmste.«
»Frei nach dem Motto: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende«, ergänzte Gerda schnell, da ihr die Bemerkung von Thomas doch unpassend vorkam. »So, und jetzt raus mit dir«, wandte sie sich an ihn, »wir melden uns morgen bei dir und beratschlagen dann, wie es weitergehen soll.«
Vera nickte zustimmend, umarmte Thomas kurz und drückte ihm einen schüchternen Abschiedskuss auf die Wange, bevor er von Gerda unsanft durch die Wohnungstür geschoben wurde.
»In Ordnung. Schlaft gut, wir hören uns morgen. Haltet euch jedenfalls den Montag frei – da haben wir einiges zu erledigen. Ich werde versuchen, die nötigen Termine so zeitnah wie möglich zu bekommen, vielleicht schaffe ich das schon morgen. Gute Nacht!«
Veras Beziehungen
Die Details über ihr Leben mit ihrem gewalttätigen Ehemann hatten Vera ganz schön aufgewühlt und so verlief ihre Nacht recht unruhig. Auch nachdem sie endlich eingeschlafen war, warf sie sich von einer Seite auf die andere – von Erholung keine Spur.
Dass sie gegen ihren Willen zum Sex gezwungen, also vergewaltigt worden war, machte ihr schwer zu schaffen, war es doch nicht das erste Mal, sondern fast schon ein roter Faden, der sich durch ihr Beziehungsleben zog. In ihren Träumen erlebte sie ihre erste Liebe und Enttäuschung noch einmal ...
Während ihrer Schulzeit war sie die Woche über im Internat und nur am Wochenende zu Hause. Auf einem Dorffest kamen der zwei Jahre ältere Florian und sie sich näher und sie verliebte sich Hals über Kopf in den galanten jungen Mann. Die täglichen Telefonate am Abend waren für sie unheimlich aufbauend, und so freute sie sich immer schon auf die freien Tage, an denen sie ihn wiedersehen konnte.
Am vierten Wochenende nutzte Florian die romantische Stimmung eines farbenprächtigen Sonnenuntergangs und ihre Freude über das positiv beendete Schuljahr – und sie schlief das erste Mal mit einem Jungen. Er wusste, dass sie noch Jungfrau war, und ging entsprechend zärtlich und liebevoll vor. Dennoch konnte er ihre Nervosität nicht ganz vertreiben, sodass das »erste Mal« für sie nicht ganz so romantisch war, wie sie es sich erträumt hatte. Dafür versprach er ihr, dass er sie beim nächsten Mal einen Orgasmus erleben lassen würde.
Bereits am nächsten Tag kam ihm die Stimmung auf einem kleinen Fest oder vielmehr der dort ausgeschenkte Alkohol entgegen. Vera war schon leicht betrunken und damit sehr leicht gefügig zu machen. Mitten in der Nacht, als sie auf dem Heimweg waren, verführte er sie dazu, ihm auf eine versteckte Lichtung in einem kleinen Park zu folgen. Dort auf dem weichen Moos, unter dem fahlen Licht des Vollmondes, zog er ihr Höschen aus und verwöhnte sie oral, bis sie ihren ersten Orgasmus erlebte. Danach zog er seine Hose herunter und penetrierte sie sehr vorsichtig und zärtlich. Als er sich in ihr ergoss, kam sie zum zweiten Mal. In dieser Nacht schwebte sie im siebten Himmel und sehnte sich danach, dieses Gefühl bald wieder zu erleben.
In den nächsten zwei Wochen trafen sie sich mehrmals und Veras Wunsch erfüllte sich. Eines Abends hatten sie beide zu viel getrunken und waren mehr als leicht beschwipst, was sie jedoch nicht vom Sex abhielt. In seinem Auto riss er ihr regelrecht die Kleider vom Leib und nahm Vera ungestüm. Obgleich es diesmal nicht zärtlich und liebevoll war, erlebte sie einen Höhepunkt – unter Schmerzen.
Ein paar Tage später waren ihre Eltern über das Wochenende weggefahren, was sie und ihre Schwester dazu nutzten, mit ihren Freunden Spaß zu haben. Florian schlief in dieser Nacht das erste Mal bei Vera und sie hatten mehrfach Sex: wilden, leidenschaftlichen und intensiven Sex. Dieser hatte nichts mehr mit der anfänglichen Romantik, Zärtlichkeit und Vorsicht zu tun, er war heftig und animalisch, blieb jedoch ohne Erfüllung für sie.
In den nächsten Wochen wurde der Sex immer heftiger und rücksichtsloser. Florian interessierte sich nicht mehr dafür, ob sie Spaß hatte und zum Höhepunkt kam – Hauptsache, er hatte seinen.