Im Allgemeinen gab Kate Hosen den Vorzug vor Kleidern. Ihre Statur war nicht so weiblich rund wie Jills, sondern eher athletisch. Was ihre Figur an weiblicher Sinnlichkeit vermissen ließ, glichen die feinen Züge und geschwungenen Linien ihres Gesichtes aus. Trug sie die Haare zum Zopf gebunden oder am Hinterkopf zusammengesteckt, wirkten diese Merkmale noch stärker. Für den Abend fielen sie allerdings offen über Kates Schultern.
»Also, was ist los?«, fragte Jill, sobald sie an ihrem Tisch im Seven Seas saßen. »Ist der Mistkerl immer noch nicht aus seiner Pinselstube rausgekommen?«
Kate war am Vormittag erneut zu Jill gefahren, hatte sie aus dem Bett geklingelt und sich für den Abend mit ihr im Restaurant verabredet. Als sie ihr nun erzählte, was zwischen ihr und Henry vorgefallen war, musste sie ein paar Mal unterbrechen und Jill beruhigen, weil die Freundin den Anschein machte, gleich vor Wut platzen zu wollen.
»Meinst du nicht, dass es langsam reicht?«, fragte Jill schließlich, hob den Wein an die Lippen und nippte daran. Dann fuhr sie fort: »Soll er doch seine schlechten Zeiten allein ausbaden und dir deine guten nicht vermiesen.«
»So einfach ist es aber nicht«, versuchte Kate zu erklären, kam aber nicht weit.
»Doch, es ist total einfach.« Jill schraubte die Stimme ein wenig höher und imitierte Kate. »Eigentlich ist er ganz anders, blabla! Ich kann es nicht mehr hören. Erspar dir diese Wochenenden und fahr nicht mehr hin! Entweder kommt er zu Verstand und zeigt dir, dass du ihm etwas bedeutest oder …« Sie zuckte die Schultern und trank einen weiteren Schluck.
Als Kate nichts erwiderte, fügte sie mit einem Grinsen hinzu: »In der Zwischenzeit kannst du ja mal guten Sex haben.« Sie nickte in Richtung der Bar. »Heute zum Beispiel.«
Kate warf einen finsteren Blick zu dem Beau, der die Cocktails mixte. »Ist das der Cousin oder einer der Brüder?«
Sie wusste, dass Jill hin und wieder Sex mit den Besitzern des Seven Seas hatte, und hielt nicht sonderlich viel davon.
»Das ist Max«, hob Jill an, legte jedoch einen Finger über den Mund, weil sich die Bedienung mit dem Essen näherte. Die üblichen Floskeln benutzend, servierte das Mädchen und entfernte sich wieder.
»Ben, der Cousin, kümmert sich um die Küche, während Finn oben über dem Papierkram brütet.«
»Und mit welchem der drei vögelst du am liebsten?«
»Das ist meine Sache. Du kannst dir ein eigenes Urteil bilden.«
Kate schlug die Serviette auf und breitete sie auf ihrem Schoß aus. Sie nahm das Besteck und schnitt das Filet an, ohne den geringsten Appetit zu verspüren. »Ich verzichte«, murmelte sie und schob den ersten Bissen in den Mund.
»Warum denn? Henry muss das nicht erfahren.« Jill, die sich wie ausgehungert über ihren Teller hermachte, schnaubte im Kauen und murmelte dann: »Nimm es mir nicht übel, aber im Moment wäre ihm sogar das herzlich egal.«
Kate hätte ihr gern widersprochen, doch konnte es nicht. »Wahrscheinlich hast du recht.«
»Also?«
»Also gar nichts«, brauste sie auf und dämpfte ihren Ton, als Jill ihr einen skeptischen Blick zuwarf. »Sex mit Fremden kann ich nichts abgewinnen. Solcher Sex ist einfach nicht gut, denn er hat keinerlei Basis. Keiner weiß, wie der andere es gern mag, was den anderen reizt und im Endeffekt befriedigt. Man vögelt einfach nur vor sich hin. Selbst wenn es für den Moment okay ist, so beschert es einem danach ein mieses Gefühl.«
Die Freundin zeigte sich wenig beeindruckt. »Wann hast du diese Erfahrungen gemacht? Vor zehn Jahren? Mit irgendwelchen Discoboys?«
Kate legte das Besteck auf den nicht mal halb gelehrten Teller und schob ihn ein Stück beiseite. Kopfschüttelnd wandte sie sich an Jill. »Welche Bedeutung misst du dem Sex nur bei?«
Sie musste nicht lange überlegen. »Vielleicht eine zu große. Aber du, Darling, unterschätzt diese Sache entweder oder du belügst dich.«
Kapitel Zwei - Teil 2
Mit fortschreitender Stunde füllte sich das Seven Seas. Bald war jeder der Tische besetzt, und rund um die Bar warteten weitere Gäste auf Plätze.
Nach dem Essen wechselten Kate und Jill in die separate Billardlounge. Beim Spiel erzählte Jill von einem Auftrag, den ihre Werbeagentur erhalten hatte.
Kate, die ständig verlor, wurde müde. »Wie sieht’s aus, rufen wir uns ein Cab?«
Jill sah sich im Restaurant um. Nur noch wenige Tische waren besetzt und die Billardlounge teilten sie lediglich noch mit einer anderen Gruppe. Sie legte die Kugeln in das Dreieck und rollte es an die entsprechende Stelle.
»Lass uns weiterspielen!«, schlug sie vor.
»Ach Jill, komm schon. Du bist doch auch müde.«
»Kein bisschen. Also gib dir einen Ruck!«
Kate beobachtete Jills Anstoß. Die Kugeln schossen über den grünen Stoff. Die Elf rollte in eine Tasche. »Irgendwie hab ich den Eindruck, wir warten auf etwas.«
»Tun wir auch«, entgegnete Jill ohne aufzuschauen, peilte die günstig liegende Dreizehn an und lochte sie ein.
»Worauf warten wir?«
»Worauf schon ...« Über den Lauf ihres Queues blickte Jill den Männern nach, die den Nachbartisch gerade verlassen hatten. »Darauf, dass sie abschließen. Und das tun sie erst, wenn alle«, sie korrigierte sich, »fast alle Gäste gegangen sind. Allzu lange wird das nicht mehr dauern.«
Jill vergeigte den Stoß und Kate war an der Reihe. Sie verschaffte sich einen Überblick über ihre Kugeln und überhörte Jills ironischen Hinweis, der sie daran erinnerte, dass die Acht zuletzt eingelocht werden musste.
»Und wenn ich jetzt gehen will?« Sie beugte sich über den Tisch, peilte die Vier an und schoss sie sogar in die Tasche.
»Deine Wahl«, lautete Jills knapper Kommentar. Darauf begrüßte sie einen Mann, der sich zu ihr gesellte. Sein dunkles Haar war noch feucht von der Dusche.
Er kam zu Kate herum, stellte sich als Ben vor und gab ihr, wie zuvor Jill, einen Kuss auf die Wange. Der Duft seines frisch aufgetragenen Aftershaves machte sie nervös, und um sich davon abzulenken, nahm Kate ihre nächste Kugel ins Visier.
»Hey miteinander! Wo ist Finn?«, ertönte es neben ihnen.
Es war Max, der Barkeeper.
»Noch oben.« Ben korrigierte Kates Griff um den Queue. »Er kommt aber gleich.«
Dass Max sich an ihre andere Seite stellte, schürte Kates Nervosität. In ihrem Nacken kribbelte es, weil sich die Härchen aufrichteten. So gut dies möglich war, blendete sie die Nähe der Männer aus, konzentrierte sich auf die Zwei und lochte sie ein.
»Gut gemacht«, lautete Max’ Kommentar.
Kates Lächeln gefror auf ihren Lippen, als er mit der Fingerspitze über ihren Arm strich. Zwar war die Berührung nur sachte, doch hinterließ sie ein Brennen unter ihrem dünnen Shirt.
»Klappt das auch, wenn du abgelenkt bist?«, fragte er. »Versuch die Fünf. Die schaffst du von hier aus.«
Die Fünf hätte sie nicht als nächstes angespielt, dennoch veränderte sie ihre Position ein wenig und visierte die Kugel an. Hitze schoss in ihre Wangen, als Max seine Hände auf ihre Schultern legte. Seine Berührung wurde fester, je tiefer er gelangte. Bald strich er über ihre Seiten, wobei seine Finger die Rundungen ihrer Brüste berührten. Darauf umfasste er ihre Taille und zog ihren Po gegen sein Becken.
Mit viel zu viel Tempo schoss die Fünf über das Grün, prallte weit neben der Tasche ab und kickte andere Kugeln von ihren Posten.
Ben und Max ließen unisono einen Laut des Bedauerns hören.
Kate