»Ich will, dass du dich noch mal berührst ... so wie vorhin«, flüsterte er in ihr Ohr.
»Ist das eine Arbeitsanweisung?«, fragte Caroline verschmitzt.
»Ja«, brachte Sam heiser hervor. Sie fasste an ihre Kochjacke, um sie von den Knöpfen zu ziehen, gebannt beobachtete er sie dabei. Caroline konnte seine Lust spüren und sehen. Wieder presste er seine Lippen auf ihren Mund, verschlang sie förmlich.
»Sam!« Eine fremde Stimme.
Abrupt löste er sich von ihr, atmete tief ein, zog seine Kochjacke gerade und versuchte, nachdem er sich geräuspert hatte, einen möglichst normalen Ton anzuschlagen. »Ich bin hier ... beim Wasseranschluss.«
Was für ein blendender Schauspieler, dachte Caroline. Gut, dass er seinen Vorstecker noch nicht um hatte, sonst wäre seine ausgebeulte Hose aufgefallen.
Er ging dem Rufenden entgegen, der mit ein paar Zetteln um die Ecke bog. Caroline beobachtete die beiden eine Weile, dann griff sie nach dem Pflaster.
»Halt ... Das war doch meine Aufgabe, oder nicht?« Er nahm ihr das Pflaster aus der Hand und klebte es vorsichtig auf die Wunde. Sie blickte sich nach dem anderen Koch um, aber der war schon wieder verschwunden.
»Ich glaube, wir sollten das lieber vertagen, meinst du nicht auch?«, sagte er sachlich.
Vertagen? Was meinte er? Caroline tat sich schwer, der Schmerz schien ihr den letzen Funken Verstand geraubt zu haben.
Sam sah Carolines Verwirrung und küsste sie leicht. »Das meine ich.«
Sie nickte, unfähig, etwas zu sagen.
»Geh am besten wieder auf deinen Posten. Tut es noch weh?«
Sie schüttelte den Kopf. »Danke«, sagte sie leise.
Er lächelte und ging los, ohne sich noch einmal umzusehen.
***
Als Caroline zu ihrem Posten zurückkehrte, sah sie jemanden den Boden wischen. Die roten Haare verrieten ihr sofort, dass es Chris war.
»Tut mir leid, mir ist das beim Käsehobeln passiert«, entschuldigte Caroline sich.
Chris blickte hoch. »Ach, alles halb so wild. Der zweite Posten hat uns einiges zur Verfügung gestellt ... dank Ray.«
Ray lehnte, die Arme verschränkt, grinsend am Buffettisch.
Caroline bekam eine Gänsehaut. »Soll ich beim Käse weitermachen?«, versuchte sie abzulenken.
»Nein, das brauchst du nicht, das macht Ray. Es ist vielleicht doch ein bisschen zu schwer. Du könntest die Melonen in Schiffchen schneiden und später den Schinken darüberlegen.«
Caroline machte sich an die Arbeit. Chris half ihr mit geröteten Wangen. »Geht es deinem Handgelenk wieder etwas besser?«, fragte er leise.
»Ja, danke.«
»Na, Chris, ist ein geiles Gefühl, diese Melonen anzufassen und dann noch neben einer so hübschen Köchin zu stehen. Da möchte man doch glatt ihre Melonen anfassen, was?!«
Chris’ Gesichtsfarbe verdunkelte sich.
»Ray, was soll das?«, zischte Caroline ihn an.
»Wie niedlich, da ergreift jemand Partei für den armen Chris.«
»Wieso ärgerst du ihn immer? Lass ihn in Ruhe!«
»Das wird ja immer rührender. Chris, sei froh, dass sich mal jemand für dich interessiert.«
Caroline legte das Messer zur Seite und sah ihn mit blitzenden Augen an. »Du bist nicht im Bilde, mein Lieber. Ich habe das gute Recht dazu, denn Chris und ich waren zwei Jahre lang ein Paar«, phantasierte sie, um Chris zu helfen.
Dieser zuckte zusammen. Aus seinen Wangen wich das erste Mal, seit Caroline ihn kannte, die Farbe.
Ray blieb der Mund offen stehen, dann brach er in Gelächter aus. »Das kann doch nicht war sein! Du und ... dieses Würstchen? Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen!« Er stützte sich vor Lachen am Buffettisch ab. »Das muss ich sehen!« Sein Gesicht heftete sich auf Caroline.
Sie blickte auf die Melonen und glitt mit der Schneide durch die Hälfte. Chris entkernte sie wortlos mit einem Löffel.
»Das muss ich echt sehen. Da hinten gibt es einen Stall. Das wäre echt scharf!«
»Wie bitte?«
Ray legte eine Hand an sein Kinn, einen Finger über seine Lippen und hielt den Kopf schräg. »Du schuldest mir noch einen Gefallen, Caroline. Ich hoffe, du hast das nicht vergessen?«
»Was hat das damit zu tun?«
»Was ist hier eigentlich los?«, fragte Chris.
»Ich möchte sehen, wie ihr beiden vögelt«, stieß Ray hervor.
»Was?« riefen Caroline und Chris zeitgleich.
Caroline traute ihren Ohren nicht. Chris blickte zu ihr, wurde feuerrot und wendete sich rasch seiner Melonenhälfte zu. Ray sah auf die Uhr.
»Na, los, wir haben noch Zeit. Die Gäste sind erst um neunzehn Uhr hier und bekommen ihr Essen eine Stunde später. Die Spare Ribs werden also frühestens um halb acht geschoben. Jetzt ist es halb sechs. Viel haben wir nicht mehr zu tun. Und ein kleines Päuschen steht jedem guten Koch zu.« Herausfordernd sah Ray sie an.
»Du spinnst!« Sie schnitt weiter die Melonen auf. Er trat näher an sie heran, sodass sie seinen männlichen Duft riechen konnte.
»Ich glaube, du hast mich nicht verstanden. Es geht hier um die kleine Dienstleistung, die du mir noch schuldest, sonst geht etwas für dich ganz Entscheidendes zu Neely, Süße.« Seine dunklen Augen wirkten fast schwarz.
»Was erwartest du?«
»Dass wir drei eine kleine Pause machen und uns zum Stall begeben, wo du und Chris mir zeigt, wie ihr es früher immer getrieben habt.«
»Ich bin mit ihm schon lange auseinander. Er ist mein Ex-Freund. Das geht nicht mal eben so.«
»Doch, gerade mit Ex-Beziehungen. Los, ich sag es nicht noch einmal. Messer weg und mitkommen! Chris!«
»Was habe ich damit zu tun?«, versuchte er einzuwenden.
»Hör schon auf, du freust dich doch darauf, nach so langer Zeit deinen Schwanz mal wieder in Caroline zu schieben.«
»Hör auf, Ray! Ein für alle Mal!«, rief sie erbost. »Und wenn du noch einmal mit dieser Sache anfängst, dann jage ich dir den Hobel ins Handgelenk!«
Beide blickten Caroline sprachlos an.
»Ich meine es verdammt ernst!«, zischte sie ungehalten.
Ray fand als erster die Sprache wieder. »Also schön, schon gut, schon gut! Beruhige dich, Caroline, sonst bekommst du womöglich noch einen Herzinfarkt!«
Caroline spürte, wie sehr sie in Rage gekommen war und ihr Herzschlag pochte. Und auch in ihrem Handgelenk fühlte sie den Schmerz noch pochen, doch sie versuchte, nicht daran zu denken.
Chris war schnell im Arbeiten, schneller, als sie gedachte hatte. Auch Ray legte sich ins Zeug. Er verteilte den Wildlachs auf die Anrichteplatten, während Caroline den Bohnen-Mais-Salat durchmischte. Schweigend wuchtete sie das Alusekko, in dem sich der Salat befand, vom Tisch und verteilte ihn in vier Schüsseln.
»Caroline-Schätzchen, pass auf, dass ...«, setzte Ray an, wurde aber jäh unterbrochen.
»Wer ist denn ›Caroline-Schätzchen‹?«
Carolines Nackenhaare stellten sich auf, als sie Sams weiche, ruhige Stimme erkannte.
»Unsere Posten-Queen. Kommt sich jedenfalls so vor.«
»Wieso, lässt sie dich nicht ran, Ray?«
Caroline stockte der Atem. Was würde Ray sagen?