„Ich weiß nicht, was ich mit dir machen soll“, sagte er. „Aber ich schätze, dass du klug genug bist, um das selbst zu entscheiden. Willst du mit uns kommen?“
Als Antwort darauf trottete das wolfartige Biest vorwärts und ließ sich neben Royces Pferd nieder. Royce war sich ziemlich sicher, dass er keine Probleme haben würde, bei ihrer Geschwindigkeit mitzuhalten.
„Wir nehmen jetzt auch Monster mit?“, fragte Sir Bolis.
„Es ist nicht fremder als der Rest von uns“, erwiderte Mathilde.
„Es ist um einiges gefährlicher“, sagte Neave mit ernstem Gesichtsausdruck. „Das ist keine gute Idee.“
Gute Idee oder nicht, Royce war sich sicher, dass es so sein sollte. Er beschleunigte sein Pferd und machte sich erneut auf den Weg nach Ablaver, während Ember über ihm schwebte und die Richtung vorgab. Sollte der Vogel irgendeine Ahnung davon haben, warum sie den Bhargir finden sollten, der ihnen nun folgte, so würde er keine Antworten geben.
***
Royce konnte die Stadt Ablaver bereits riechen, bevor er sie erblickte. Der Geruch von Fisch vermischte sich auf eine solche Art mit dem Ozean, dass man bereits erahnen konnte, was hier passierte. Es war ein Geruch, der ihn zur Umkehr drängte, doch er ritt weiter.
Der Blick auf die Stadt war keine große Verbesserung, denn die Walfangstation auf der einen Seite machte sie zu einem hässlichen Ort. Der Anblick der gigantischen, wunderschönen Kreaturen, die hier ausgeweidet wurden, löste bei Royce beinahe Brechreiz aus. Er konnte sich noch zurückhalten, doch es verlangte ihm alles ab.
„Wir dürfen niemandem sagen, wer wir sind“, warnte er die anderen.
„Denn eine Gruppe aus Picti und Rittern könnte alles sein“, fügte Mark hinzu.
„Wenn uns jemand fragt, dann sind wir Söldner aus dem Krieg, auf der Suche nach einer neuen Anstellung“, sagte Royce. „Die Menschen werden wahrscheinlich denken, dass wir Desserteure, Banditen oder ähnliches sind.“
„Ich will nicht, dass andere denken, ich wäre ein Bandit“, sagte Bolis. „Ich bin ein treuer Krieger von Graf Undine!“
„Und die beste Art, ihm treu zu bleiben, ist eben so zu tun, als wärst du etwas anderes“, sagte Royce. Die Nachricht schien bei dem Ritter anzukommen. Er schmierte sogar Schlamm auf sein Schild, während er vor sich hinmurmelte, damit niemand das Wappen sehen konnte. „Behaltet eure Kapuzen auf. Besonders du, Neave.“
Royce war sich nicht sicher, wie die Bewohner der Stadt auf die Picti in ihrer Gruppe reagieren würden. Er wollte sich nicht durch die gesamte Stadt kämpfen müssen. Es war schlimm genug, dass Gwylim immer noch neben ihm herlief, der viel zu groß und furchteinflößend für einen Wolf wirkte.
Sie machten sich auf den Weg in die Stadt und sahen sich zwischen den heruntergekommenen Häusern um, während sie sich den Docks und den wartenden Schiffen näherten. Die meisten waren nicht viel mehr als Fischerboote, aber einige der Walfangschiffe waren größer und darunter befanden sich Segel- und Langschiffe, die so aussahen, als stünden sie zum Verkauf.
Es gab Tavernen, aus denen Royce die betrunkenen Festlichkeiten und die gelegentliche Gewalt vernehmen konnte, und Marktstände, an denen ranziges Fleisch neben feiner ausländischer Ware verkauft wurde.
„Wir sollten uns aufteilen“, schlug Mathilde vor. Sie schien es auf eine Taverne abgesehen zu haben.
Royce schüttelte den Kopf. „Wir müssen zusammenbleiben. Wir marschieren zu den Docks, suchen uns ein Schiff und dann können wir auf Erkundungstour gehen.“
Mathilde wirkte nicht sehr glücklich damit, aber sie machten sich trotzdem auf den Weg zu den Docks. Niemand schien dort in Eile zu sein. Auf den Schiffdecks standen Seemänner gemütlich herum oder saßen in der Sonne.
„Wie sollen wir es machen?“, fragte Mark, während er sich umsah. „Ich glaube nicht, dass es besonders einfach wird, einen Kapitän zu finden, der zu den Sieben Inseln fährt.“
Royce war sich nicht sicher, ob es darauf eine gute Antwort gab. Er sah nur eine Möglichkeit und die war alles andere als unauffällig.
„Hört mir zu!“, rief er über den Tumult der Docks. „Ich brauche ein Schiff. Gibt es hier einen Kapitän, der bereit ist, zu den Sieben Inseln zu segeln?“
„Ist das wirklich klug?“, fragte Bolis.
„Wie sonst sollen wir jemanden finden?“, erwiderte Royce. Selbst wenn sie in eine Taverne gingen und still und leise danach fragten, würden sich die Neuigkeiten schnell herumsprechen. Vielleicht war es auf diese Art sogar besser. Er erhob seine Stimme erneut: „Ich frage nochmal: Wer kann uns zu den Sieben Inseln bringen?“
„Warum willst du dorthin?“, rief eine Männerstimme zurück. Der Mann, der nach vorne marschierte, trug helle Seidenstoffe eines Kaufmanns und hatte einen großen Bauch, der von einem etwas zu angenehmen Leben zeugte.
„Wir haben dort geschäftlich zu tun“, antwortete Royce, der nicht mehr sagen wollte. „Dort warten Leute, die mich und meine Begleiter anheuern möchten.“
Der Mann kam noch näher. Royce beobachtete sein Gesicht und suchte nach einem Zeichen, dass der Mann sie erkannt hatte. Aber er entdeckte nichts.
„Als was?“, fragte der Mann. „Seid ihr Narren, Gaukler?“
Royce schaltete schnell. Vielleicht konnten sie nicht so einfach als Söldner durchgehen, aber das...
„Natürlich“, sagte er und stellte sicher, dass er Bolis nicht in die Augen sah. „Wir haben eine Anstellung auf den Sieben Inseln.“
„Die Bezahlung muss gut sein, damit ihr dort hingeht“, sagte der Kapitän. „Was bedeutet, dass ihr gut bezahlen könnt, nicht wahr?“
Royce zog einen kleinen Beutel hervor. „Bis zu einem gewissen Grad.“
Wenn es ihn zu seinem Vater bringen würde, war er bereit jede Münze in der Tasche zu bezahlen. Er warf den Beutel in Richtung des Kapitäns, der sie auffing.
„Ist das genug?“, fragte Royce.
Das war die andere Gefahr. Der Kapitän könnte sich umdrehen, das Geld nehmen und damit zurück zu seinem Schiff laufen. Es gab nichts, was Royce dagegen tun konnte, denn es würde seine Deckung auffliegen lassen. Einen Monat lang schien alles stehenzubleiben.
Dann nickte der Kapitän. „Aye, es ist genug. Ich werde euch in einem Stück zu den Sieben Inseln bringen. Danach seid ihr auf euch alleine gestellt.“
KAPITEL ZWEI
Genevieve stolperte benebelt aus der Stadt und konnte kaum fassen, was in Altfors Schloss passiert war. Sie war voller Hoffnung dort angekommen, doch jetzt fühlte sie sich, als wäre sie komplett leer. Jetzt, nachdem die Streitkräfte des Herzogs besiegt waren, nachdem Royce gesiegt hatte, dachte sie, dass sie endlich zu ihm gehen könnte. Mit ihm zusammen sein könnte.
Stattdessen erinnerte sie sich an den Anblick des Rings an Olivias Finger, der die Verlobung zu dem Mann bestätigte, den sie liebte.
Genevieve stolperte, als ihr Fuß an einer steinigen Stelle am Boden hängen blieb und der Schmerz in ihren verdrehten Knöchel schoss. Sie humpelte weiter, denn wohin sollte sie sonst gehen? Es war nicht so, als würde ihr hier draußen auf dem Heideland irgendjemand helfen.
„Ich hätte auf die Hexe hören sollen“, sagte sie zu sich selbst, während sie weiterlief. Die Frau, Lori, hatte versucht sie davor zu warnen, dass sie im Schloss nur Kummer