Traurig legte Mackenzie eine Hand auf ihren leicht hervortretenden Bauch, als wolle sie beschützen, was sich darin befand.
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Nach einem Anruf im Büro fanden Mackenzie und Ellington heraus, dass es sich bei Christines Freund um einen zweiundzwanzigjährigen Mitstudenten des Mädchens handelte. Er arbeitete Teilzeit auf einem Amt für Gesundheitswesen, um erste Erfahrungen in einer Branche zu sammeln, die ihn nach seinem Abschluss möglicherweise erwartete. Er war nicht bei der Arbeit, sondern zuhause und schien den Verlust Christines besonders schwer zu nehmen.
Als sie bei ihm ankamen, putzte Clark Manners gerade seine bereits blitzsaubere Wohnung. Es war offensichtlich, dass er nicht gut geschlafen hatte. Seine Augen waren glasig und er bewegte sich, als schob eine unsichtbare Kraft ihn vor sich her. Dennoch wirkte er enthusiastisch, als er sie in seine Wohnung einlud – eifrig, der ganzen Sache auf den Grund zu gehen.
„Ich bin nicht dumm“, sagte er, als er sich in seinem makellosen Wohnzimmer hinsetzte. „Wer auch immer sie umgebracht hat … wollte sie vergewaltigen, oder? Deshalb war sie oben ohne, nicht wahr?“
Mackenzie hatte sich genau das auch gefragt, doch die Fotos des Tatorts erzählten eine andere Geschichte. Als Christine zu Boden ging, landete sie auf dem Shirt. Das schien einen Hinweis darauf zu geben, dass es ihr widerstandsfrei ausgezogen und dann zu Boden geworfen worden war. Wenn Mackenzie wetten müsste, würde sie daraufsetzen, dass Christine sich dem Oberteil selbst entledigt hatte. Vermutlich für die Person, die sie in ihre Wohnung gelassen und die sie am Ende getötet hatte. Mackenzie war sich bezüglich eines potentiellen Plans des Täters, Christine zu vergewaltigen, nicht sicher. Die Möglichkeit war dagewesen, doch Mackenzie vermutete, dass für ihn die Tötung im Vordergrund gestanden hatte.
Doch der arme Junge musste davon nichts wissen.
„Es ist zu früh für Spekulationen“, sagte Mackenzie. „Es gibt verschiedene Szenarien. Und wir hatten gehofft, dass Sie uns dabei helfen können, herauszufinden, was geschehen ist.“
„Sicher, sicher“, sagte Clark, der offensichtlich ein langes Nickerchen und einen eingeschränkteren Koffeinkonsum nötig hatte. „Ich werde tun, was ich kann.“
„Können Sie Ihre Beziehung zu Christine beschreiben?“, fragte Ellington.
„Wir waren ungefähr sieben Monate zusammen. Sie war meine erste richtige Freundin – die erste Beziehung, die länger hielt als zwei oder drei Monate. Ich habe sie geliebt. Das wusste ich bereits nach wenigen Wochen.“
„Hatte die Beziehung bereits ein körperliches Level erreicht?“, fragte Mackenzie.
Mit verträumtem Blick nickte Clark. „Ja. Das ging ziemlich schnell.“
„In der Nacht ihres Todes“, fuhr Mackenzie fort, „war sie zuerst hier gewesen. Blieb sie oft über Nacht?“
„Ja, ein oder zwei Mal pro Woche. Manchmal war ich auch bei ihr. Erst vor einigen Wochen hat sie mir einen Schlüssel gegeben, damit ich kommen konnte, wann immer ich wollte. So war ich auch in der Lage, ihre Wohnung zu betreten … und sie zu finden.“
„Warum ist sie in jener Nacht nicht hiergeblieben?“, frage Ellington. „Es war spät, als sie nach Hause ging. Gab es Streit zwischen Ihnen beiden?“
„Nein. Gott, wir stritten nur selten. Nein … wir haben alle etwas getrunken und ich hatte viel zu viel. Ich gab ihr einen Gutenachtkuss und ging dann zu Bett, wo ich sofort einschlief. Es ging mir nicht so prickelnd. Sie blieb noch mit meinen Freunden sitzen. Ich war mir sicher, dass sie sich früher oder später zu mir ins Bett legen würde, aber als ich am nächsten Morgen aufwachte, war sie weg.“
„Glauben Sie, dass einer Ihrer Freunde sie womöglich nach Hause gebracht haben könnte?“, fragte Mackenzie.
„Ich habe sie alle gefragt und sie haben es verneint. Selbst wenn sie es ihr angeboten hätten - Christine hätte es abgelehnt. Ich meine, es sind nur drei Häuserblocks und sie liebte das kalte Wetter, liebte es, zu laufen. Sie stammte aus Kalifornien, Schnee war für sie also etwas Magisches, verstehen Sie? Ich erinnere mich sogar, wie aufgeregt sie an dem Abend gewesen war, als sie die Wettervorhersage hörte. Sie machte sogar Witze darüber, im Schnee spazieren zu gehen.“
„Wie viel Freunde waren an dem Abend hier bei Ihnen?“
„Mit Christine waren wir zu sechst. Soweit ich weiß, sind sie alle kurz nach Christine ebenfalls aufgebrochen.“
„Können Sie uns die Namen und Kontaktinformationen geben?“, fragte Ellington.
„Sicher“, sagte er und zog sein Handy heraus, um die Informationen zusammenzusuchen.
„Ist es normal, unter der Woche so viel Besuch zu haben?“, fragte Mackenzie.
„Nein. Wir haben uns quasi für einen letzten gemeinsamen Abend getroffen, bevor die Ferien zu Ende sind. Nächste Woche geht der Unterricht wieder los. Und mit der Arbeit und anstehenden Familienbesuchen war es der einzige Abend, den wir alle freischaufeln konnten.“
„Hatte Christine außerhalb Ihrer Gruppe noch andere Freunde?“
„Nicht viele, sie war ein sehr introvertierter Mensch. Da waren nur ich und zwei meiner Freunde, mit denen sie manchmal abhing, aber das war‘s. Sie stand ihrer Mutter sehr nahe. Ich denke, ihre Mom hatte vor, noch vor Ende des nächsten Semesters herzukommen und hier zu leben.“
„Haben Sie nach dem Vorfall mit ihrer Mutter gesprochen?“
„Ja“, sagte er. „Es war seltsam, weil ich zuvor noch nie mit der Frau geredet habe. Ich habe ihr bei den …“
Er hielt inne und zum ersten Mal bildeten sich Tränen in seinen müden Augen.
„… bei den Beerdigungsvorbereitungen geholfen. Ich glaube, sie soll hier eingeäschert werden. Sie ist gestern Abend hergeflogen und wohnt in einem Hotel in der Umgebung.“
„Ist sie alleine?“, fragte Mackenzie.
„Ich weiß es nicht.“ Er krümmte sich und sah zu Boden. Er war sowohl erschöpft als auch traurig, eine Mischung, die ihn schließlich umhauen würde.
„Wir werden Sie fürs erste alleine lassen“, sagte Mackenzie. „Haben Sie die Hotelinformationen von Mrs. Lynch?“
„Ja“, sagte er und zog langsam wieder sein Handy raus. „Moment.“
Während er nach dem Namen des Hotels suchte, sah Mackenzie Ellington an. Wie immer waren seine Antennen ausgefahren und er sah sich intensiv im Raum um, damit ihm nichts entging. Sie bemerkte auch, dass er mit seinem Ehering spielte, während er sich umsah. Langsam drehte er ihn an seinem Finger herum.
Dann blickte sie wieder zu Clark Manners. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie ihn erneut befragen würde – und das vermutlich bald. Die Tatsache, dass er wie besessen seine Wohnung putzte, nachdem seine Freundin umgebracht worden war, machte aus psychologischer Sicht Sinn. Aber es könnte auch als Versuch gewertet werden, Beweise verschwinden zu lassen.
Doch sie hatte schon zuvor Menschen gesehen, die die Trauer zerbrochen hatte und tief in sich fühlte sie, dass Clark vermutlich unschuldig war. Niemand konnte diese Art von Trauer spielen, ganz zu schweigen von seiner Unfähigkeit zu schlafen. Doch früher oder später würden sie auf jeden Fall mit seinen Freunden sprechen müssen.
Als Clark die Hoteldetails gefunden hatte, gab er Mackenzie sein Handy, damit sie diese notieren konnte. Sie schrieb auch die Namen und Nummern der Freunde ab, die sich am Abend von Christines Tod in Clarks Wohnung aufgehalten hatten. Während sie schrieb, bemerkte sie, dass auch sie mit ihrem Ehering