Lebensbilder. Оноре де Бальзак. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Оноре де Бальзак
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783955014735
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der Gestalt des »Salvator Rosa« fühlen, weshalb er die Bearbeitung des französischen Dramas unternahm. Allerdings scheint ihm auch diesmal ein theatralischer Erfolg versagt gewesen zu sein; eine Aufführung dieses »Salvator Rosa« ist nicht nachzuweisen.

      Dieser letzte dramatische Versuch Schiffs fällt schon weit außerhalb seines Berliner Aufenthaltes, der gegen das Ende des Jahres 1835 jäh abgebrochen wurde. Voran ging diesem unseligen Schritte eine heftige Polemik mit Christian Dietrich Grabbe. Beider Dichter äußeres Wesen sollte eine Gegnerschaft von vornherein ausgeschlossen erscheinen lassen. Wie vieles sie miteinander gemein hatten, ist schon früher gezeigt worden. Aber so sehr sie einander in ihrer Lebensführung glichen (auch die Sehnsucht beider, schauspielerisch zu wirken, verbindet sie), so wenig stimmten sie in ihren poetischen Anschauungen überein. Das offenbarte sich am schlagendsten darin, daß Schiff Grabbes Hohenstaufendramen im »Gesellschafter« (1830, Beilage Nr. 80) scharf angriff. Er warf ihm vor, daß er mit großen Stoffen leicht fertig werde oder sie leichtfertig behandle und daß er seine Kräfte überschätze. Doch verkannte er nicht, daß, »wer solche Gedanken und Verse habe, ein Dichter sei.« In seinem »Cid« nahm nun Grabbe eine wenig vornehme Rache. Die Entstehung dieser Satire muß man mit Oskar Blumenthal (Grabbes sämtliche Werke, Detmold 1874, IV. Band, Seite 90) sicherlich erst in die Dreißigerjahre verlegen. Für mich ist kein Zweifel, daß schon die Wahl des Cidstoffes, um darin verschiedentlich literarische Rache zu nehmen, einen Angriff auf Schiff bedeutet, der im »Aprilmärchen« denselben Stoff satirisch vorarbeitet hatte. Grabbe hätte gewiß ebenso gut irgendein anderes heroisches Thema als Grundlage seiner recht lose zusammenhängenden Verhöhnungen erwählen können, die übrigens, so weit sie Schiff betreffen, weder allzu wirksam noch allzu treffend sind.

      Von diesem einzigen Angriff abgesehen, verlief Schiffs Berliner Zeit ruhig und friedlich. (Grabbes »Cid« dürfte er wohl erst 1845 in Arthur Müllers »Moderne Reliquien« kennen gelernt haben, wenn ihm nicht vielleicht Immermann das Manuskript schon früher zeigte.) Dennoch begann ihm Berlin nicht zu behagen: seine Ruhelosigkeit scheuchte ihn fort. Die übergroße Nüchternheit, die Berlin in der Mitte der Dreißigerjahre erfüllte, mag den Entschluß, die preußische Hauptstadt zu verlassen, in ihm bestärkt haben. Von dem ungebundenen Wanderleben, wie es die Romantiker so oft verherrlicht hatten, erhoffte er sich die stärksten Impulse für seine Dichtung. Berlin bot seinem skurillen, phantastischen Dichtergemüte gewiß wenig Nahrung. Dort hatte neuerdings der Geist plattester Aufklärung um sich gegriffen, der Schiff unmöglich zusagen konnte. Und so verschwand er eines Tages und blieb monatelang völlig verschollen. Er fühlte nur zu gut, daß er in Berlin nichts mehr zu sagen hatte. Deshalb wollte er es versuchen, auf anderem Boden sein dichterisches Glück zu finden. Fehlgeschlagene Hoffnungen müssen es allein gewesen sein, die ihn dazu drängten; denn mit seinen literarischen Freunden stand er sich vortrefflich. Aber er lohnte ihnen nach seinem Ausmarsche aus Berlin ihre Zuneigung schlecht. Kaum hatte er ihnen den Rücken gekehrt, als er sie gänzlich ignorierte. Er ließ nichts mehr von sich hören, so daß man ihn allgemein für – – tot hielt. Willibald Alexis schrieb ihm sogar einen ausführlichen, warmen Nachruf, der die tiefsten Einblicke in Schiffs Wesen gewährt, und der wegen seiner Bedeutung ausführlich wiedergegeben werden muß.

      In dieser Charakteristik (»Der Freimütige«, 5.–7. November 1835, Nr. 220–222) heißt es: »Erinnerungen an Daniel (sic!) Schiff. Es war in den ersten Monaten dieses Jahres, als der talentvolle Doktor Daniel Schiff Berlin verließ, um seine Vaterstadt Hamburg zu besuchen. Er schied von seinen Freunden mit der festen Zusicherung, sogleich nach seiner Ankunft von sich hören zu lassen, und auch dem damaligen Redakteur dieser Blätter [* Willibald Alexis, der Ende 1835 die Redaktion an W. Albrecht übergeben hatte] hatte er sein Wort gegeben, noch vom Wege aus Mitteilungen zu senden. Er versprach sich, in seiner eigentümlichen Weise die Dinge zu betrachten, einen besonderen, humoristischen Genuß von der Art, wie er diese Reise unternahm; denn trotz des regnerisch-unbeständigen, kalten Frühjahrs, trotz der durchnäßten, schlechten Wege war es sein fester Wille, sie ganz zu Fuß zu machen. In einem schlechten grauen Überrock, ohne anderes Gepäck, als was er in die Taschen stecken konnte, einen großen Stab in der Hand, wanderte er, nicht ohne Besorgnis seiner Freunde, aus den Toren von Berlin. Aber er selbst vergnügte sich schon in Gedanken, wie er regentriefend am Abend in der ersten besten Dorfschenke einsprechen und neben den Stammgästen und Honoratioren einen Platz am brennenden Herde erbitten würde, wie er auf ihre Fragen antworten, Geschichten erzählen und Geschichten hören wollte. Er freute sich auf die Gesellschaft von Handwerksburschen, Kärrnern, Gendarmen und allenfalls Transporten von Strafgefangenen, mit denen er des Wegs ziehen und, eine Pfeife rauchend, Gedanken auszutauschen und Menschenkenntnis einzusammeln hoffte. Aber der moderne Seume und Arndt täuschte sich, wenn er, trotz seiner unverkennbaren dichterischen Gaben, die er zu haben meinte, sich in die Menschen zu finden und sie glauben zu machen, er gehöre zu ihnen, hoffte. Schiff konnte alles eher, als sich in den Verhältnissen zurechtzufinden. Man muß es ihm auf die erste Frage, auf den ersten Blick, auf die erste Bewegung mit den Händen angemerkt haben, wer er war, wenigstens daß er nicht zu jener ehrenwerten Klasse gehörte, zu der er sich zu gesellen vorhatte ...

      Überdies sind die Anwohner auf der großen Kommerzialstraße nach Hamburg nicht mehr im Stande der Unschuld und ihre Blicke in realen Dingen schärfer als die des unglücklichen Dichters. Noch was die Besorgnisse seiner Freunde um vieles steigerte, trug er einen kostbaren Ring, den er mit einer Art abergläubischer Scheu nie vom Finger ließ. Auch beim Ausgehen aus Berlin war er nicht zu bewegen, ihn einzustecken, und der flimmernde Edelstein vertrug sich schlecht mit den baumwollenen Zwickelhandschuhen, dem Knotenstock und dem groben Rocke ...

      Er hat keine Mitteilungen eingesandt, er hat keinem seiner zahlreichen Freunde hier geschrieben, aus Hamburg verlautet nichts von seiner Ankunft, er ist fast seit einem Jahre verschwunden und der betrübtesten Vermutung ein weites Feld eröffnet. Der Weg, den seine Phantasie ihn vielleicht gedrungen, einzuschlagen, ist nicht bekannt; aber selbst auf dem bekanntesten weiß, wer die Hamburger Tour gemacht, welche Gefahren in den ausgefahrenen Hohlwegen jenseits der preußischen Grenze, in der Nähe von Britzenburg oder in den Marschländern der Elbe, dem verspäteten Reisenden drohen.

      Müssen wir den Verschollenen als einen Verlorenen betrachten, so ging in ihm eines unserer originellsten Talente viel zu früh unter. Schiff kann kaum das dreißigste Jahr erreicht haben. Aber selten hat ein Dichter so entschiedenes Unglück. Ich rechne nicht dahin, daß er, in großer Wohlhabenheit erzogen, durch einen Vermögensumschlag in seiner Familie plötzlich arm wurde, denn sein Sinn war über diese Unglücksfälle hinaus. Echter Dichter aus der Zeit, wo es noch kein Bewußtsein und keine Spekulation gab, gingen seine Sorgen nicht über den Augenblick hinaus. Er jubelte, wenn er etwas hatte, und darbte, wenn er nichts hatte. In dieser Kunst, zu darben und dabei liebenswürdig und heiter zu bleiben, suchte er seinesgleichen. Aber sein Unglück war die merkwürdige Nichtanerkennung, die seine Dichtungen gefunden. Wenn das Schicksal lang ungerecht war gegen echtes Talent, irgendwie und wo kommt die Anerkennung! Und unsere Zeit, in allem rascher als die vorigen Jahrhunderte, holt gewöhnlich noch den Lebendigen ein, um ihm Balsam auf die Wunden zu träufeln und einen bescheidenen Kranz auf den kahl gewordenen Scheitel zu drücken. Schiff war wohl schon zehn Jahre öffentlich aufgetreten, aber noch hatte weder das Publikum noch die Kritik die Notiz von ihm genommen, auf die sein Talent Anspruch hat. Von seinem ersten Buch, einer Studentenhumoreske, die in ihrem Kreis gefallen hat, »Pumpauf und Pumprich«, wurde ihm sogar die Autorschaft abgestritten. Er selbst sprach nicht gerne davon, als einem Produkte jugendlichen Übermuts. Sie hat, wenn auch in barocker Manier, ihre Verdienste, doch bleibe sie immerhin vergessen. Eben desgleichen bleibt der Ruhm, den seine dramatischen Arbeiten in Anspruch nehmen, zweifelhaft. Seine »Agnes Bernauerin« bekundet freilich die ganze dichterische Innigkeit, den Naturhauch und Naturdunst der Empfindungen, in dem Schiffs Poesie ihren Kulminationspunkt hat, aber als Drama ist das Ganze allzusehr subjektiver Guß, der der Gestaltung entbehrt. ...

      Seine Märchen und Novellen gehören dagegen zu den sinnreichsten Phantasien und ausgebildetsten der neueren Zeit. Das Märchen »Alban und Alba«, die schauervolle Erzählung »Varinka«, die psychologisch humoristischen Novellen »Zwei Fliegen mit einer Klappe« und »Der Häßliche« und andere würden dem Verfasser einen Ehrenplatz in der Literatur sichern, wenn sein Unglücksstern nicht gewollt, daß sie in den Zeltungsblättern übersehen und, in Sammlungen erschienen, nicht