Tante Lisbeth. Оноре де Бальзак. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Оноре де Бальзак
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783955014926
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Cadine hatte ihm gehörig gekostet, etwa dreißigtausend Francs das Jahr. Na, ich sage Ihnen, mit der Josepha richtet er sich nun gänzlich zugrunde. Gnädige Frau, Josepha ist Jüdin, ein Findelkind, aus Deutschland gebürtig. Nach den Nachforschungen, die ich habe anstellen lassen, ist sie die natürliche Tochter eines großen jüdischen Geldmannes. Die Theaterluft und besonders die trefflichen Rezepte der Jenny Cadine und anderer Kolleginnen, wie man alte Kerle ausbeutelt, haben in dem kleinen Mädel, das ich in änständiger und ziemlich bescheidener Bahn hielt, den uralten semitischen Instinkt nach Gold und Geschmeide wachgerufen, die Gier nach dem goldenen Kalbe. Nachdem sie einmal Blut geleckt hat, diese berühmte Sängerin, will sie reich, steinreich werden. Sie geizt mit dem, was andere ihretwegen verschwenden. Den Hulot rupft sie ordentlich. Rupfen, ach was, sie zieht ihm das Fell über die Ohren! Nachdem dieser Unglücksmensch die Konkurrenz des Herrn Keller und des Marquis von Esgrignon hatte aushalten müssen – die beiden waren in Josepha vernarrt; die Schar der unbekannten Anbeter wollen wir beiseite lassen –, da ward er von einem maßlos reichen Mäzen aus dem Sattel gehoben, dem Herzog von Hérouville. Dieser hohe Herr besitzt die Anmaßung, Josepha völlig für sich allein haben zu wollen. Die ganze Halbwelt spricht davon; nur der Baron weiß es nicht. Wie das immer so ist, er sitzt in Wolkenkuckucksheim. Bei Liebschaften ist es ganz so wie in den Ehen. Der Betroffene erfährt immer alles zuletzt ... Begreifen Sie nun meine Rechte? Ihr Mann, Verehrteste, hat mir mein Glück gestohlen, das einzige bisschen Freude, das ich gehabt habe, seit ich Witwer bin. Sehen Sie, wenn ich nicht das Unglück gehabt hätte, diesen alten Bock kennenzulernen, besäße ich meine Josepha noch heute, denn ich hätte sie in meinem ganzen Leben nicht ans Theater gelassen. Sie wäre mein eigen geblieben, unbekannt und bescheiden. Ach, Sie hätten sie einmal vor acht Jahren sehen sollen! Wie war sie schlank und frisch! Eine Haut hatte sie, goldbraun wie eine Andalusierin. Ihr schwarzes Haar schimmerte wie Seide. Augen mit langen dunklen Wimpern und voller Feuer. Ein Benehmen wie eine Fürstin. Und doch so bescheiden wie eine Bettlerin. Ehrsam-graziös. Flink wie ein Reh in der Wildnis ... Dank dem Baron Hulot sind alle die schönen Eigenschaften Speck für die Mäuse geworden und das Mädel selber eine Königin im Reiche der Lüste! Das harmlose kleine Schäfchen von ehedem ist heute das gerissenste Weibsstück ...«

      Der alte Parfümerienhändler wischte sich die tränenfeuchten Augen. Die Ehrlichkeit seines Schmerzes machte Eindruck auf die Baronin. Sie riss sich aus den Grübeleien, in die sie versunken war.

      »Sagen Sie, gnädige Frau«, fuhr Crevel fort, »kann man mit zweiundfünfzig Jahren einen solchen Schatz wiederfinden? In einem Alter, wo die Liebe jährlich dreißigtausend Francs kostet! Ich sehe das an Ihrem Herrn Gemahl. Aber ich liebe meine Tochter zu zärtlich, um sie zu ruinieren ... Als ich Sie kennenlernte, bei jenem ersten Diner, zu dem Sie mich eingeladen hatten, da begriff ich nicht, warum Ihr Mann, der Schurke, eine Jenny Cadine aushielt. Sie sahen wie eine Kaiserin aus. Sie waren noch nicht dreißig Jahre. Sie waren jung und schön! Auf Ehre, an dem Tage war ich tief erschüttert. Ich sagte mir: Hätte ich nicht meine Josepha, so wäre diese von ihrem Gatten verlassene Frau meine richtige Handschuhnummer ... Verzeihung! Das ist so eine Redensart von früher her! Der Parfümerienfritze kommt ab und zu wieder zum Vorschein! Es ist Zeit, dass ich Abgeordneter werde! – Also, nachdem mich der Baron so niederträchtig betrogen hatte – unter alten Kameraden, die wir waren, muss einem die Geliebte des Freundes heilig sein! –, da hab ich mir geschworen, ihm seine Frau zu rauben. Das wäre Vergeltung! Der Baron könnte gar nichts dagegen tun. Wir würden sicher straflos ausgehen. Und doch jagen Sie mich von Ihrer Schwelle wie einen räudigen Hund – bei dem ersten Wort, mit dem ich Ihnen den Zustand meines Herzens andeute. Damit haben Sie meine Liebe, meine Beharrlichkeit – wie Sie sagen – verdoppelt. Sie sind mir verfallen!«

      »Wieso?«

      »Das weiß ich nicht, aber es ist so. Sehen Sie, gnädige Frau, ein dummer Kerl wie ich, ein Kaufmann, der kein Geschäft mehr hat, wenn der sich einmal einen Gedanken in den Kopf gesetzt hat, so ist er tausendmal halsstarriger als ein Gelehrter, der tausend Ideen im Gehirn hat. Ich bin in Sie vernarrt. Sie verkörpern meine Rache. Das ist gleichsam eine doppelte Leidenschaft! Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube. Ich weiß, was ich will. Und wenn Sie mir auch sagen, Sie würden nie die Meine, so rede ich doch kaltlächelnd mit Ihnen weiter. Wie das Sprichwort sagt: Ich spiele mit offenen Karten. Und ich sage Ihnen: Eines Tages gehören Sie mir! Und sollte ich warten, bis Sie fünfzig Jahre alt sind: meine Geliebte werden Sie doch! Es muss so kommen! Dafür wird Ihr Gatte sorgen!«

      Die Baronin warf dem Vorausrechner einen Blick zu, dessen grenzenlose Angst ihm halb verrückt vorkam. Crevel lenkte ein.

      »Sie haben es so gewollt! Sie haben mich mit Ihrer Geringschätzigkeit überschüttet. Sie haben mich verachtet. Ich musste reden.«

      Damit wollte er notgedrungen seine letzten zügellosen Worte mildern.

      »Meine arme Tochter, meine arme Tochter!« lispelte die Baronin vor sich hin. Es war ihr, als ob sie sterben sollte.

      »Was geht mich das an!« erwiderte Crevel. »Damals, als mir Josepha untreu wurde, war ich wie eine Löwin, der man ihre Jungen weggenommen hat ... Kurz und gut, mir war zumute wie Ihnen in dieser Stunde. Ihre Tochter! Gerade sie ist mir das Mittel zum Zweck, um Sie zu erringen! Ich bin daran schuld, ich und kein anderer, dass die Heirat Ihrer Tochter nicht zustande gekommen ist, und ohne meine Beihilfe wird sie nie und nimmer zustande kommen! Mag Fräulein Hortense noch so schön sein, eine Mitgift braucht sie!«

      »Leider!« Die Baronin wischte sich die Augen.

      »Na – und bitten Sie Ihren Mann bloß einmal um zehntausend Francs! Versuchen Sie es nur!« meinte Crevel, indem er sich in Positur setzte. Dann schwieg er eine Weile wie ein Schauspieler, der auf sein Stichwort wartet. »Und wenn er die zehntausend hätte, würde er sie der Nachfolgerin von Josepha geben.« Crevel brüllte beinahe. »Er ist unverbesserlich. Er kann die Weiber nicht lassen. Sie sind sein Element sozusagen. Und die liebe Eitelkeit kommt auch noch dazu. Ein netter Familienvater! Wenn er nur sein Vergnügen hat! Ihr könnt alle zusammen auf Stroh liegen. Viel fehlt übrigens nicht, und der Ruin ist da. Solange ich in diesem Hause verkehre, hat sich die Einrichtung Ihres Salons nicht verändert. Die Armut guckt aus allen Ecken und Enden hervor. Den Schwiegersohn können Sie sich malen, der angesichts dieses Elends nicht kehrtmacht. Und das Elend der vornehmen Leute ist das allerschlimmste. Ich bin Kaufmann gewesen. Mir macht keiner was vor. Ein Pariser Kaufmann hat gute Augen. Unsereiner erkennt den Unterschied zwischen echtem und falschem Prunk sofort. Sie haben keinen roten Heller!« Er begann leise zu sprechen. »Das sieht man an allem. Sogar an der Livree Ihres Dieners. Soll ich Ihnen einmal ein paar hässliche Geheimnisse offenbaren?«

      »Herr Crevel!« Frau von Hulot weinte in ihr Taschentuch hinein. »Es ist genug!«

      »Ach was! Mein Schwiegersohn schiebt seinem Vater Geld zu. Das wollte ich Ihnen zunächst von dem Benehmen Ihres Sohnes berichten. Aber ich werde die Interessen meiner Tochter zu wahren wissen. Darauf können Sie sich verlassen!«

      »Ach, ich möchte meine Tochter verheiratet sehen und dann sterben!« rief die Baronin. Sie war todunglücklich.

      »Das liegt ja ganz in Ihrer Hand«, meinte der ehemalige Parfümerienhändler.

      Frau von Hulot sah Crevel mit einem Ausdrucke voll Hoffnung an. Das veränderte ihr Gesicht so plötzlich, dass allein dieser Wandel den Mann da vor ihr hätte rühren und von seinem lächerlichen Vorhaben abbringen müssen.

      »Noch in zehn Jahren werden Sie schön sein!« beteuerte er, indem er sich in seine Attitüde rückte. »Seien Sie lieb zu mir, und Fräulein Hortense ist verheiratet! Ihr Mann hat mich bevollmächtigt, kann ich Ihnen sagen, die Sache ohne Zimperlichkeit ins Lot zu bringen. Er wird sich nicht weiter betrüben. Seit drei Jahren verbrauche ich nicht einmal meine Zinsen mehr. Ich mache keine großen Dummheiten. Abgesehen von meinem eigentlichen Vermögen habe ich dreihunderttausend Francs Ersparnisse ...«

      »Gehen Sie fort, Herr Crevel!« unterbrach ihn die Baronin. »Gehen Sie und lassen Sie sich nie wieder vor mir blicken! Wenn es nicht hätte sein müssen, wenn ich nicht hätte wissen müssen, warum Sie sich in der Angelegenheit von Hortenses Heiratsplan so niederträchtig benommen haben .... Jawohl, niederträchtig!« wiederholte sie auf eine abwehrende Gebärde Crevels. »Wie könnten Sie