»Aber wie?« sagte Birotteau. »Du hast das Feuer der Jugend; aber höre mich zu Ende.«
Anselm stellte sich hin, wie ein Soldat vor einem Marschall von Frankreich präsentiert.
»Popinot, ich habe ein Öl erfunden, das den Haarwuchs befördert, den Haarboden anregt und die Haarfarbe beiden Geschlechtern erhält. Diese Essenz wird keinen geringeren Erfolg haben als meine Paste und mein Hautwasser; aber ich will diese Erfindung nicht selbst ausbeuten, da ich daran denke, mich vom Geschäfte zurückzuziehen. Du, mein Kind, sollst das Comagenöl herausbringen. (Es heißt nach dem lateinischen Wort coma, das Haar bedeutet, wie Herr Albert, der Leibarzt des Königs, sagt. Dieses Wort findet sich auch in dem Trauerspiel Berenice, wo Racine einen König von Comagena auftreten lässt, den Geliebten dieser schönen Königin, die durch ihr schönes Haar so berühmt war, und deren Geliebter, sicher, um ihr zu huldigen, seinem Reiche diesen Namen gegeben hat! Wieviel Geist die großen Genies besitzen! Sie beschäftigen sich mit den kleinsten Details.)« Der kleine Popinot blieb bei dieser albernen Parenthese, die offenbar für ihn, als einen Menschen von Bildung, eingeschoben war, ganz ernst.
»Ich habe mein Auge auf dich geworfen, Anselm, du sollst ein Großhandelshaus der Drogerie in der Rue des Lombards gründen«, sagte Birotteau. »Ich werde dein stiller Gesellschafter sein und dir das nötige Geld vorstrecken. Nach dem Comagenöl werden wir es auch mit Vanillenessenz und mit Pfefferminzgeist versuchen. Kurz, wir wollen gegen die Drogerie losgehen und ihre Fabrikation umgestalten, indem wir die Produkte statt im Naturzustand als konzentrierte in den Handel bringen. Bist du nun zufrieden, du ehrgeiziger Junge?«
Anselm vermochte nicht zu antworten, so erregt war er, aber seine Augen, die voll Tränen waren, antworteten für ihn. Das Anerbieten schien ihm von väterlicher Nachgiebigkeit diktiert zu sein und zu sagen: Verdiene dir Cäsarine, indem du reich und angesehen wirst.
»Herr Birotteau,« erwiderte er endlich, wobei er dessen Erregung für Erstaunen hielt, »auch ich werde Erfolg haben!«
»Genau so war ich,« rief der Parfümhändler aus, »genau so habe ich gesprochen. Wenn du auch meine Tochter nicht erringen solltest, so wirst du jedenfalls ein Vermögen erwerben. Nun, mein Junge, was hast du denn?«
»Lassen Sie mich wenigstens hoffen, dass, wenn ich das eine erwerbe, ich auch die andere erhalten werde.«
»Zu hoffen kann ich dir nicht verbieten«, sagte Birotteau, gerührt von dem Ton, in dem Anselm sprach.
»Also, Herr Birotteau, darf ich schon heute alle Schritte tun, um ein Geschäftslokal zu finden und so schnell als möglich anzufangen?«
»Jawohl, mein Kind. Morgen wollen wir beide uns in der Fabrik einschließen. Bevor du nach der Rue des Lombards gehst, frag doch mal bei Livingston an, ob meine hydraulische Presse morgen in Gang gesetzt werden kann. Heute Abend wollen wir um die Essensstunde zu dem berühmten lieben Herrn Vauquelin gehen und ihn um Rat bitten. Dieser Gelehrte studiert augenblicklich die Zusammensetzung des Haars und untersucht, welches die farbegebende Substanz ist, wo sie herkommt und woraus das Gewebe des Haars besteht. Darauf beruht alles, Popinot. Meine Erfindung wirst du kennen lernen, und es handelt sich nur noch darum, sie klug auszubeuten. Bevor du zu Livingston gehst, musst du dich übrigens noch zu Pieri Bérard begeben. Die Uneigennützigkeit des Herrn Vauquelin ist einer der großen Schmerzen meines Lebens, mein Kind: er will durchaus nichts von mir annehmen. Glücklicherweise habe ich von Chiffreville erfahren, dass er eine heilige Jungfrau der Dresdener Galerie, und zwar den Stich eines gewissen Müller, gern haben möchte, und nach zweijähriger Korrespondenz mit Deutschland hat Bérard endlich ein Exemplar aufgetrieben, ein Avant la lettre auf chinesischem Papier; es kostet fünfzehnhundert Franken, mein Junge. Das soll unser Wohltäter heute in seinem Vorzimmer, wenn er uns hinausbegleitet, vorfinden; überzeuge dich auch, dass es gerahmt ist. Wir, meine Frau und ich, werden auf diese Weise in seiner Erinnerung bleiben; was die Dankbarkeit anlangt, so beten wir seit sechzehn Jahren täglich für ihn zum lieben Gott. Ich selbst, ich werde seiner niemals vergessen; aber diese in die Wissenschaft vergrabenen Gelehrten, Popinot, vergessen alles, ihre Frauen, ihre Freunde und die ihnen zu Dank Verpflichteten. Wir, mit unserer schwachen Intelligenz, wir können wenigstens ein warmes Herz haben. Aber diese Herren von der Akademie, bei denen ist alles Gehirn, du wirst dich davon überzeugen; in der Kirche sind sie niemals zu treffen. Herr Vauquelin ist beständig in seinem Arbeitszimmer oder in seinem Laboratorium, ich hoffe, dass er bei seinen Analysen wenigstens an Gott denkt. Also das ist abgemacht, ich gebe dir das Geld, du bekommst das Rezept meiner Erfindung und ich bin zur Hälfte beteiligt, eines Vertrages bedarf es zwischen uns nicht. Und nun wollen wir auf den Erfolg hoffen! Wir werden unsre Flöten schon stimmen. Also lauf, mein Junge, ich gehe jetzt ins Geschäft. Hör mal, Popinot, ich gebe in drei Wochen einen großen Ball, lass dir einen Frack machen, damit du schon als selbständiger Kaufmann auftreten kannst ...«
Dieser Zug von Güte rührte Popinot derart, dass er die dicke Hand Cäsars ergriff und sie küsste. Der gute Mann hatte den Liebenden durch diese Äußerung glücklich gemacht, und Verliebte sind zu allem fähig.
»Armer Kerl,« sagte Birotteau, als er ihn quer durch den Tuileriengarten wegeilen sah, »wenn ihn Cäsarine vielleicht doch lieb hatte? Aber er hinkt doch und hat rote Haare, und die jungen Mädchen sind doch so empfindlich; nein, ich glaube nicht, dass Cäsarine ... Und dann die Mutter, die sie an einen Notar verheiraten will. Alexander Crottat würde sie zu einer reichen Frau machen, und Reichtum macht alles erträglich, dem Elend aber hält kein Liebesglück stand. Na, ich bin ja entschlossen, meine Tochter selbst über ihre Hand verfügen zu lassen, wenn sie nicht gerade eine unsinnige Sache will.«
Birotteaus Nachbar war ein kleiner Kaufmann, der mit Regenschirmen, Sonnenschirmen und Stöcken handelte; er hieß Cayron, stammte aus dem Languedoc, machte schlechte Geschäfte und hatte sich schon mehrmals von Birotteau helfen lassen. Es war ihm sehr lieb, seinen Laden verkleinern und dem reichen Parfümhändler die beiden Zimmer im ersten Stock abtreten und seinen Mietzins entsprechend verringern zu können.
»Also, lieber Nachbar«, sagte Birotteau in familiärem Tone, als er bei dem Schirmhändler eintrat, »meine Frau ist mit der Vergrößerung unseres Geschäftslokals einverstanden! Wenn Sie wollen, können wir um elf Uhr zu Herrn Molineux gehen.«
»Mein verehrter Herr Birotteau«, erwiderte der Schirmhändler, »ich habe bisher nichts von Ihnen für diese Abtretung beansprucht, aber Sie wissen ja, ein guter Kaufmann muss aus allem Geld schlagen.«
»Oho,« antwortete der Parfümhändler, »ich bin nicht so reich, wie Sie denken. Ich weiß auch noch nicht, ob mein Architekt, den ich erwarte, die Sache für durchführbar halten wird. Bevor wir uns dazu entschließen, hat er mir gesagt, müssen wir uns erst überzeugen, dass die Fußböden das gleiche Niveau haben. Dann muss Herr Molineux zustimmen, dass wir die Mauer durchbrechen; ist es eine Grenzmauer? Endlich muss ich bei mir die Treppe verschieben, damit der Treppenabsatz fortkommt und eine Zimmerflucht hergestellt wird. Das alles wird sehr viel Geld kosten, und ich will mich doch nicht ruinieren.«
»Ach, Herr Birotteau,« sagte der Südfranzose, »ehe Sie ruiniert sind, muss die Sonne mit der Erde Kinder gekriegt haben.«
Birotteau streichelte sein Kinn, hob sich auf die Fußspitzen und ließ sich dann auf die Hacken zurückfallen.
»Übrigens«, begann Cayron wieder, »verlange ich ja nichts anderes, als dass Sie mir diese Papiere hier abnehmen sollen ...«
Und er präsentierte ihm ein kleines Paket, das aus sechzehn Wechseln über zusammen fünftausend