»Ich habe eben das Testament einer hohen Persönlichkeit aufgenommen, die keine acht Tage mehr zu leben hat,« sagte er mit dem unbefangensten Tone der Welt; »aber man hat mich wie einen Dorfarzt behandelt; holen ließen sie mich im Wagen und jetzt muss ich zu Fuß heimkehren.« Diese Worte zerstreuten die leichte Wolke von Misstrauen, die die Stirn des Parfümhändlers verdunkelt und die Roguin bemerkt hatte; der Notar hütete sich auch, zuerst von der Terrainangelegenheit zu reden, bis er seinem Opfer den entscheidenden Schlag versetzen konnte.
»Nach Testamenten und Heiratskontrakten«, sagte Birotteau, »muss auch das gewöhnliche Leben wieder in seine Rechte treten. Das bringt mich auf die Frage: wann machen wir Hochzeit mit der Madeleine; he, Papa Roguin?« fügte er hinzu und klopfte ihn auf den Bauch.
Die schamhaftesten Bourgeois haben, wenn sie ohne Frauen zusammen sind, das Bestreben, als Spaßvögel zu erscheinen.
»Wenn das nicht heute geschieht,« erwiderte der Notar mit diplomatischem Gesichtsausdruck, »dann wird es niemals werden. Wir fürchten, dass die Sache ruchbar wird, und ich werde schon von zwei meiner reichsten Klienten lebhaft bedrängt, die sich auf diese Spekulation einlassen wollen. Es muss also jetzt ja oder nein heißen. Gleich nach zwölf Uhr nehme ich den Akt auf, Sie haben nur bis ein Uhr Zeit, sich zu beteiligen. Adieu. Ich bin gerade im Begriff, den Entwurf durchzusehen, den Xandrot mir diese Nacht hat ausarbeiten müssen.«
»Nun, dann also abgemacht, Sie haben mein Wort«, sagte Birotteau, der hinter dem Notar hergelaufen war und ihm seinen Handschlag gegeben hatte. »Nehmen Sie die hunderttausend Franken, die für die Mitgift meiner Tochter bestimmt waren.« »Schön«, sagte Roguin und entfernte sich.
Während der kurzen Zeit, die Birotteau brauchte, um zu dem kleinen Popinot zurückzukommen, empfand er ein heftiges Brennen in den Eingeweiden, sein Zwerchfell zog sich zusammen und er hatte Klingen in den Ohren.
»Was ist Ihnen denn, Herr Birotteau?« fragte der Kommis, als er das bleiche Gesicht seines Prinzipals sah.
»Ach, mein Junge, ich habe eben mit einem einzigen Worte ein großes Geschäft abgeschlossen, und in solchem Falle ist niemand Herr über seine Erregung. Im übrigen bist du ja kein Fremder für mich. Deshalb bin ich auch mit dir hierher gegangen, wo uns niemand hören kann, um ungeniert mit dir reden zu können. Deine Tante befindet sich in Verlegenheit, wobei hat sie denn ihr ganzes Geld verloren? Erkläre mir das.«
»Der Onkel und die Tante hatten ihre Effekten bei Herrn von Nucingen, und sie waren genötigt, in Zahlung Aktien der Wortschiner Minen zu nehmen, die noch keine Dividende geben; es ist schwierig, in ihrem Alter von Zukunftshoffnungen zu leben.«
»Aber wovon leben sie denn?«
»Sie waren so freundlich, mein Gehalt von mir anzunehmen.«
»Schön, schön, Anselm,« sagte der Parfümhändler, in dessen Auge eine Träne erglänzte, »du bist meiner Zuneigung wert. Deshalb sollst du auch für deinen Eifer in meinem Geschäfte reich belohnt werden.«
Bei diesen Worten wuchs der Kaufmann ebensosehr in seinen eigenen wie in Popinots Augen; er sprach sie mit jener naiven Emphase des Bourgeois aus, die die komische Wichtigkeit, die er darauf legte, zum Ausdruck brachte.
»Wie? Haben Sie wirklich meine Liebe geahnt, meine Liebe zu ...«
»Zu wem?«
»Zu Fräulein Cäsarine.«
»Donnerwetter, mein Junge, du bist nicht blöde«, rief Birotteau aus. »Aber behalte die Sache als dein Geheimnis; ich verspreche dir, dass ich sie vergessen will; morgen sollst du von mir fortgehen. Aber ich bin dir nicht böse; an deiner Stelle hätte ich, weiß der Teufel, genau so gehandelt. Sie ist ja so schön!«
»Ach, lieber Herr Birotteau!« sagte der Kommis und fühlte, wie sein Hemd vom Schweiß der Aufregung feucht wurde.
»Höre, mein Junge, das ist keine Sache von heute auf morgen. Cäsarine ist Herrin über sich, und ihre Mutter hat ihre Absichten mit ihr. Also ermanne dich, trockne deine Augen, halte dein Herz im Zaume und reden wir nicht mehr davon. Nicht, dass ich mich deiner als Schwiegersohn schämen würde; du bist der Neffe des Herrn Popinot, Richter am Tribunal erster Instanz, du bist Ragons Neffe, du hast das Recht, vorwärts zu kommen wie jeder andere, aber es gibt da verschiedene Wenns und Abers! Aber was für eine Teufelsgeschichte hast du mir da mitten in eine geschäftliche Besprechung hineingeworfen! Jetzt setz dich mal hier auf diesen Stuhl und lass den Verliebten dem Kommis Platz machen. Popinot, bist du ein Mann?« sagte er und sah seinen Kommis scharf an. »Hast du den Mut, mit etwas zu kämpfen, was stärker ist als du, und dich mit deinem Gegner Auge in Auge zu schlagen?«
»Jawohl, Herr Birotteau.«
»Einen langwierigen und gefährlichen Kampf durchzuführen?«
»Worum handelt es sich?«
»Das Makassaröl zu vernichten!« sagte Birotteau und richtete sich auf wie ein Held Plutarchs. »Aber täuschen wir uns nicht darüber, der Feind ist stark, wohl verschanzt, furchtbar. Das Makassaröl hat sich glänzend eingeführt. Die Aufmachung ist sehr geschickt; die viereckigen Flaschen haben eine originelle Form. Bei meinem Projekt habe ich an dreieckige gedacht; aber nach reiflichem Überlegen würde ich kleine Flaschen aus dünnem Glase, die mit Rohr umflochten sind, vorziehen; sie würden ein geheimnisvolles Aussehen haben und die Kundschaft liebt das, was sie neugierig macht.«
»Das wird aber teuer werden«, sagte Popinot. »Man müsste alles so billig wie möglich einrichten, damit man den Detaillisten einen hohen Rabatt bewilligen kann.«
»Richtig,