»O nein«, seufzte Mandy Saxon auf und bekam es prompt wieder mit der Angst zu tun.
»Nur keine Angst, Kindchen«, beruhigte Mylady die Sex-Reporterin, »so hilflos sind wir gar nicht.«
Während sie noch sprach, beobachtete sie weiter den Wäschereiwagen, aus dem zwei Männer stiegen.
»Das sind sie«, behauptete Agatha Simpson erfreut und animiert. »Das sind die beiden Lümmel aus dem Ford …«
»Ich bin nicht sicher, Mylady«, versuchte Kathy Porter die Unternehmungslust iher Herrin zu dämpfen.
»Vorsicht ist besser als Nachsicht«, zitierte die kriegerische ältere Dame und hielt bereits Parkers Gabel-schleuder schußbereit in der Hand.
Die beiden jungen Männer waren um den Wäschereiwagen herumgegangen und öffneten die hintere La-dentür. Sie zogen einen großen Plastik-Wäschekorb hervor und überquerten damit die Straße.
Das war für Mylady bereits Beweis genug.
Sie verschoß die erste Tonmurmel.
Der links gehende Wäschereifahrer ließ vor Überraschung und Schreck den Korb los, als die Tonmurmel auf seiner Wange landete. Er faßte automatisch nach der schmerzenden Stelle und sah sich dann verblüfft um.
Der zweite Mann rief ihm irgend etwas zu, was man aber oben im Zimmer nicht verstand.
Daraufhin griff der Getroffene wieder zögernd nach dem Korb.
Die zweite Tonmurmel landete auf der Stirn des anderen jungen Mannes.
Jetzt ließ er den Korb los und massierte sich die schmerzende Stelle.
Die beiden Männer machten einen unentschlossenen Eindruck. Sie konnten sich die Herkunft dieser Ge-schosse nicht erklären.
Sie redeten kurz miteinander, stimmten sich gegenseitig ab und riskierten es dann, ihren Weg fortzusetzen.
»Ich glaube nicht, Mylady, daß es die beiden Männer aus dem Ford sind«, warnte Kathy Porter eindring-lich.
»Papperlapapp«, entschied Agatha Simpson. »Sollte ich mich geirrt haben, werde ich mich entschuldigen.«
Mylady war nicht zu stoppen.
Sie legte eine Stahlkugel in die Lederschlaufe und ließ sie rasant über die Straße zischen.
Die beiden Männer blieben wie angewurzelt stehen, als hinter ihnen die Seitenscheibe auf der Fahrerseite auseinanderplatzte und sich in tausend Splitter auflöste.
Sie verstanden die Welt überhaupt nicht mehr.
Sie ließen den Wäschekorb mitten auf der Straße stehen, rannten im Schweinsgalopp zurück zu ihrem Lie-ferwagen, prüften den kleinen Sachschaden, schauten sich wieder nach allen Seiten um und warfen sich ins Fahrerhaus.
Sie preschten derart vehement los, daß sie den Wäschekorb völlig vergaßen.
*
Paul Hamlin richtete sich steil in seinem Spitalbett auf, als Josuah Parker im Zimmer erschien.
»Sie …« fragte Hamlin gedehnt.
»Ich wünsche Ihnen bereits im vorhinein gute Genesung«, sagte Parker und lüftete höflich seine schwarze Melone. »Darf ich unterstellen, daß der Service zufriedenstellend ist?«
»Was wollen Sie von mir?«
»Mich nach Ihrem werten Befinden erkundigen, Mr. Hamlin, und auch ein wenig plaudern … Sie sind mit dem Einzelzimmer zufrieden? Machen Sie sich wegen der Bezahlung keine Sorgen, das wird Mylady über-nehmen, wie ich Ihnen versichern darf.«
»Warum so großzügig?« wollte Hamlin wissen. Er sah den Butler aus mißtrauisch zusammengekniffenen Augen an.
»Aus reiner Menschenfreundlichkeit, weil ich den Mord an Ihnen verhindern möchte.«
»Mord!?«
»Sie leben gefährlich«, stellte der Butler fest. »Mit Ihren Methoden haben Sie bereits zu viele Menschen gegen sich aufgebracht. Womit übrigens zu rechnen war.«
»Mir kann man überhaupt nichts nachweisen. Ich habe niemals erpreßt.«
»Lassen wir dieses Thema, Mister Hamlin. Hauptsache, Mister Buckhurst verliert jedes Interesse an Ihnen.«
»Sie verfügen über Informationen, die für ihn sehr gewinnträchtig sein könnten. Ich meine die Liste der Personen, die Sie angerufen oder angeschrieben haben.«
»Die Saxon existiert für mich nicht mehr.«
»Wie erfreulich für Miß Saxon«, sagte Parker gemessen. »Sie wird das sicher zu schätzen wissen. Miß Sa-xon wird ihren Report übrigens doch nicht schreiben, wie sie Lady Simpson versicherte.«
»Dann ist ja alles in Ordnung.«
»Falls Sie nicht Ihr Gedächtnis bemühen«, meinte der Butler eindringlich. »Hoffentlich kommen Sie nicht auf den Gedanken, auf eigene Faust Geschäfte machen zu wollen.«
»Ich bin doch kein Schuft«, behauptete Hamlin.
»Sie sollten kein Selbstmörder sein«, präzisierte der Butler. »Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen, Mister Hamlin. Sie kurieren sich hier auf Myladys Kosten erst mal richtig aus. Und dann sollten Sie sich ei-nen anderen Beruf suchen.«
»Ist man tatsächlich hinter mir her?« fragte Hamlin nervös.
»Mit Sicherheit, falls man annehmen muß, daß Sie über wertvolle Informationen verfügen. Man würde sie aus Ihnen herauspressen. Kostproben wurden Ihnen ja schon verabreicht.«
Hamlin ließ sich Parkers Worte durch den Kopf gehen. Dazu brauchte er knapp eine Minute. Dann sah er hoch.
»In Ordnung, ich habe verstanden«, meinte er seufzend. »Ich vergesse die ganze Geschichte. Aber wer ga-rantiert mir, daß Buckhurst oder ein anderer nicht hinter mir her sein wird?«
»Dafür würde ich die Bürgschaft übernehmen«, antwortete der Butler. »Dennoch empfiehlt es sich, die Stadt nach der Genesung zu verlassen.«
»Ich glaube, ich wollte immer schon rüber nach Irland«, sagte Hamlin.
»Ein guter und weiser Entschluß«, lobte Parker zurückhaltend. »Sollte mir zugetragen werden, daß Sie al-lerdings wieder Geschäfte tätigen wollen, dann wäre ich unter Umständen sehr mißvergnügt.«
»Und wer ersetzt mir den Verdienstausfall?« Hamlin sah den Butler erwartungsvoll an.
»Jedes Geschäft birgt ein gewisses Risiko in sich«, entschied Josuah Parker. »Dieser Pfeil war ein Teil die-ses Risikos. Erfreuen Sie sich der Großzügigkeit Myladys, die Ihre Hospitalkosten voll übernimmt.«
»Hätte ich mich doch nie mit der Saxon eingelassen«, seufzte Hamlin.
»Miß Saxon ist ähnlicher Meinung«, sagte Parker. »Womit ich mich verabschieden darf. Ich hoffe, nie wieder etwas von Ihnen zu hören.«
Hamlin sah dem hinausgehenden Butler nach und wußte mit letzter Sicherheit, daß er dieses Spiel verloren hatte. Es hatte wirklich keinen Sinn, das geplante Geschäft mit dem Sex-Report neu zu beginnen. Es würde ja doch immer nur einen Verlierer geben.
*
»Ein Polizeistreifenwagen, Mylady«, meldete Kathy Porter vom Fenster her.
»Eine neue Variante«, freute sich Agatha Simpson und eilte prompt ans Erkerfenster. Sie sah auf die Stra-ße hinunter und nickte zufrieden. »Diese Buckhurst-Gangster lassen sich wenigstens etwas einfallen.«
»Gangster, Mylady!?« Kathy Porter war sich da nicht ganz sicher.
»Natürlich sind es Gangster«, behauptete Lady Agatha. »Uniformen bekommt man in jedem Kostümver-leih. Und ein Streifenwagen