Ich mache Zwonimir auf die Uhren aufmerksam und daß sie verschiedene Stunden zeigen.
Zwonimir sagt, das wäre unangenehm. Abwechslung muß aber sein. Ich zeige ihm den siebenten Stock und den Dunst der Waschküche und erzähle ihm von Santschin und dem Esel am Grab. Diese Geschichte gefällt ihm am besten, Santschin tut ihm gar nicht leid, über den Esel lacht er, des Nachts, während er sich auskleidet.
Ich mache ihn auch mit Abel Glanz bekannt und mit Hirsch Fisch.
Zwonimir kaufte bei Fisch drei Lose und wollte noch mehr kaufen und versprach Fisch ein Drittel vom Gewinst. Wir gingen mit Abel Glanz in das Judengäßchen, Abel machte gute Geschäfte, fragte, ob wir deutsche Mark hätten. Zwonimir hatte deutsche Mark. »Zu zwölf ein viertel«, sagte Abel. »Wer kauft?« fragte Zwonimir mit überraschender Kennerschaft. »Kanner!« sagte Glanz.
»Führen Sie den Kanner her!« sagt Zwonimir.
»Was fällt Ihnen ein? Kanner wird zu Ihnen kommen?!« schreit Glanz erschrocken.
»Dann geb’ ich die Mark nicht!« sagt Zwonimir.
Glanz will verdienen und rennt zu Kanner.
Wir warten. Er kommt nach einer halben Stunde und bestellt uns in die Bar für den Abend.
Am Abend kamen wir in die Bar, Zwonimir in einer russischen Militärbluse, mit genagelten Stiefeln.
Zwonimir kniff Frau Jetti Kupfer in den Oberarm, sie ließ einen schrillen Juchzer los, so einen Gast hatte sie schon lange nicht gehabt. Zwonimir ließ Schnäpse mischen, gab Ignatz einen Klaps auf die Schulter, daß der alte Liftknabe zusammensank, in die Knie brach. Zwonimir lachte über die Mädchen, fragte laut nach den Namen der Gäste, rief den Fabrikanten Neuner beim Namen ohne den Titel »Herr« und fragte Glanz:
»Wo steckt denn der verdammte Kanner?«
Die Herren verzogen die Gesichter, sie blieben ruhig, und Neuner rührte sich nicht und ließ sich jede Anrede gefallen, obwohl er Einjähriger bei der preußischen Garde gewesen war und Schmisse hatte.
Anselm Schwadron und Siegmund Fink unterhielten sich leise, und als Kanner verspätet eintraf, wurde er nicht mit jenem Hallo begrüßt, das er erwartet und verdient hatte. Er sah sich um, entdeckte Zwonimir; da ihm Glanz winkte, trat er auf uns zu und fragte majestätisch: »Herr Pansin?«
»Zu Befehl, Mister Kanner!« schrie Zwonimir mit dröhnender Stimme, daß Kanner einen halben Schritt zurücktrat. »Zwölf dreiviertel!« schrie Zwonimir wieder.
»Nicht so laut!« flüsterte Glanz.
Aber Zwonimir zog, während alle nach unserem Tisch sahen, sein Geld aus der Brieftasche – auch dänische Kronen hatte er – weiß Gott woher.
Kanner steckte das Geld ein und rechnete nach, um nur fertig zu werden, und zahlte zwölf dreiviertel.
»Meine Provision?« sagte Glanz.
»In Schnaps!« sagte Zwonimir und ließ fünf Schnäpse für Glanz bringen. Abel Glanz trank, aus Furcht, bis er besoffen war.
Es war ein lustiger Abend. Den Stammgästen hatte Zwonimir die Laune verdorben. Ignatz war böse. Seine biergelben Augen funkelten. Zwonimir aber tat, als wäre Ignatz sein bester Freund, rief ihn beim Namen – »liebster Ignatz!« sagte Zwonimir, und Ignatz kam auf leisen Sohlen, ein alter Kater.
Der Fabrikant Neuner fand keine Lust an Tonka, die nackten Mädchen kamen zutraulich an unsern Tisch und pickten Zwonimir aus der Hand. Er fütterte sie mit Gebäck, zerbröckeltem Kuchen und ließ sie an verschiedenen Schnapsgläsern nippen.
In ihrer weißen Nacktheit standen sie da wie junge Schwäne.
Spät kam Alexanderl Böhlaug. Er war niedergeschlagen und aufgeräumt zugleich, er wollte irgendeinen Kummer übertönen, und Zwonimir half ihm.
Zwonimir hatte viel getrunken, dennoch war er nüchtern und spöttisch und höhnte Alexanderl, daß es eine Lust war.
»Sie haben spitze Stiefel!« sagte Zwonimir, »lassen Sie sehen, ob sie scharf sind. Wo lassen Sie Ihre Stiefel schleifen? Die neueste Kriegswaffe. Sturmangriff mit französischen Stiefelspitzen! – Ihre Krawatte ist schöner als meiner Großmutter Kopftuch, so wahr ich der Sohn Nikitas bin, so war ich Zwonimir heiße und niemals mit Ihrer Braut geschlafen habe.«
Alexanderl tat, als hörte er nicht. Gram zehrte an ihm. Er war traurig.
»Ich möchte diesen Vetter nicht an deiner Stelle!« sagte Zwonimir.
»Man sucht sich seine Vettern nicht aus«, sagte ich.
»Nichts für ungut, Alexanderl!« schrie Zwonimir und stand auf. Er war groß, wie eine Mauer stand er in der kleinen, dunkelroten Bar.
Am nächsten Morgen erwacht Zwonimir früh und weckt mich. Er ist angekleidet. Er wirft meine Decke auf den Fußboden und zwingt mich, aufzustehen und mit ihm spazierenzugehn. Die Lerchen trillern wunderbar.
XVI
An diesem Tage wurde Kaleguropulos erwartet. Zwonimir warf die Stühle um, brachte Unordnung in unser Zimmer. Er beschloß, Kaleguropulos aufzulauern, er wollte ihn im Zimmer erwarten. Ich erwartete Kaleguropulos unten, im Fünf-Uhr-Saal, und Zwonimir blieb oben.
Ich sah diesmal keine Aufregung. Alle hatten das Hotel verlassen, die drei höchsten Stockwerke standen leer, man konnte elende Häuslichkeiten sehen.
Unten war es still. Ignatz fuhr hinauf und hinunter. Nach einer Stunde kam Zwonimir und erzählte, daß der Direktor über den Korridor gegangen sei, Zwonimir war an der Tür gestanden, der Direktor hatte gegrüßt, aber nirgends war ein Kaleguropulos zu sehn gewesen.
Zwonimir vergaß diese Dinge leicht, mich aber ließ das Geheimnis des Kaleguropulos nicht ruhen.
Zwonimir macht selbständige Ausflüge im Hotel, er geht in leere Zimmer, läßt Zettel mit Grüßen zurück und kennt alle Menschen nach drei Tagen.
Er kennt Taddeus Montag, den Karikaturisten, der Schilder malt und nicht viel Arbeit bekommt, weil er die bestellten Arbeiten verpatzt.
Er kennt den Buchhalter Katz, den Schauspieler Nawarski, die nackten Mädchen, zwei Schwestern Mongol, Helene und Irene Mongol, zwei ältliche Jungfern. Zwonimir begrüßt alle laut und herzlich.
Auch Stasia kennt er und berichtet mir:
»Die Kanaille ist in dich verliebt!«
Ich bin verlegen, es ist ja nicht böse gemeint, aber der Ausdruck ärgert mich.
Ich sage: »Stasia ist ein gutes Mädchen.«
Zwonimir glaubt nicht an gute Mädchen und sagt, er würde schon mit Stasia schlafen, um mir zu beweisen, wie schlecht sie sei.
Zwonimir ist schon in den Kellern des Hotels gewesen, im Souterrain, wo sich die Küche befindet. Er kennt den Koch, einen Schweizer, der nur Meyer heißt, aber gute Mehlspeisen macht. Zwonimir erhält Gratisproben.
Zwonimir schlägt Ignatz. Es sind freundliche Schläge, und Ignatz kann nichts dagegen tun. Ich beobachte Ignatz, wie er zusammenzuckt, wenn sich ihm Zwonimir nähert. Es ist eine Reflexbewegung, keine Angst. Zwonimir ist der größte und stärkste Mann im Hotel Savoy, er kann Ignatz bequem unter den Arm nehmen. Er scheint furchtbar und gewalttätig, er poltert gern, und in seiner Nähe ist alles still und scheu. Dem alten Militärarzt ist Zwonimir sympathisch. Der Doktor zahlt ihm gerne ein paar Schnäpse am Nachmittag.
»Solche Doktoren wie Sie kenne ich vom Militär«, sagt Zwonimir. »Sie können Lebendige totmachen, dafür bekommen Sie eine hohe Gage. Sie können die Menschen vom Boden wegamputieren.