Автор: | E. T. A. Hoffmann |
Издательство: | Bookwire |
Серия: | |
Жанр произведения: | Языкознание |
Год издания: | 0 |
isbn: | 9788027209156 |
widerstehen vermag!” Es war klar, daß die Äbtissin mich – mich allein den Teufel der Versuchung nannte, daß sie meine Ankunft mit der Einkleidung Aureliens in Bezug, daß sie vielleicht in mir die Absicht irgendeiner Greueltat voraussetzte. Das Gefühl der Wahrheit meiner Reue, meiner Buße, der Überzeugung, daß mein Sinn geändert worden, richtete mich empor. Die Äbtissin würdigte mich nicht eines Blickes; tief im Innersten gekränkt, regte sich in mir jener bittere, verhöhnende Haß, wie ich ihn sonst in der Residenz bei dem Anblick der Fürstin gefühlt, und statt daß ich, ehe die Äbtissin jene Worte sprach, mich hätte vor ihr niederwerfen mögen in den Staub, wollte ich keck und kühn vor sie hintreten und sprechen: “Warst du denn immer solch ein überirdisches Weib, daß die Lust der Erde dir nicht aufging? … Als du meinen Vater sahst, verwahrtest du denn immer dich so, daß der Gedanke der Sünde nicht Raum fand? … Ei, sage doch, ob selbst dann, als schon die Inful und der Stab dich schmückten, in unbewachten Augenblicken meines Vaters Bild nicht Sehnsucht nach irdischer Lust in dir aufregte? … Was empfandest du denn, Stolze! als du den Sohn des Geliebten an dein Herz drücktest und den Namen des Verlorenen, war er gleich ein freveliger Sünder, so schmerzvoll riefst? – Hast du jemals gekämpft mit der dunklen Macht wie ich? – Kannst du dich eines wahren Sieges erfreuen, wenn kein harter Kampf vorherging? – Fühlst du dich selbst so stark, daß du den verachtest, der dem mächtigsten Feinde erlag und sich dennoch erhob in tiefer Reue und Buße?” – Die plötzliche Änderung meiner Gedanken, die Umwandlung des Büßenden in den, der stolz auf den bestandenen Kampf fest einschreitet in das wiedergewonnene Leben, muß selbst im Äußern sichtlich gewesen sein. Denn der neben mir stehende Bruder frug: “Was ist dir, Medardus, warum wirfst du solche sonderbare zürnende Blicke auf die hochheilige Frau?” – “Ja”, erwiderte ich halblaut, “wohl mag es eine hochheilige Frau sein, denn sie stand immer so hoch, daß das Profane sie nicht erreichen konnte, doch kommt sie mir jetzt nicht sowohl wie eine christliche, sondern wie eine heidnische Priesterin vor, die sich bereitet, mit gezücktem Messer das Menschenopfer zu vollbringen.” Ich weiß selbst nicht, wie ich dazu kam, die letzten Worte, die außer meiner Ideenreihe lagen, zu sprechen, aber mit ihnen drängten sich im bunten Gewirr Bilder durcheinander, die nur im Entsetzlichsten sich zu einen schienen. – Aurelie sollte auf immer die Welt verlassen, sie sollte, wie ich, durch ein Gelübde, das mir jetzt nur die Ausgeburt des religiösen Wahnsinns schien, dem Irdischen entsagen? – So wie ehemals, als ich, dem Satan verkauft, in Sünde und Frevel den höchsten, strahlendsten Lichtpunkt des Lebens zu schauen wähnte, dachte ich jetzt daran, daß beide, ich und Aurelie, im Leben, sei es auch nur durch den einzigen Moment des höchsten irdischen Genusses, vereint und dann als der unterirdischen Macht Geweihte sterben müßten. – Ja, wie ein gräßlicher Unhold, wie der Satan selbst ging der Gedanke des Mordes mir durch die Seele! – Ach, ich Verblendeter gewahrte nicht, daß in dem Moment, als ich der Äbtissin Worte auf mich deutete, ich preisgegeben war der vielleicht härtesten Prüfung, daß der Satan Macht bekommen über mich und mich verlocken wollte zu dem Entsetzlichsten, das ich noch begangen! Der Bruder, zu dem ich gesprochen, sah mich erschrocken an: “Um Jesus und der heiligen Jungfrau willen, was sagt Ihr da!” so sprach er; ich schaute nach der Äbtissin, die im Begriff stand, den Saal zu verlassen, ihr Blick fiel auf mich, totenbleich starrte sie mich an, sie wankte, die Nonnen mußten sie unterstützen. Es war mir, als lisple sie die Worte: “O all ihr Heiligen, meine Ahnung.” Bald darauf wurde der Prior Leonardus zu ihr gerufen. Schon läuteten aufs neue alle Glocken des Klosters, und dazwischen tönten die donnernden Töne der Orgel, die Weihgesänge der im Chor versammelten Schwestern durch die Lüfte, als der Prior wieder in den Saal trat. Nun begaben sich die Brüder der verschiedenen Orden in feierlichem Zuge nach der Kirche, die von Menschen beinahe so überfüllt war, als sonst am Tage des heiligen Bernardus. An einer Seite des mit duftenden Rosen geschmückten Hochaltars waren erhöhte Sitze für die Geistlichkeit angebracht, der Tribüne gegenüber, auf welcher die Kapelle des Bischofs die Musik des Amts, welches er selbst hielt, ausführte. Leonardus rief mich an seine Seite, und ich bemerkte, daß er ängstlich auf mich wachte; die kleinste Bewegung erregte seine Aufmerksamkeit; er hielt mich an, fortwährend aus meinem Brevier zu beten. Die Klaren-Nonnen versammelten sich in dem mit einem niedrigen Gitter eingeschlossenen Platz dicht vor dem Hochaltar, der entscheidende Augenblick kam; aus dem Innern des Klosters, durch die Gittertüre hinter dem Altar führten die Zisterzienser-Nonnen Aurelien herbei. – Ein Geflüster rauschte durch die Menge, als sie sichtbar worden, die Orgel schwieg, und der einfache Hymnus der Nonnen erklang in wunderbaren, tief ins Innerste dringenden Akkorden. Noch hatte ich keinen Blick aufgeschlagen; von einer furchtbaren Angst ergriffen, zuckte ich krampfhaft zusammen, so daß mein Brevier zur Erde fiel. Ich bückte mich darnach, es aufzuheben, aber ein plötzlicher Schwindel hätte mich von dem hohen Sitz herabgestürzt, wenn Leonardus mich nicht faßte und festhielt. “Was ist dir, Medardus”, sprach der Prior leise, “du befindest dich in seltsamer Bewegung, widerstehe dem bösen Feinde, der dich treibt.” Ich faßte mich mit aller Gewalt zusammen, ich schaute auf und erblickte Aurelien, vor dem Hochaltar kniend. O Herr des Himmels, in hoher Schönheit und Anmut strahlte sie mehr als je! Sie war bräutlich – ach! ebenso wie an jenem verhängnisvollen Tage, da sie mein werden sollte, gekleidet. Blühende Myrten und Rosen im künstlich geflochtenen Haar. Die Andacht, das Feierliche des Moments hatte ihre Wangen höher gefärbt, und in dem zum Himmel gerichteten Blick lag der volle Ausdruck himmlischer Lust. Was waren jene Augenblicke, als ich Aurelien zum erstenmal, als ich sie am Hofe des Fürsten sah, gegen dieses Wiedersehen. Rasender als jemals flammte in mir die Glut der Liebe – der wilden Begier auf – “O Gott – o, all ihr Heiligen! laßt mich nicht wahnsinnig werden, nur nicht wahnsinnig – rettet mich, rettet mich von dieser Pein der Hölle – Nur nicht wahnsinnig laßt mich werden – denn das Entsetzliche muß ich sonst tun und meine Seele preisgeben der ewigen Verdammnis!” – So betete ich im Innern, denn ich fühlte, wie immer mehr und mehr der böse Geist über mich Herr werden wollte. – Es war mir, als habe Aurelie teil an dem Frevel, den ich nur beging, als sei das Gelübde, das sie zu leisten gedachte, in ihren Gedanken nur der feierliche Schwur, vor dem Altar des Herrn mein zu sein. – Nicht die Christusbraut, des Mönchs, der sein Gelübde brach, verbrecherisches Weib sah ich in ihr. –Sie mit aller Inbrunst der wütenden Begier umarmen und dann ihr den Tod geben – der Gedanke erfaßte mich unwiderstehlich. Der böse Geist trieb mich wilder und wilder – schon wollte ich schreien: “Haltet ein, verblendete Toren! nicht die von irdischem Triebe reine Jungfrau, die Braut des Mönchs wollt ihr erheben zur Himmelsbraut!” – mich hinabstürzen unter die Nonnen, sie herausreißen – ich faßte in die Kutte, ich suchte nach dem Messer, da war die Zeremonie so weit gediehen, daß Aurelie anfing, das Gelübde zu sprechen. – Als ich ihre Stimme hörte, war es, als bräche milder Mondesglanz durch die schwarzen, von wildem Sturm gejagten Wetterwolken. Licht wurde es in mir, und ich erkannte den bösen Geist, dem ich mit aller Gewalt widerstand. – Jedes Wort Aureliens gab mir neue Kraft, und im heißen Kampf wurde ich bald Sieger. Entflohen war jeder schwarze Gedanke des Frevels, jede Regung der irdischen Begier. – Aurelie war die fromme Himmelsbraut, deren Gebet mich retten konnte von ewiger Schmach und Verderbnis. – Ihr Gelübde war mein Trost, meine Hoffnung, und hell ging in mir die Heiterkeit des Himmels auf. Leonardus, den ich nun erst wieder bemerkte, schien die Änderung in meinem Innern wahrzunehmen, denn mit sanfter Stimme sprach er: “Du hast dem Feinde widerstanden, mein Sohn! Das war wohl die letzte schwere Prüfung, die dir die ewige Macht auferlegt!” Das Gelübde war gesprochen; während eines Wechselgesanges, den die Klaren-Schwestern anstimmten, wollte man Aurelien das Nonnengewand anlegen. Schon hatte man die Myrten und Rosen aus dem Haar geflochten, schon stand man im Begriff, die herabwallenden Locken abzuschneiden, als ein Getümmel in der Kirche entstand – ich sah, wie die Menschen auseinandergedrängt und zu Boden geworfen wurden; – näher und näher wirbelte der Tumult. – Mit rasender Gebärde – mit wildem, entsetzlichen Blick drängte sich ein halbnackter Mensch (die Lumpen eines Kapuzinerrocks hingen ihm um den Leib), alles um sich her mit geballten Fäusten niederstoßend, durch die Menge. – Ich erkannte meinen gräßlichen Doppeltgänger, aber in demselben Moment, als ich, Entsetzliches ahnend, hinabspringen und mich ihm entgegenwerfen wollte, hatte der wahnsinnige Unhold die Galerie, die den Platz des Hochaltars einschloß, übersprungen. Die Nonnen stäubten schreiend auseinander; die Äbtissin hatte Aurelien fest in ihre Arme eingeschlossen. – “Ha ha ha! –” kreischte der Rasende mit gellender Stimme, “wollt ihr mir die Prinzessin rauben? – Ha ha ha! – Die Prinzessin