Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: E. T. A. Hoffmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027209156
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Herr darzustellen mit großem Barte und brauner Kutte. Aber als ich so recht mit mir zu Rate ging, war es, als träten die heimlichsten Gedanken aus meinem Innern heraus und verpuppten sich zu einem körperlichen Wesen, das recht graulich doch mein Ich war. Dies zweite Ich hatte grimmige Kraft und schleuderte mich, als aus dem schwarzen Gestein des tiefen Abgrundes, zwischen sprudelndem, schaumigen Gewässer, die Prinzessin schneeweiß hervortrat, hinab. Die Prinzessin fing mich auf in ihren Armen und wusch meine Wunden aus, daß ich bald keinen Schmerz mehr fühlte. Mönch war ich nun freilich geworden, aber das Ich meiner Gedanken war stärker und trieb mich, daß ich die Prinzessin, die mich errettet und die ich sehr liebte, samt ihrem Bruder ermorden mußte. Man warf mich in den Kerker, aber Ihr wißt selbst, heiliger Antonius, auf welche Weise Ihr, nachdem ich Euern verfluchten Trank gesoffen, mich entführtet durch die Lüfte. Der grüne Waldkönig nahm mich schlecht auf, unerachtet er doch meine Fürstlichkeit kannte; das Ich meiner Gedanken erschien bei ihm und rückte mir allerlei Häßliches vor und wollte; weil wir doch alles zusammen getan, in Gemeinschaft mit mir bleiben. Das geschah auch, aber bald, als wir davonliefen, weil man uns den Kopf abschlagen wollte, haben wir uns doch entzweit. Als das lächerliche Ich indessen immer und ewig genährt sein wollte von meinem Gedanken, schmiß ich es nieder, prügelte es derb ab und nahm ihm seinen Rock.< – So weit waren die Reden des Unglücklichen einigermaßen verständlich, dann verlor er sich in das unsinnige alberne Gewäsch des höchsten Wahnsinns. Eine Stunde später, als das Frühamt eingeläutet wurde, fuhr er mit einem durchdringenden entsetzlichen Schrei auf und sank, wie es uns schien, tot nieder. Ich ließ ihn nach der Totenkammer bringen, er sollte in unserm Garten an geweihter Stätte begraben werden, du kannst dir aber wohl unser Erstaunen, unsern Schreck denken, als die Leiche, da wir sie hinaustragen und einsargen wollten, spurlos verschwunden war. Alles Nachforschen blieb vergebens, und ich mußte darauf verzichten, jemals Näheres, Verständlicheres über den rätselhaften Zusammenhang der Begebenheiten, in die du mit dem Grafen verwickelt wurdest, zu erfahren. Indessen hielt ich alle mir über die Vorfälle im Schloß bekannt gewordenen Umstände mit jenen verworrenen, durch Wahnsinn entstellten Reden zusammen, so konnte ich kaum daran zweifeln, daß der Verstorbene wirklich Graf Viktorin war. Er hatte, wie der Reitknecht andeutete, irgendeinen pilgernden Kapuziner im Gebürge ermordet und ihm das Kleid genommen, um seinen Anschlag im Schlosse des Barons auszuführen. Wie er vielleicht es gar nicht im Sinn hatte, endete der begonnene Frevel mit dem Morde Euphemiens und Hermogens. Vielleicht war er schon wahnsinnig, wie Reinhold es behauptet, oder er wurde es dann auf der Flucht, gequält von Gewissensbissen. Das Kleid, welches er trug, und die Ermordung des Mönchs gestaltete sich in ihm zur fixen Idee, daß er wirklich ein Mönch und sein Ich zerspaltet sei in zwei sich feindliche Wesen. Nur die Periode von der Flucht aus dem Schlosse bis zur Ankunft bei dem Förster bleibt dunkel, so wie es unerklärlich ist, wie sich die Erzählung von seinem Aufenthalt im Kloster und der Art seiner Rettung aus dem Kerker in ihm bildete. Daß äußere Motive stattfinden mußten, leidet gar keinen Zweifel, aber höchst merkwürdig ist es, daß diese Erzählung dein Schicksal, wiewohl verstümmelt, darstellt. Nur die Zeit der Ankunft des Mönchs bei dem Förster, wie dieser sie angibt, will gar nicht mit Reinholds Angabe des Tages, wann Viktorin aus dem Schlosse entfloh, zusammenstimmen. Nach der Behauptung des Försters mußte sich der wahnsinnige Viktorin gleich haben im Walde blicken lassen, nachdem er auf dem Schlosse des Barons angekommen.” – “Haltet ein”, unterbrach ich den Prior, “haltet ein, mein ehrwürdiger Vater, jede Hoffnung, der Last meiner Sünden unerachtet, nach der Langmut des Herrn noch Gnade und ewige Seligkeit zu erringen, soll aus meiner Seele schwinden; in trostloser Verzweiflung, mich selbst und mein Leben verfluchend, will ich sterben, wenn ich nicht in tiefster Reue und Zerknirschung Euch alles, was sich mit mir begab, seitdem ich das Kloster verließ, getreulich offenbaren will, wie ich es in heiliger Beichte tat.” Der Prior geriet in das höchste Erstaunen, als ich ihm nun mein ganzes Leben mit aller nur möglichen Umständlichkeit enthüllte. – “Ich muß dir glauben”, sprach der Prior, als ich geendet, “ich muß dir glauben, Bruder Medardus, denn alle Zeichen wahrer Reue entdeckte ich, als du redetest. – Wer vermag das Geheimnis zu enthüllen, das die geistige Verwandtschaft zweier Brüder, Söhne eines verbrecherischen Vaters und selbst in Verbrechen befangen, bildete. – Es ist gewiß, daß Viktorin auf wunderbare Weise errettet wurde aus dem Abgrunde, in den du ihn stürztest, daß er der wahnsinnige Mönch war, den der Förster aufnahm, der dich als dein Doppeltgänger verfolgte und hier im Kloster starb. Er diente der dunkeln Macht, die in dein Leben eingriff, nur zum Spiel – nicht dein Genösse war er, nur das untergeordnete Wesen, welches dir in den Weg gestellt wurde, damit das lichte Ziel, das sich dir vielleicht auftun konnte, deinem Blick verhüllt bleibe. Ach, Bruder Medardus, noch geht der Teufel rastlos auf Erden umher und bietet den Menschen seine Elixiere dar! – Wer hat dieses oder jenes seiner höllischen Getränke nicht einmal schmackhaft gefunden; aber das ist der Wille des Himmels, daß der Mensch der bösen Wirkung des augenblicklichen Leichtsinns sich bewußt werde und aus diesem klaren Bewußtsein die Kraft schöpfe, ihr zu widerstehen. Darin offenbart sich die Macht des Herrn, daß, so wie das Leben der Natur durch das Gift, das sittlich gute Prinzip in ihr erst durch das Böse bedingt wird. – Ich darf zu dir so sprechen, Medardus, da ich weiß, daß du mich nicht mißverstehest. Gehe jetzt zu den Brüdern.”

      In dem Augenblick erfaßte mich, wie ein jäher, alle Nerven und Pulse durchzuckender Schmerz, die Sehnsucht der höchsten Liebe; “Aurelie – ach, Aurelie!” rief ich laut. Der Prior stand auf und sprach in sehr ernstem Ton: “Du hast wahrscheinlich die Zubereitungen zu einem großen Feste in dem Kloster bemerkt? – Aurelie wird morgen eingekleidet und erhält den Klosternamen Rosalia.” – Erstarrt – lautlos blieb ich vor dem Prior stehen. “Gehe zu den Brüdern!” rief er beinahe zornig, und ohne deutliches Bewußtsein stieg ich hinab in das Refektorium, wo die Brüder versammelt waren. Man bestürmte mich aufs neue mit Fragen, aber nicht fähig war ich, auch nur ein einziges Wort über mein Leben zu sagen; alle Bilder der Vergangenheit verdunkelten sich in mir, und nur Aureliens Lichtgestalt trat mir glänzend entgegen. Unter dem Vorwande einer Andachtsübung verließ ich die Brüder und begab mich nach der Kapelle, die an dem äußersten Ende des weitläuftigen Klostergartens lag. Hier wollte ich beten, aber das kleinste Geräusch, das linde Säuseln des Laubganges riß mich empor aus frommer Betrachtung. “Sie ist es … sie kommt … ich werde sie wiedersehen” – so rief es in mir, und mein Herz bebte vor Angst und Entzücken. Es war mir, als höre ich ein leises Gespräch. Ich raffte mich auf, ich trat aus der Kapelle und siehe, langsamen Schrittes, nicht fern von mir, wandelten zwei Nonnen, in ihrer Mitte eine Novize. – Ach, es war gewiß Aurelie – mich überfiel ein krampfhaftes Zittern – mein Atem stockte – ich wollte vorschreiten, aber keines Schrittes mächtig, sank ich zu Boden. Die Nonnen, mit ihnen die Novize, verschwanden im Gebüsch. Welch ein Tag! – welch eine Nacht! Immer nur Aurelie und Aurelie – kein anderes Bild – kein anderer Gedanke fand Raum in meinem Innern.

      Sowie die ersten Strahlen des Morgens aufgingen, verkündigten die Glocken des Klosters das Fest der Einkleidung Aureliens, und bald darauf versammelten sich die Brüder in einem großen Saal; die Äbtissin trat, von zwei Schwestern begleitet, herein. – Unbeschreiblich ist das Gefühl, das mich durchdrang, als ich die wiedersah, die meinen Vater so innig liebte und, unerachtet er durch Freveltaten ein Bündnis, das ihm das höchste Erdenglück erwerben mußte, gewaltsam zerriß, doch die Neigung, die ihr Glück zerstört hatte, auf den Sohn übertrug. Zur Tugend, zur Frömmigkeit wollte sie diesen Sohn aufziehen, aber dem Vater gleich, häufte er Frevel auf Frevel und vernichtete so jede Hoffnung der frommen Pflegemutter, die in der Tugend des Sohnes Trost für des sündigen Vaters Verderbnis finden wollte. – Niedergesenkten Hauptes, den Blick zur Erde gerichtet, hörte ich die kurze Rede an, worin die Äbtissin nochmals der versammelten Geistlichkeit Aureliens Eintritt in das Kloster anzeigte und sie aufforderte, eifrig zu beten in dem entscheidenden Augenblick des Gelübdes, damit der Erbfeind nicht Macht haben möge, sinneverwirrendes Spiel zu treiben zur Qual der frommen Jungfrau. “Schwer”, sprach die Äbtissin, “schwer waren die Prüfungen, die die Jungfrau zu überstehen hatte. Der Feind wollte sie verlocken zum Bösen, und alles, was die List der Hölle vermag, wandte er an, sie zu betören, daß sie, ohne Böses zu ahnen, sündige und dann, aus dem Traum erwachend, untergehe in Schmach und Verzweiflung. Doch die ewige Macht beschützte das Himmelskind, und mag denn der Feind auch noch heute es versuchen, ihr verderblich zu nahen, ihr Sieg über ihn wird desto glorreicher sein. Betet