Doch in dem Augenblick erhob sich im Palast ein verwirrtes Getöse und widerwärtige Stimmen quiekten und plärrten durcheinander. „Alle Geister!“ rief Celionati, „man merkt Eure Flucht, Giglio, macht, daß Ihr fortkommt!“ Mit der Kraft der Verzweiflung drängte sich Giglio vollends durch, warf sich rücksichtslos auf die Straße, raffte sich, da er durchaus nicht den mindesten Schaden genommen, auf, und rannte in voller Furie von dannen.
„Ja“, rief er ganz außer sich, als er, in seinem Stübchen angekommen, den närrischen Anzug erblickte, in dem er mit seinem Ich gekämpft; „ja, der tolle Unhold, der dort körperlos liegt, das ist mein Ich und diese prinzlichen Kleider, die hat der finstre Dämon dem Gelbschnabel gestohlen und mir anvexiert, damit die schönsten Damen in unseliger Täuschung mich selbst für den Gelbschnabel halten sollen! – Ich rede Unsinn, ich weiß es; aber das ist recht, denn ich bin eigentlich toll geworden, weil der Ich keinen Körper hat – Ho ho! frisch darauf, frisch darauf, mein liebes holdes Ich!“ – Damit riß er sich wütend die schönen Kleider vom Leibe, fuhr in den tollsten aller Maskenanzüge und lief nach dem Korso.
Alle Lust des Himmels durchströmte ihn aber, als eine anmutige Engelsgestalt von Mädchen, das Tambourin in der Hand, ihn zum Tanz aufforderte.
Die Kupfertafel, die diesem Kapitel beigeheftet, zeigt diesen Tanz des Giglio mit der unbekannten Schönen; was sich aber ferner dabei begab, wird der geneigte Leser im folgenden Kapitel erfahren.
Sechstes Kapitel
Wie einer tanzend zum Prinzen wurde, ohnmächtig einem Scharlatan in die Arme sank und dann beim Abendessen an den Talenten seines Kochs zweifelte. – Liquor anodynus und großer Lärm ohne Ursache. – Ritterlicher Zweikampf der in Lieb und Wehmut versunkenen Freunde und dessen tragischer Ausgang. – Nachteil und Unschicklichkeit des Tabakschnupfens. – Freimaurerei eines Mädchens und neu erfundener Flugapparat. Wie die alte Beatrice eine Brille aufsetzte und wieder herunternahm von der Nase.
Sie: Drehe dich, drehe dich stärker, wirble rastlos fort, lustiger toller Tanz! – Ha wie so blitzesschnell alles vorüberflieht! Keine Ruhe, kein Halt! – Mannigfache bunte Gestalten knistern auf, wie sprühende Funken eines Feuerwerks und verschwinden in die schwarze Nacht hinein. – Die Lust jagt nach der Lust und kann sie nicht erfassen, und darin besteht ja eben wieder die Lust. – Nichts ist langweiliger, als festgewurzelt in den Boden jedem Blick, jedem Wort Rede stehen zu müssen! Möcht deshalb keine Blume sein; viel lieber ein goldner Käfer, der dir um den Kopf schwirrt und sumset, daß du vor dem Getöse deinen eignen Verstand nicht zu vernehmen vermagst! Wo bleibt aber auch überhaupt der Verstand, wenn die Strudel wilder Lust ihn fortreißen? Bald zu schwer zerreißt er die Fäden und versinkt in den Abgrund; bald zu leicht fliegt er mit auf in den dunstgen Himmelskreis. Es ist nicht möglich, im Tanz einen recht verständigen Verstand zu behaupten; darum wollen wir ihn lieber, solange unsere Touren, unsere Pas fortdauern, ganz aufgeben. – Und darum mag ich dir auch gar nicht Rede stehen, du schmucker, flinker Geselle! – Sieh, wie dich umkreisend ich dir entschlüpfe in dem Augenblick, da du mich zu erhaschen, mich festzuhalten gedachtest! – Und nun! – und nun wieder! –
Er: Und doch! – nein, verfehlt! – Aber es kommt nur darauf an, daß man im Tanz das rechte Gleichgewicht zu beobachten, zu behalten versteht. – Darum ist es nötig, daß jeder Tänzer etwas zur Hand nehme, als Äquilibrierstange; und darum will ich mein breites Schwert ziehen und es in den Lüften schwenken – So! – Was hältst du von diesem Sprunge, von dieser Stellung, bei der ich mein ganzes Ich dem Schwerpunkt meiner linken Fußspitze anvertraue? – Du nennst das närrischen Leichtsinn; aber das ist eben der Verstand, von dem du nichts hältst, unerachtet man ohne denselben nichts versteht und auch das Äquilibrium, das zu manchen Dingen nütze! –Aber wie? – von bunten Bändern umflattert, wie ich, auf der linken Fußspitze schwebend, das Tambourin hoch emporgehoben, verlangst du, ich solle mich begeben alles Verstandes, alles Äquilibriums? – Ich werfe dir meinen Mantelzipfel zu, damit du geblendet, strauchelnd mir in die Arme fällst! – Doch nein, nein! – sowie ich dich erfaßte, wärst du ja nicht mehr -schwändest hin in nichts! Wer bist du denn, geheimnisvolles Wesen, das aus Luft und Feuer geboren der Erde angehört und verlockend hinausschaut aus dem Gewässer! – Du kannst mir nicht entfliehen. Doch – du willst hinab, ich wähne dich festzuhalten, da schwebst du auf in die Lüfte. Bist du wirklich der wackre Elementargeist, der das Leben entzündet zum Leben? –Bist du die Wehmut, das brünstige Verlangen, das Entzücken, die Himmelslust des Seins? – Aber immer dieselben Pas – dieselben Touren! Und doch, Schönste, bleibt ewig nur dein Tanz und das ist gewiß das Wunderbarste an dir –
Das Tambourin : Wenn du, o Tänzer! mich so durcheinander klappern, klirren, klingen hörst, so meinst du entweder, ich wollte dir was weismachen mit allerlei dummem einfältigen Gewäsche, oder ich wäre ein tölpisch Ding, das Ton und Takt deiner Melodien nicht fassen könnte, und doch bin ich es allein, was dich in Ton und Takt hält. Darum horche – horche – horche auf mich!
Das Schwert : Du meinst o Tänzerin, daß hölzern, dumpf und stumpf, takt-und tonlos, ich dir nichts nützen kann. Aber wisse, daß es nur meine Schwingungen sind, denen der Ton, der Takt deines Tanzes entschwebt. – Ich bin Schwert und Zither und darf die Luft verwunden mit Sang und Klang, Hieb und Stoß. – Und ich halte dich in Ton und Takt; darum horche – horche – horche auf mich! –
Sie: Wie immer höher der Einklang unseres Tanzes steigt! –Ei, welche Schritte, welche Sprünge! – Stets gewagter – stets gewagter und doch gelingt’s, weil wir uns immer besser auf den Tanz verstehen!
Er: Ha! wie tausend funkelnde Feuerkreise uns umzingeln! Welche Lust! – Stattliches Feuerwerk, nimmer kannst du verpuffen; denn dein Material ist ewig, wie die Zeit – Doch – halt -halt; ich brenne – ich falle ins Feuer. –
Tambourin und Schwert : Haltet euch fest – haltet