So weit hatte der Alte gelesen, als er innehielt, sich von seinem Sitze erhob und zu den kleinen Püppchen, die auf dem Porphyr-Altar in der Mitte des Kreises standen, also sprach:
„Gutes vortreffliches Königspaar, teurer Ophioch, verehrteste Liris, verschmäht es nicht länger, uns zu folgen auf der Pilgerfahrt in dem bequemen Reiseanzug, den ich euch gegeben! – Ich, euer Freund Ruffiamonte, werde erfüllen, was ich versprach!“
Dann schaute Ruffiamonte im Kreise der Damen umher und sprach: „Es ist nun an der Zeit, daß ihr das Gespinst beiseite legt und den geheimnisvollen Spruch des großen Magus Hermod sprecht, wie er ihn gesprochen aus dem Kelch der wunderbaren Lotosblume heraus.“
Während nun Ruffiamonte mit einem silbernen Stabe den Takt schlug mit heftigen Schlägen, die laut schallend auf das offne Buch niederfielen, sprachen die Damen, die ihre Sitze verlassen und einen dichteren Kreis um den Magus geschlossen, im Chor folgendes:
„Wo ist das Land, des blauer Sonnenhimmel
Der Erde Lust in reicher Blüt entzündet?
Wo ist die Stadt, wo lustiges Getümmel
In schönster Zeit den Ernst vom Ernst entbindet?
Wo gaukeln froh der Fantasei Gestalten,
In bunter Welt, die klein zum Ei gerundet?
Wo mag die Macht anmutgen Spukes walten?
Wer ist der Ich, der aus dem Ich gebären
Das Nicht-Ich kann, die eigne Brust zerspalten,
Und schmerzlos hoch Entzücken mag bewähren?
Das Land, die Stadt, die Welt, das Ich, gefunden
Ist alles das, erschaut in voller Klarheit
Das Ich die Welt, der keck es sich entwunden,
Umwandelt des betörten Sinnes Narrheit,
Trifft ihn der bleichen Unlust matter Tadel,
Der innre Geist in kräftge Lebenswahrheit,
Erschleußt das Reich die wunderbare Nadel
Des Meisters, gibt in schelmisch tollem Necken,
Dem, was nur niedrig schien, des Herrschers Adel
Der, der das Paar aus süßem Traum wird wecken.
Dann Heil dem schönen fernen Urdarlande!
Gereinigt, spiegelhell erglänzt sein Bronnen,
Zerrissen sind des Dämons Kettenbande,
Und aus der Tiefe steigen tausend Wonnen.
Wie will sich jede Brust voll Inbrunst regen?
In hohe Lust ist jede Qual zerronnen.
Was strahlt dort in des dunklen Waldes Wegen?
Ha, welch ein Jauchzen aus der Fern ertönet!
Die Königin, sie kommt! – auf ihr entgegen!
Sie fand das Ich! und Hermod ist versöhnet!“ –
Jetzt erhoben die Strauße und die Mohren ein verwirrtes Geschrei und dazwischen quiekten und piepten noch viele andre seltsame Vogelstimmen. Stärker, als alle, schrie aber Giglio, der, wie aus einer Betäubung erwacht, plötzlich alle Fassung gewonnen und dem es nun war, als sei er in irgendeinem burlesken Schauspiel: „Um tausend Gotteswillen! was ist denn das? Hört doch nur endlich auf mit dem tollen verrückten Zeuge! Seid doch vernünftig, sagt mir doch nur, wo ich die durchlauchtige Prinzessin finde, die hochherrliche Brambilla! Ich bin Giglio Fava, der berühmteste Schauspieler auf der Erde, den die Prinzessin Brambilla liebt und zu hohen Ehren bringen wird – So hört mich doch nur! Damen, Mohren, Strauße, laßt euch nicht albernes Zeug vorschwatzen! Ich weiß das alles besser, als der Alte dort; denn ich bin der weiße Mohr und kein andrer!“
Sowie die Damen endlich den Fava gewahr wurden, erhoben sie ein langes durchdringendes Gelächter und fuhren auf ihn los. Selbst wußte Giglio nicht, warum ihn auf einmal eine schreckliche Angst überfiel und er mit aller Mühe suchte den Damen auszuweichen. Unmöglich konnt ihm das gelingen, wäre es ihm nicht geglückt, indem er den Mantel auseinanderspreizte, emporzuflattern in die hohe Kuppel des Saals. Nun scheuchten die Damen ihn hin und her und warfen mit großen Tüchern nach ihm, bis er ermattet niedersank. Da warfen die Damen ihm aber ein Filetnetz über den Kopf und die Strauße brachten ein stattliches goldnes Bauer herbei, worein Giglio ohne Gnade gesperrt wurde. In dem Augenblick verlosch die Ampel und alles war wie mit einem Zauberschlag verschwunden.
Da das Bauer an einem großen geöffneten Fenster stand, so konnte Giglio hinabschauen in die Straße, die aber, da das Volk eben nach den Schauspielhäusern und Osterien geströmt, ganz öde und menschenleer war, so daß der arme Giglio, hineingepreßt in das enge Behältnis, sich in trostloser Einsamkeit befand. „Ist das“, so brach er wehklagend los, „ist das das geträumte Glück? Verhält es sich so mit dem zarten wunderbaren Geheimnis, das in dem Palast Pistoja verschlossen? – Ich habe sie gesehen, die Mohren, die Damen, den kleinen alten Tulpenkerl, die Strauße, wie sie hineingezogen sind durch das enge Tor; nur die Maulesel fehlten und die Federpagen! – Aber Brambilla war nicht unter ihnen – nein, es ist nicht hier, das holde Bild meines sehnsüchtigen Verlangens, meiner Liebesinbrunst! – O Brambilla! – Brambilla! – Und in diesem schnöden Kerker muß ich elendiglich verschmachten und werde nimmermehr den weißen Mohren spielen! – Oh! Oh! – Oh!“
„Wer lamentiert denn da oben so gewaltig?“ – So rief es von der Straße herauf. Giglio erkannte augenblicklich die Stimme des alten Ciarlatano und ein Strahl der Hoffnung fiel in seine beängstete Brust.
„Celionati“, sprach Giglio ganz beweglich herab, „teurer Signor Celionati, seid Ihr es, den ich dort im Mondschein erblicke? – Ich sitze hier im Bauer, in