»Das Frühstück kommt gleich«, sagte er. »Hast du Hunger? Diese Hitze schon am frühen Morgen verschlägt mir jedesmal den Appetit.«
Sie blickte ihn besorgt an.
»Du bist doch nicht etwa krank?« fragte sie ängstlich.
»Aber keine Spur!«
»Der Portier hat mir erzählt«, erklärte sie hastig, »daß in Tanger eine Typhusepidemie ausgebrochen ist. Glaubst du nicht, daß es besser wäre, wenn wir gleich abreisten?«
Er schüttelte lachend den Kopf.
»Mach dir doch keine Sorgen um mich! Paß nur auf dich selber auf – hm, allerdings – ich möchte nicht, daß du dich ansteckst. Das wäre entsetzlich!«
Plötzlich war er ernst geworden und schaute sie unruhig an.
Sie mußte laut lachen, und er stimmte ein, als er das Humorvolle der Situation erkannte.
Ein Kellner brachte auf einem Tablett die Post, und Comstock schaute sie flüchtig durch. Einen Brief, auf dem er die Handschrift Wentworth Golds erkannte, öffnete er und überflog ihn schnell.
»Gib es etwas Neues?« fragte sie.
»Ja – Helder ist tot«, entgegnete er. »Merkwürdig – Gold, der doch wirklich nicht romantisch veranlagt ist, glaubt, daß er an gebrochenem Herzen gestorben ist.« Er schob seinen Stuhl zurück und schaute nachdenklich aufs Meer hinaus.
»Er war ein Verbrecher«, sagte er. »Aber wer kann sich die Versuchungen vorstellen, denen ihn sein unbändiger Ehrgeiz aussetzte? Sicher hatte er gute Anlagen, die wie bei so vielen anderen durch schlechte äußere Einflüsse immer mehr verschüttet wurden.«
Er öffnete einen anderen Brief, ließ ihn aber gleich wieder sinken, »jeder stellt sich unter seinem Glück etwas anderes vor«, meinte er nachdenklich.
Sie schaute schnell auf.
»Bist du denn glücklich?« fragte sie schüchtern.
»ja, Verity – das bin ich«, entgegnete er mit einem leichten Zögern in der Stimme. »Nur manchmal mache ich mir Sorgen um die Zukunft. Ich habe Gewissensbisse. Ich fühle, daß zwischen uns noch nicht alles so ist, wie es sein sollte.«
»Du weißt, daß auch ich manchmal fürchte, zwischen dir und deinem Lebensglück zu stehen«, erwiderte sie ernst.
»Du bist mein Lebensglück«, sagte er leise. »Was immer auch die Zukunft bringen mag, das ist eine Tatsache. Es ist so leicht, dich lieb zu haben, Verity.«
Seine Worte klangen so einfach und selbstverständlich, daß sie errötend die Tasse hob, um ihre Verwirrung zu verbergen.
»Vielleicht denke ich schon lange das gleiche und wollte es dir nur nicht sagen.«
»Das wäre schön, sehr schön, Verity. Vielleicht bist du dir aber doch noch nicht ganz im klaren, so klar wie ich mir heute bin. Wir haben ja soviel Zeit – und du kannst noch lange warten, bevor du dich entscheidest. Ich werde trotzdem immer bei dir bleiben …«
Die Tasse, die Verity in der Hand hielt, hatte schon die ganze Zeit bedenklich gezittert. Jetzt fiel sie auf den Marmorfußboden und zerbrach in hundert Stücke. Verity lachte, lief um den Tisch herum und lehnte sich an ihren Mann.
»Aber ich will doch gar nicht mehr warten«, sagte sie glücklich.«
Die drei von Cordova
Inhalt
1
An einem der Marmortische des ›Café del Gran Capitán‹ in Cordova saß ein Herr, der viel Zeit zu haben schien. Er war von großer Gestalt und hatte einen gepflegten Bart. Die Blicke seiner ernsten grauen Augen schweiften scheinbar absichtslos die Straße entlang. Ab und zu nippte er an seinem Kaffee und trommelte mit seinen schlanken weißen Händen einen Wirbel auf der Tischplatte.
Er trug einen schwarzen Anzug; sein gleichfalls schwarzer Mantel hatte einen Samtkragen. Die Krawatte war von schwerer schwarzer Seide, die gutgeschnittenen Beinkleider wurden durch Lederstege unter den spitzauslaufenden Schuhen gestrafft, wie es in gewissen Kreisen der Caballeros beliebt war.
Er hätte Spanier sein können, denn graue Augen traf man dort unten häufig an. Die ausgelassenen Irländer, die damals mit den Besatzungstruppen Wellingtons ins Land gekommen waren, hatten sich ja gar nicht so selten mit den feurigen Mädchen von Andalusien verheiratet.
Er sprach ein tadelloses Spanisch, und auch die Art, wie er den wehleidig flehenden Bettler behandelte, der auf ihn zuhumpelte und ihn mit ausgestreckten verkrüppelten Fingern um ein Almosen bat, zeugte von seiner südländischen Abstammung.
»Im Namen der Jungfrau und der Heiligen und des allmächtigen Gottes flehe ich Sie an, Señor, geben Sie mir ein paar Céntimos.«
Der