In diesem Augenblick erlitt der Butler einen bösen Schwächeanfall. Diese Anspannung war nun doch zu groß für ihn. Er taumelte gegen das Stahltor der Garage und strich sich mit der rechten, freien Hand über die Stirn.
»Komm, laß ihn noch ’nen Moment in Ruhe«, rief das Bleichgesicht seinem Partner zu. »Der sackt ja gleich ab.«
Mit diesen Worten verschwand auch der Revolver in der Tasche des Gangsters. Josuah Parker merkte von alledem nichts. Er hatte genug damit zu tun, auf den Beinen zu bleiben. Er sah wirklich aus wie ein alter, müder und verbrauchter Mann.
Die Knorpelnase sah sich um ihr Vergnügen betrogen. Wenigstens einen Schlag noch wollte sie anbringen. Zischend teilte das Stück Kabel die stickige Luft der Tiefgarage.
Genau in diesem Moment entwickelte Parkers Regenschirm Eigenleben. Er schnellte hoch und prellte gegen den Unterarm des Schlägers. Die Knorpelnase schrie auf und starrte verdutzt auf die leere Hand.
Der Butler, nun in Fahrt, dachte nicht daran, eine Kunstpause einzulegen. Der Regenschirm beschrieb einen kleinen Halbkreis. Dann senkte sich der bleigefütterte Griff auf den Schädel des Bleichgesichts.
Der Gangster sah, wie man im Volksmund so treffend sagt, ziemlich dumm aus der Wäsche. Er riß weit die Augen auf, spürte eine seltsame Lähmung in seinen Gliedern und … verlor das Bewußtsein. Aufseufzend rutschte er an der rauhen Wand herunter und blieb leblos auf dem Betonboden liegen.
Die Knorpelnase brüllte vor Wut auf. Noch konnte er seinen rechten Arm nicht bewegen, dafür versuchte er es nun mit dem rechten Fuß. Er hatte die feste Absicht, ihn in Parkers Unterleib zu treten. Auf den Gedanken, seine Waffe zu ziehen, kam der Mann in seiner Wut nicht.
Parkers Regenschirm erwies sich wieder einmal als universell. Der Fuß des Gangsters schwebte noch in der Luft, da hakte der Griff unter die Ferse des Mannes. Ein schneller, kurzer Ruck, und der Gangster verlor das Gleichgewicht. Er knallte mit dem Hinterkopf gegen den Ford, verdrehte die Augen und landete krachend auf dem Boden. Josuah Parker schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. Er haßte die Anwendung von Gewalt. Er mußte sich jedesmal überwinden, aus sich herauszugehen.
Um die beiden Gangster nicht unnötig in Versuchung zu führen, entwaffnete er sie. Er steckte ihre Revolver ein und schob zwei veritable Klappmesser durch das Gitter des Garagen-Gullies.
Damit war seine Arbeit noch nicht beendet. Um zu einem späteren Zeitpunkt von ihnen nicht überrascht zu werden, öffnete er die Kofferhaube des Ford und verstaute die beiden Gangster im Kofferraum. Als Krönung dieser Vorsicht schloß er eine seiner Handschellen an Hand und Bein der Gangster. Falls sie wieder zu sich kamen und den Kofferraum verlassen konnten, mußte ihre Bewegungsfreiheit darunter ungemein leiden. Falls die Knorpelnase nämlich aufrecht ging, mußte das Bleichgesicht sich mit dem angefesselten Handgelenk tief verbeugen. Bestand jedoch das Bleichgesicht darauf, aufrecht zu gehen, so hatte die Knorpelnase das zweifelhafte Vergnügen, sein rechtes Bein extrem hoch in die Luft zu strecken.
Josuah Parker war mit seinen Vorbereitungen zufrieden. Nach einem letzten Blick auf den bereits wieder geschlossenen Kofferraum machte er sich auf den Weg, seinen eigentlichen Gastgeber aufzusuchen. Noch hatte er keine Ahnung, zu welcher Gang das Bleichgesicht und die Knorpelnase gehörten.
Es war frappierend, mit welcher Selbstverständlichkeit und Sicherheit Parker sich bewegte. Er schien hier zu Hause zu sein. Den Regenschirm korrekt über den linken Unterarm gelegt, schritt er würdevoll durch die kleine Seitentür und stieg eine Treppe empor.
Er landete in einem kleinen Korridor, in dem es nach frischer Farbe roch. Parker entdeckte eine nur angelehnte Tür, stieß sie auf und grüßte höflich. Am Schreibtisch des schäbig eingerichteten Büros saß ein älterer Mann und blätterte lustlos in einem dicken Kontobuch.
Dieser Mann ließ sich zuerst täuschen. Er nickte grüßend zurück, sah wieder in das Kontobuch und merkte mit einer erstaunlichen Verzögerung erst, wer da am Schreibtisch stand. Als er es merkte, schoß er jedoch blitzartig von seinem Stuhl hoch und sah den Butler fassungslos an.
»Parker ist mein Name«, stellte der Butler sich vor und lüftete seine schwarze Melone. »Wenn mich nicht alles täuscht, werde ich hier erwartet.«
»Sie sind dieser … Parker?« antwortete der ältere Mann zögernd. Er strich sich durch das schüttere Haar und rückte sich die Nickelbrille zurecht.
»Melden Sie mich bitte an …!« Parker wies mit der Spitze seines Regenschirms auf eine dickwattierte Tür, hinter der seiner Ansicht nach der Chef des Unternehmens sitzen mußte. Die schwammigen Gesichtszüge des Mannes gerieten in Bewegung und Konfusion. Ohne weitere Fragen zu stellen, stürzte er auf die Tür zu und verschwand hinter ihr.
Josuah Parker war mit seinem Auftreten zufrieden. Da das Kontobuch unbewacht war, blätterte er darin herum. Mit geschultem Auge entdeckte er schnell, daß diese Firma einen Autoverleih betrieb. Der Umsatz war nicht besonders groß.
Die wattierte Tür wurde jäh aufgestoßen. Der Mann mit dem schütteren Haar kam heraus, stotterte herum und gab die Tür frei.
»Wenn ich Ihre Worte richtig interpretiere, soll ich wohl eintreten, ja?« fragte Parker. Der Schwammige nickte und schluckte ein paarmal vor Erregung. Josuah Parker lächelte milde und betrat das Büro.
Hier war die Einrichtung nun doch wesentlich vornehmer. Der Chef des Unternehmens schien sehr viel Geld investiert zu haben. Er saß in einer Sitzecke und rauchte eine Zigarette.
Parker verbeugte sich und lüftete seine schwarze Melone. Sein Gegenüber mochte etwa 45 Jahre alt sein. Der hochgewachsene, breitschultrige Mann schien eine Art Playboy zu sein. Er sah sehr gut und sehr kühn aus. Das scharfgeschnittene Gesicht mit den dunklen Augen und dem schwarzen Haar erinnerte Parker an einen italienischen Briganten.
»Ich muß mich über das Benehmen Ihrer Angestellten beschweren«, begann Parker mit wohlgesetzten Worten. »Es gehört sich einfach nicht, mit einem Drahtkabel zu spielen.«
Der Brigant stand langsam auf. Seine dunklen Augen blitzten. Er musterte Parker wie ein Ausstellungsstück, lächelte gewinnend, aber doch irgendwie gefährlich.
»Sie beschweren sich also?« erkundigte er sich fast sanft.
»In der Tat, das war keine Art, einen neuen Kunden für Ihren Autoverleih zu gewinnen.«
»Sie werden sich gleich wundern«, reagierte der Brigant scharf. »Ich kann zwar ’ne Menge Spaß verstehen, doch Sie dürfen nicht frech werden.«
»Der Ton Ihrer Angestellten scheint an Ihren Manieren geschult worden zu sein«, entgegnete der Butler. »Darf ich nun endlich erfahren, was Sie von mir wollen? Wie ich heiße, ist Ihnen ja bekannt. Bevor ich mich auf eine Diskussion einlasse, müßte ich erst einmal wissen, mit wem ich das möglicherweise zweifelhafte Vergnügen habe.«
»Ich bin Lern Barry«, stieß der Brigant hervor und warf sich in die Brust.
»Aha …!«
»Das sagt Ihnen wohl nichts, oder?«
»Sie unterschätzen mich, Mr. Barry. Ich weiß, daß Sie in zwei Fällen zu längeren Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Es geht zur Zeit das Gerücht, Sie unterhielten eine Gang, die sich mit gestohlenen Autos befaßt. Was wahr daran ist, weiß ich zur Zeit nicht zu sagen.«
Lern Barry, der kühn aussehende Brigant, war perplex. Er kannte eine Menge Leute. Er war es gewohnt, daß man vor ihm kuschte. Seine Brutalität war stadtbekannt, wenigstens in einschlägigen Kreisen. Ein Mann wie Parker war ihm allerdings noch nie über den Weg gelaufen.
»Dann wissen Sie ja, was Ihnen blüht«, zischte Barry gereizt. »Falls Sie spuren, werde ich Ihnen eine Chance geben, haben Sie mich verstanden?«
»Sie drücken sich ungewöhnlich deutlich aus, Mr. Barry.«
»Schön, daß Sie begreifen, Parker. Im Auftrag eines meiner