»Ja, das Sitzen ist leicht«, sagte der Reiter, »aber das Pferd zu leiten, daß es vernünftig ist, und den Willen des Reiters weiß.«
»Das würde ich schon machen«, antwortete der Krauskopf. »Ich würde mein Pferd zuerst pflegen, wie Ihr tut.«
»Das ist gut«, sagte der Reiter.
»Ihr habt den eigenen Mantel darauf gelegt, erwiderte der andere, »daß es sich nach dem scharfen Ritte nicht verkühle.«
»Siehst du, daß du die Behandlung der Pferde nicht kennst«, sagte der Reiter; »nach einem scharfen Ritte darf man die Pferde, auch wenn sie mit einem Mantel bedeckt werden, nicht stehen lassen, sondern man muß sie herum führen, erst schneller, dann langsamer, daß sie die Wärme gemach verlieren, und für Futter und Trank tauglicher werden.«
»Warum habt Ihr denn Euer Pferd dann sogleich stehen gelassen?« fragte der andere.
»Weil ich gar nicht scharf geritten bin«, antwortete der Reiter.
»Ihr seid nicht scharf geritten?« fragte der Krauskopf, und sah den Reiter starrer an.
»Wenn nicht Schnelligkeit nötig ist«, entgegnete der junge Mann, »so lasse ich das Pferd seinen langsamen Schritt gehen. Es dankt mir dann ein ander Mal, wenn ich Kraft und Schnelligkeit brauche.«
»Das ist sehr gut«, sagte der Krauskopf. »Ich würde meinem Pferde Treue erweisen, daß es mir wieder treu würde, und mir folgte.«
»Daran würdest du sehr wohl tun«, sprach der Reiter.
»Weil ich die Wege in dem Walde kenne und weiß, wie alle Menschen im Walde und ihre Hunde heißen, so würde ich auch den Willen eines Pferdes kennen«, sagte der andere.
»Kann sein«, entgegnete der Reiter.
»Ich werde aber nie ein Pferd haben«, sagte der Krauskopf.
»Warum denn nicht?« fragte der Reiter.
»Weil ich nie so viele Pfennige haben werde, mir eins zu kaufen«, entgegnete der andere.
»Ja so«, sagte der Reiter.
»Und wenn ich der erste Knecht des Waldes wäre, so könnte ich mir nie ein so ritterliches Pferd kaufen, wie das Eurige ist. Mit einem ritterlichen Pferde würde ich Erkleckliches bewirken«, sagte der Krauskopf.
»Ja, da wirst du nie eines bekommen«, entgegnete der junge Mann.
»Wenn ich im Kriege bei den Unsrigen eine Lanze ergriffe, zu den Feinden ginge, ihnen ein Pferd nähme, und darauf zu uns zurück ritte: gehörte das Pferd mir?«
»Es wäre Beute«, sagte der Reiter.
»Gehörte es mir?« fragte der andere wieder.
»Wenn du kein Wege- und Gelegenheitslagerer bist, sondern ein zugeteilter Kriegsknecht, und wenn du das Pferd nicht in der allgemeinen Schlacht oder sonst in einem Angriffe erwirbst, sondern wenn du allein hinüber gehst und es allein herüber bringst, so wird man es dir wohl lassen«, antwortete ihm der Reiter.
»So werde ich also tun«, entgegnete der Mann.
»Tu es, mein Freund«, sagte der Reiter.
Das Pferd war indessen mit seiner Nahrung lässiger geworden, und hatte öfter umgeblickt. Der Reiter ließ ihm Wasser bringen, und tränkte es, dann mischte er ihm wieder etwas Haber in seine Kufe. Während es denselben verzehrte, blieb er dabei stehen. Der Krauskopf blieb auch stehen, und sah zu. Als das Pferd fertig war, wurde es noch einmal getränkt, und der Reiter wischte ihm dann die Lippen ab, und die Kufe wurde seitwärts gestellt. Hierauf ging der junge Mann zu seinem Tische, und verlangte nach dem Wirte. Als dieser erschienen war, fragte er ihn: »Was bin ich Euch schuldig?«
»Die Zehrung macht siebenzehn Pfennige, und das Waschen des Troges macht drei Pfennige«, sagte der Wirt.
Der Reiter nestelte auf der Brust ein wenig sein Wams auf, und zog ein Beutelchen heraus. Er las aus demselben den Betrag, reichte ihn hin, zog das Beutelchen zu, und barg es wieder in seinem Wamse. Dann begab er sich zu seinem Pferde, zäumte es, schnallte den Mantel, führte es ein wenig gegen die Gasse vorwärts, und bestieg es. Der Krauskopf war mit ihm gegangen, und sah überall zu. Da der Reiter auf dem Pferde saß, richtete er sich auf demselben zurecht, ritt gegen den Wirt, und sagte: »Ich danke Euch, lieber Herr, für die Bewirtung, und wünsche, daß Euch Gott behüte, und alle, die bei Euch sind.«
»Ich danke Euch«, antwortete der Wirt, »und wünsche Euch desgleichen, und reitet glücklich.«
Der Reiter ritt nun langsam von der Gasse weg, den Krauskopf, und die ihm nachsahen, hinter sich lassend. Er ritt in der Richtung zwischen Morgen und Mitternacht fort. Er ritt wieder eine Lehne hinan, eine Lehne hinab, ein Wäldchen aus, ein Wäldchen ein, der Boden wurde immer unwirtlicher und war endlich mit Wald bedeckt. Der Weg hatte Wurzelgeflechte und Granitsteine, und das Pferd setzte behutsam seine Hufe.
Da es Abend geworden war, kam der Reiter auf der Schneide eines langen von Abend gegen Morgen gestreckten Berges an. Derselbe ging mit lauter Wald in ein enges Tal hinab, und unten blitzte ein Wässerlein. Jenseits ging wieder ein noch höherer und mächtigerer Wald empor, und auf seinem Rande ragte ein Steinblock in die Höhe. – Der Reiter hielt ein Weilchen an, und sah auf den Steinblock hin.
Dann ritt er in dem Walde, der vor ihm lag, hinunter. Er ritt unter den Ästen der Bäume, die um ihn waren, dahin, und mußte sich vor manchem bücken, welcher zu niedrig war. Nach einer Zeit kam er bei einem roten Kreuze an. Er hielt an dem Kreuze stille, und tat ein kurzes Gebetlein. Dann ritt er wieder weiter. Als es ganz finster geworden war, stieg er vom Pferde, nahm ihm die Zügel über den Hals nach vorwärts, ging vor ihm, und führte es hinter sich her. Von dem Kreuze hatte er noch eine kurze, aber sehr steile Stelle zu dem Wasser hinunter. An dem Wasser verbreitete sich ein Feuergeruch, der Reiter ging auf eine offene Stelle hinaus, auf welcher aus mehreren dunkeln Erhöhungen Feuerzünglein empor gingen, die die nächtlichen Tannen beleuchteten, und aus denen sich ein lichter Rauch über den Wald erhob. Seitwärts dieser Erhöhungen waren mehrere Hütten, aus denen manches Lichtlein glänzte. Der Reiter führte sein Pferd zu einer der Hütten. Als er dort angekommen war, öffnete sich die Tür der Hütte, und ein Mann und ein Weib und zwei Kinder traten heraus.
»Seid Ihr da«, sagte der Mann, »wir haben Euch schier nicht mehr erwartet.«
»Sei gegrüßt, Mathias«, entgegnete der Reiter, »von Passau kann ich wohl nicht in kürzerer Zeit da sein.«
»So bringt nur Euer Pferd herein«, sagte der Mann, und öffnete nicht weit von der Tür ein Tor.
»Margaretha, leuchte mit einem Span«, sagte er.
Das Weib lief in die Hütte, und kam bald mit einem brennenden Buchenspan zurück. Sie ging mit dem Span durch das Tor ein, der Reiter mit dem Pferde folgte ihr, und hinter ihm gingen der Mann und die Kinder. Sie kamen in einen Stall. Zwei Kühe hingen in einer Ecke dicht bei einander, und für das Pferd hatte man einen freien Platz gemacht. Es wurde dort angebunden, und der Reiter und der Mann befreiten es von Zaum und Sattel. Der Reiter deckte seinen Mantel über dessen Rücken. Die Kinder schauten zu. Dann ging man von dem Stalle durch eine kleine Tür in die Stube. In der Stube stand ein hoher Pflock, der mehrere eiserne Schleifen hatte. In zweien dieser Schleifen staken brennende Buchenspäne. Die Frau steckte ihren Span in eine dritte Schleife. Der Reiter setzte sich auf einen hölzernen Stuhl. Die Frau deckte ein Linnen auf einen Tisch von weichem Holze und stellte dann eine Schüssel mit Suppe auf den Tisch. Der Reiter, der Mann, die Frau und die Kinder aßen von der Suppe. Dann sagte der Mann: »Ich werde Euch Euer Pferd besorgen, da Ihr müde sein mögt.«
»Wir werden es beide besorgen«, antwortete der Reiter.
Der Mann nahm einen Span, ging dem Reiter voran in den Stall, und dieser folgte ihm. In dem Stalle gab der Reiter dem Pferde von dem Futter, das schon vorgerichtet war. Dann ging man wieder in die Stube. Als dieses so oft geschehen war, als sich nötig