Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter. Adalbert Stifter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Adalbert Stifter
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237647
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vor dem Hause von dem Besitzer sein Mittagmahl erhielt.

      Er blieb zwei Stunden hier, dann zäumte er sein Pferd, zahlte seine Bewirtung, und ritt in Begleitung des alten Mannes weiter, der in einer Lederhaube, groben Beinkleidern und großen Waldschuhen mit einem langen Stabe vor ihm herging.

      Sie trafen von dem Hause ihrer Herberger weg noch einige andere kleine Häuser mit Wiesen und Feld, sämtlich von Holz. Dann führte ihr Weg sie wieder in den Wald.

      Ihre Wanderung ging zwei Stunden noch an der Mihel fort. Da war zuweilen eine Hütte mit gereutetem Lande, oder eine Köhlerstätte, oder ein Holzschlag mit den Holzschlägerhütten, oder gar ein Haus mit einer Säge zu Brettern. Als sie aber zu einem Berge gekommen waren, welcher der Berg des heiligen Oswald geheißen wurde, und als dort der Begleiter Witikos gegen den großen Wald, welcher immer zur Linken war, einbog, traten sie in dichten Wald, der nicht durch ein einziges kleines freies Plätzchen unterbrochen war. Ihre Wanderung dauerte in diesem Walde über zwei Stunden, und ihr Weg führte sie in der Richtung zwischen Mitternacht und Morgen immer sachte aufwärts. Es standen sehr dicke Stämme von Tannen in dem Boden, welcher feucht war, wenig Licht erhielt, und teils Steine teils Untergestrüppe teils grüne Schattenpflanzen trug. Von diesen Stämmen war noch nie einer durch Menschenhände geschlagen worden, weil noch nicht die Not um Holz dazu getrieben hatte, mancher war aus Alter gefallen, oder vom Blitze zerstört worden, eine andere Beschädigung war nicht sichtbar, weil auch Winde in die Tiefe dieses Waldes nicht eindringen konnten.

      Als die Sonne gegen Abend neigte, kamen sie auf der Schneide des Waldes an, und hier war eine freie Stelle. Auf derselben war kein Stäudlein, sondern nur kurzes Gras und große Ganitsteine. Witiko ritt das Pfadlein zwischen den Steinen hinan, bis er auf die Höhe und auf einen Bühel gelangte, der über die Wipfel aller tiefer stehenden Bäume empor ragte. Hier hielt er plötzlich an, und seine Augen konnten weit und breit herum schauen. Er sah mittagwärts auf das Bayerland, das blau mit Wäldern Fluren und offenen Stellen dahin lag bis zu den noch blaueren Alpenbergen, in denen manche Matte mit Schnee glänzte. Gegen Morgen davon sah er auf die Ostmark mit den blauen Fluren und Wäldern und Feldern, in der der junge Leopold herrschte. Es war ein weites Gebiet, das er betrachtete, und zu seinen Füßen lag der Wald, durch den sie herauf gekommen waren, und andere Wälder. Und als Witiko sich gegen Mitternacht wendete, ging der Wald, auf dessen Schneide er stand, so dicht und breit hinab, wie der gewesen war, durch den er herauf geritten war. Und unten floß die Moldau, nicht wie gestern in kurzen Stücken sichtbar, sondern in langen Schlangen von dem oberen Waldlande niederwärts wandelnd. Und jenseits des Wassers lag das Land Böhmen in schönen Wäldern und dann wieder in Wäldern und dann in Gefilden, die mit Gehölz, wechselnd mit nahrungtragenden Fluren, bedeckt waren. Den Wald sah er, auf dem er gestern gestanden war, den Wald, in welchem sich der schwarze See befand, und dann noch weiterhin stark dämmerige Wälder. Auch gegen Morgen war Forst an Forst dahin.

      »Da sollte eine Königsburg stehen«, sagte Witiko.

      »Ja, da könnte ein hoher Herr hausen«, sagte Florian.

      »Der Wald ist weit größer, weit dichter und weit undurchdringlicher«, sagte Witiko, »als der um Heinrichs Wohnung unter den drei Sesseln, und es ist hier weit und frei und herrlich.«

      »Es ist schon einmal etwas da gewesen«, sagte Florian, »nicht eine Wohnung, sondern ein heiliges Ding, eine Betstelle. Es stand da auf dem höchsten Platze das Bild des heiligen Apostels Thomas in einem Häuschen von Tannenholz zur Verehrung aufgerichtet. Es war dies in alten Zeiten, da noch mehr christliche Herren in dem Walde herrschten. Es ist ein großes Geschlecht da gewesen. Dann sind sie aber zu den Tryznen gegangen, die in Böhmen noch abgehalten wurden, das heilige Haus ist weggetragen worden, oder hat es das Feuer verzehrt, oder ist es sonst zu nichte geworden, und der Ort heißt nur mehr der Thomasgipfel.«

      »Wessen ist der Grund, auf dem wir hier stehen?« fragte Witiko.

      »Des Herzogs Sobeslaw von Böhmen«, antwortete Florian, »er kann ihn gebrauchen, oder verschenken, wie er will.«

      »Und in wessen Land wohnest du?« fragte Witiko.

      »Ich bin ein Mann des Herzogs Sobeslaw«, antwortete Florian, »in der reichen Aue da unten gegen den Oswaldberg steht meine Waldhütte mit Wiese und Vieh. Wir haben weithin keine Nachbarn, und müssen lange gehen, um zur Mihel zu kommen. Wir sind aber keines Herrn Gefolge als des Herzogs, und wir gehören zur Zupe Daudleb, die wohl sieben Stunden von hier an der Malsch in der Richtung ist, in welcher Ihr immer hinschaut.«

      »Ja, ich schaue in dieser Richtung«, sagte Witiko, »aber laß uns weiter gehen.«

      Er lenkte sein Pferd auf das Pfadlein jenseits des Bühels abwärts.

      Sie kamen wieder in einen Wald, der so schön und dicht war, wie der, durch den sie herauf gekommen waren.

      Als eine Stunde vergangen war, und die Dämmerung schon anfing, gelangten sie an das Wasser der Moldau hinab.

      »Das ist die Moldau«, sagte Florian.

      »Sei mir gegrüßt, du dunkles Wasser, das ich so lange nicht gesehen habe«, sagte Witiko.

      Sie überschritten die Moldau auf einer schmalen Brücke, und stießen jenseits auf einen niederen langen Hügel.

      »Das ist der Friedberg«, sagte Florian, »und hier werden wir die Nachtruhe halten.«

      Sie stiegen den Hügel, welcher Wiesen und kleine Feldei trug, hinan, und trafen oben mehrere Häuser. Sie waren alle von Holz mit breiten Dächern. Eines aber war von Stein, und hatte einen sehr starken runden steinernen Torbogen. Zu diesem Hause leitete Florian den Reiter, der Herr des Hauses kam heraus, und geleitete sie in das Innere.

      In dem Hause mit dem runden Steintorbogen hielten Witiko, der Alte und das Pferd die Nachtruhe.

      Als die Sonne aufgegangen war, rüsteten sie sich zur Weiterreise. Witiko hatte Florian gebeten, ihn bis an das Ende des Waldes zu führen, und dieser hatte eingewilligt. Da Witiko sagte, daß er an der Moldau reiten wolle, gingen sie wieder über die Brücke, und schlugen einen Saumweg an dem Wasser gegen Morgen ein. Sie zogen zwei Stunden lang durch dichten nassen niederen Wald. Dann kamen sie zu einer Stelle, an welcher steile Felsen neben dem Wasser emporragten. Die Moldau floß rauschend und tosend durch das Gestein. Florian und der Reiter kletterten durch die Blöcke, dann kamen sie wieder in ebneren Wald. Nach einer Stunde gelangten sie an den Platz, an welchem die Moldau ihren Lauf nach Morgen abbricht, und ihn nach Mitternacht wendet. Und wieder nach einer Stunde trafen sie an dem Orte ihrer Mittagsruhe ein. Es standen mehrere Häuser an der Moldau. Eines nahm sie auf. Witiko sah, daß hier die Moldau einen Kreis mache, und gleich hinter ihm eine lange Schleife zog. An dem Kreise standen gegen Mitternacht Steinhöhen, und zogen sich in die Schleife. Witiko sagte, daß man auf den Steinen eine Burg bauen könnte, welche durch das Wasser wohl gesichert wäre. Er betrachtete den Platz mit Aufmerksamkeit.

      Als sie zwei Stunden geruht hatten, zogen sie mitternachtwärts an der Moldau weiter. Die Waldberge wurden kleiner und geteilter, und mancher Rücken ging mitternachtwärts hinaus. Nach vier Stunden erreichten sie die Stelle ihrer Nachtherberge.

      »Das ist die krumme Au«, sagte Florian, »und da wäre eine Burg noch schöner als auf dem Berge der Rosen, den Ihr so lange angeschaut habt. Die Moldau macht einen Ring, dann macht sie außerhalb desselben einen zweiten verkehrten, und dann noch einen größeren, der wieder verkehrt ist, und an ihm stehen gerade Felsen empor.«

      Er leitete den Reiter in eines der Häuser, die in der krummen Au standen.

      Ehe am andern Morgen die Sonne aufging, stieg Witiko auf den Felsen, und sah alles an. Dann stieg er wieder nieder, rüstete sein Pferd, und sie zogen weiter.

      Die Waldberge wurden wieder niederer, die Moldau machte noch manche Schleife, und da sie drei Stunden an ihr gewandert waren, ging sie in die waldlose Ebene hinaus.

      Witiko wendete sein Pferd, und blickte auf den Wald zurück. Dann dankte er dem Führer und lohnte ihn. Der Führer ging mittagwärts in den Wald zurück, und Witiko ritt mitternachtwärts weiter.

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