»Ich werde dir schon meine Schicksale erzählen, Odilo«, sagte Witiko, »aber jetzt ist mir daran gelegen, zu dem Bischofe zu gelangen.«
»Wenn ich sagte, daß ich nicht eine große Freude habe, Euch wieder zu sehen«, antwortete der Mann, »so wäre es eine Lüge. Und zu dem hochehrwürdigen Bischofe werde ich Euch weisen; denn er schenkt mir das Vertrauen, das mir der selige Herr Regimar geschenkt hat. Und ist denn der Krieg aus, in welchem Ihr gewesen seid?«
»Jetzt ist er aus«, sagte Witiko, »und ich weiß, daß du in dem Hause als der Torwart viel giltst, und du wirst uns das Tor öffnen, daß wir einreiten, die Pferde unterbringen, und zu dem hochehrwürdigen Bischofe gehen können.«
»Ja«, sagte der Mann, »und ich habe mit dem hocherhabenen Bischofe von Euch gesprochen, wie Ihr klug gewesen seid, und tapfer sein werdet. Und wenn Ihr meint, daß ich einem Freunde, der an mein Tor klopft, die Gastlichkeit verweigere, so irret Ihr Euch.«
Er wendete sich in dem Türchen um, und rief nach innen: »Hans!«
»Ja«, ertönte im Innern eine sehr starke Stimme.
»Schließe auf«, sagte der Torwart.
Hierauf rasselten hinter dem Tore Eisenstangen, der andere Flügel, in welchem sich kein Türlein befand, wurde geöffnet, und ein sehr großer junger Mann stand an dem Flügel. Er hatte wie der Torwart ein veilchenfarbenes Mäntelchen, aber auf seinem Haupte war eine Eisenhaube, um seine Brust ein Harnisch, und an seinen Beinen Schienen.
Witiko und seine Begleiter ritten an dem Manne vorüber in einen großen Hof. Dort hielten sie an, und stiegen von den Pferden. Der Torwart und der junge Mann gingen ihnen nach.
»Hans«, sagte der Torwart, »rufe die Stallbuben, und gehe zu Rudolph, dem Steiner.«
Der junge Mann rief gegen die Vertiefung des Hofes, und ging dann in das Gebäude.
Es kamen drei Stallbuben, und wollten die Pferde hinwegführen.
»Wartet noch«, sagte Witiko.
Die Stallbuben und alle andern blieben bei den Pferden stehen.
Hans kam wieder aus dem Gebäude, und ein ritterlich gekleideter junger Mann ging neben ihm.
Da sie herzu gekommen waren, sagte der Torwart: »Dieser ist der Schüler Witiko, und sie haben für den hochehrwürdigsten Bischof Nachrichten. Ich empfehle Witiko.«
»Sei mir gegrüßt, du treues Blut«, sagte der ritterlich gekleidete Mann.
»Sei gegrüßt, Rudolph«, sagte Witiko, »wir sollten zu dem hochehrwürdigen Bischofe.«
»Wir sind nicht mehr in der Schule des Bischofes, Witiko«, antwortete Rudolph, »aber einer sollte den andern so lieben wie damals, und ich liebe dich, Witiko. Gehe nur mit deinen Knappen über die Treppe zu der Rathalle, und von ihr in den roten Saal, und dort harre. Morgen werden wir mit einem Feste den Gruß erst recht begehen, weil du wieder da bist.«
»Das werden wir tun«, sagte Witiko.
Nachdem dieses gesprochen war, ging Rudolph wieder durch eine Tür in das Gebäude zurück.
Witiko sagte zu den Stallbuben: »Jetzt zeigt uns den Weg zur Unterbringung der Pferde.«
Die Buben zeigten den Weg, und halfen die Pferde in den Stall führen.
Als die ersten Notwendigkeiten geschehen waren, sagte Witiko zu seinen Begleitern, sie mögen ihm folgen.
Er ging mit ihnen wieder in den Hof hinaus. Dort stand noch der Torwart und Hans.
»Ich danke dir, Odilo«, sagte Witiko, »was nun ferner sein muß, weiß ich schon.«
»Ich habe eingerichtet, daß alles für dich gut wird«, sagte der Torwart.
»Das ist gut«, antwortete Witiko.
Nach diesen Worten ging der Torwart in ein Gemach, das neben dem Torbogen war. Hans schloß den Flügel des Tores, und stieg über eine Treppe neben dem Tore in ein Gemach empor.
Witiko aber führte seine Begleiter durch die Tür, durch welche Rudolph in das Gebäude gegangen war, in eine große Halle. Von der Halle führte Witiko seine Begleiter über eine breite Stiege in einen Gang empor. In dem Gange wandelten sie eine Strecke weiter. Dann öffnete Witiko eine hohe Tür, und sie kamen durch dieselbe in ein Gemach, in welchem viele Stühle und Tische waren. Von dem Gemache gingen sie in einen großen Saal. Der Saal war mit rotem Marmor gepflastert. An seinen Wänden waren Bänke von gelben Pölstern. Sonst enthielt er nichts. Er hatte drei Türen. Durch eine war Witiko gekommen, die andere war geschlossen, und durch die dritte, welche offen war, sahen sie in eine große Stube mit vier Fenstern, deren Wände mit roter abgeblaßter Seide beschlagen waren, und die viele Bänke und Gesiedel von gleicher Seide enthielt. Die Fenster des Saales und der Stube sahen auf die Berge, die an dem jenseitigen Ufer des Flusses Inn standen.
In dem Saale wartete Witiko.
Nach einer Weile kam aus der Seidenstube ein Mann heraus, der eine hohe Gestalt, braune Haare, einen braunen Bart und ein längliches Angesicht hatte. Er war in ein weites veilchenblaues Gewand gekleidet, und trug über demselben eine goldene Kette und ein goldenes Kreuz. Hinter ihm gingen zwei Männer in priesterlichen Kleidern. Der Mann sah Witiko und seine Begleiter an. Dann gab er den zwei Männern, die hinter ihm waren, ein Zeichen zur Entfernung. Die zwei Männer öffneten die geschlossene Tür, und gingen durch dieselbe in ein weiteres Gemach.
Da dieses geschehen war, trat der Mann in dem braunen Gewande, der mit Witiko gekommen war, gegen den mit der goldenen Kette vor, und stand ein Weilchen vor ihm.
Dann nahm er die Haube von seinem Haupte, und sprach mit laut tönender Stimme: »Hochehrwürdiger Bischof von Passau, hochedler Graf von Peilstein und Hagenau, ehrwürdiger geweihter Priester Regimbert! ich komme zu dir in dem Gewande Jakobs, da er in der Wüste auf der Flucht war.«
»Hochehrwürdiger Bischof und teurer Bruder Zdik«, antwortete der Bischof von Passau, »und wenn du in dem Gewande des Lazarus kämest, so wärest du der Herr dieses Hauses. Sei gegrüßt.«
Er legte die Hände auf die Schultern des Mannes in dem braunen Gewande, und küßte ihn auf die Stirne. Der Mann in dem braunen Gewande legte dann auch die Hände auf die Schultern des Bischofes, und küßte ihn auch auf die Stirne.
Dann sagte er: »Ich will nicht der Herr des Hauses sein, sondern ich bitte nur, daß ich den Panzer und das Schwert, welche ich durch Tage und Nächte unter diesem Kleide trage, ablegen darf, daß ich in einfältigen Kleidern gehe, daß dein Dach über meinem Haupte sei, daß ich die geringe Speise genieße, die mein Körper bedarf, und daß ich in deiner Kirche zu Gott bete.«
»Lebe, wie du es wünschest, und wie ich dich ehre«, sagte der Bischof von Passau. »Und du, Witiko, hast dich der Mühe unterzogen, den hochehrwürdigen Bischof zu mir zu geleiten. Sei gegrüßt.«
Witiko antwortete: »Der hochehrwürdige Bischof und Abt Silvester hat zu mir gesagt, ich solle in Demut vor Gott dem Herrn handeln, und ich hätte jeden Verfolgten des Weges geführt, und hätte ihn geschützt, um wieviel mehr den hohen Bischof Zdik, den ich verehre. Ich bin nebst meinem Knechte, der da steht, mit ihm geritten.«
»So gehe mit mir in meine Stube, hochehrwürdiger Bruder Zdik, und du auch, Witiko, bis eure Wohnung bereitet ist«, sagte der Bischof von Passau.
Witiko sprach zu Raimund: »Du hast gesehen, was geschehen ist, gehe nun zu unsern Tieren, sie zu pflegen, und sei dessen gewärtig, was ich dich weiter heißen werde.«
Raimund ging durch die Tür hinaus.
Der Bischof von Passau berührte den Ärmel an dem braunen Gewande Zdiks, und führte ihn an diesem Ärmel in die Stube von Seide. Witiko folgte. In der Stube führte der Bischof seinen Gast zu einem rotseidenen Stuhle, über dem ein Seidendach war, und nötigte ihn, dort nieder zu sitzen. Witiko wies er ein anderes seidenes Gesiedel an. Witiko setzte sich auch. Der Bischof aber ging zu einer silbernen Glocke, die an einem silbernen