»Werden Sie aus diesem ganzen Theater eigentlich noch klug?« fragte Rander, nachdem das Besatzungsmitglied gegangen war, das sie unter Deck geführt hatte.
»Ich frage mich, Sir, woher das Schnellboot von dem Schlauchboot wußte«, antwortete Josuah Parker. »Und in diesem Zusammenhang frage ich mich erneut, wer die junge Dame sein mag.«
»Und ich frage mich, was das für Männer hier an Bord sein mögen. Ziemlich ungewöhnlich, mit Maschinenpistolen herumzurennen. Wenn ich daran denke, daß wir Conwells Tod aufklären wollten... Na, mit diesen verrückten Abenteuern habe ich wirklich nicht gerechnet.«
»Ob man uns zurück an die amerikanische Küste bringen wird, Sir?«
»Keine Ahnung. Inzwischen ist es draußen dunkel geworden. Ich denke, wir sollten uns mal wieder oben an Deck sehen lassen.«
Während Mike Rander noch sprach, ging er zur Kabinentür, um sie zu öffnen. Er erlebte eine äußerst herbe Enttäuschung, denn die Tür war verschlossen.
»Eingesperrt«, rief er wütend seinem Butler zu. »Das schlägt doch dem Faß den Boden aus, Parker. Ich hab’s ja gleich geahnt, daß wir vom Regen in die Traufe geraten sind. Vielleicht handelt es sich um die Leute, die uns schon einmal umbringen wollten: «
»Darf ich einmal sehen, Sir?«
Parker ging zur Tür und beschäftigte sich intensiv mit dem einfachen Schloß. Dann ließ er sich auf den Rand einer Koje nieder und schlug ein Bein über das andere. Mit schnellen, geschickten Händen drehte er den Absatz seines schwarzen Schuhs zur Seite und holte aus dem Hohlraum darunter ein kleines Besteck aus solidem Stahl.
»Falls die Tür nicht mittels eines Riegels verschlossen wurde, Sir, werde ich sie innerhalb weniger Sekunden öffnen können«, sagte er dann und ging zurück zur Tür. Nun, Parker hatte nicht übertrieben. Es dauerte wirklich nur Sekunden, bis sein Spezialbesteck aus dem Schuhabsatz die Tür bezwungen hatte. Das Schloß ließ sich willig öffnen, Parker drückte die Tür vorsichtig auf.
»Darf ich mir erlauben vorauszugehen?« fragte er. Dann, ohne Mike Randers Einwilligung abzuwarten, nahm Parker seinen Universal-Regenschirm in die Hand und marschierte los.
Rander folgte ihm natürlich. Er war nicht nur verärgert, er war geradezu wütend. Er wollte endlich wissen, woran er war. Seit langen Stunden wurden er und sein Butler gestoßen und herumgehetzt. Für seine Begriffe wurde es höchste Zeit, verschiedenen Leuten endlich mal die eigenen Zähne zu zeigen.
Parker pirschte sich bereits am Niedergang vorbei, der hinauf an Deck führte. Er hatte leise Stimmen gehört. Sie kamen aus Richtung der Bugkabine, die hinter dem Niedergang lag.
Die Besatzung des Schnellbootes hatte keine Wachen aufgestellt. Man glaubte wohl, Rander und Parker seien sehr sicher untergebracht. Deshalb gelang es den beiden Männern auch, ungestört an die Tür der Bugkabine heranzukommen.
Die Lüftungsschlitze in der Tür waren erfreulicherweise geöffnet. Das Stimmengewirr, das bisher zu hören gewesen war, verdichtete sich zu Einzelstimmen.
Rander und Parker bauten sich entspannt vor der Tür auf und mißachteten bewußt die Gesetze der Erziehung, die es verbieten, an Türen zu lauschen. Schließlich wollten sie ja herausbekommen, mit wem sie es zu tun hatten.
»... natürlich sind es keine Sportfischer«, sagte die junge Dame gerade. »Wie sie auf die Insel kamen, weiß ich nicht. Aber auf der anderen Seite haben sie mir immerhin aus der Patsche geholfen.«
»Ob es sich um Konkurrenten handelt?« fragte eine glatte Männerstimme.
»Schwer zu sagen, Herb«, erwiderte die Frau. »Aber rätselhaft bleiben sie. Dieser eigenartige Butler geht mir nicht aus dem Kopf. Dieser Mann hat es faustdick hinter den Ohren.«
»Was sollen wir also tun, Judy?« fragte Herbs Stimme.
»Könnte man sie nicht einfach in Nassau an Land setzen und unter Beobachtung halten?«
»Was wissen Sie von der Insel? Darauf kommt es an«, erwiderte Herb mit glatter Stimme.
»Keine Ahnung«, gab Judy zurück. »Ich selbst weiß es ja auch nicht. Bevor ich nahe genug an das Wrack herankam, wurde ich leider entdeckt. Was aus Hilton geworden ist, kann ich nicht sagen. Ich verlor den Kontakt zu ihm. Hoffentlich ist nichts passiert.«
»Man sollte einfach massiv auftreten und die Insel überrennen«, meinte Herb, und seine eben noch glatte Stimme klang plötzlich gereizt. »Ich traue diesen Schatzsuchern nicht, Judy. Ich möchte wetten, daß sie ganz andere Dinge planen.«
»Weshalb wären wir sonst hier?« fragte Judy ironisch zurück. »Weshalb hätte man sonst Jagd auf Hilton und auf mich gemacht? Die Männer auf der Insel sind mehr als nur Gangster.«
»Bleibt das Problem Rander und Parker«, sagte Herb.
»Ich bin dafür, sie in Nassau an Land zu setzen. Es wird sich doch irgendein Vorwand finden, sie zu isolieren.«
»Und wie stellst du dir das vor, Judy?« fragte Herb zurück.
»Das ist deine Sache, Herb«, erwiderte Judy. »Dir wird schon was einfallen. Es handelt sich doch nur um ein paar Tage.«
»In Ordnung, ich werde mir also etwas einfallen lassen«, schloß Herb.
Genau zu diesem Zeitpunkt öffnete Parker aus einer inneren Eingebung heraus die Tür und betrat die Kabine.
»Vielleicht, Sir, können wir Ihnen beim Nachdenken behilflich sein«, schlug der Butler in seiner unwiderstehlich höflichen Art vor. »Ich bin sicher, daß wir zu einem gemeinsamen Entschluß kommen werden.«
Herb, ein schlanker, drahtiger Mann von etwa vierzig Jahren mit einem kantigen, energischen Gesicht starrte den Butler wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt an.
Judy hingegen, die attraktive Frau aus dem Schlauchboot, reagierte blitzschnell und ohne jede Verblüffung. Sie trug jetzt ein einfaches Kleid, aber sie trug auch einen automatischen Revolver, den sie schußbereit in der Hand hielt und dessen Mündung auf Parker gerichtet war...
*
»Wir wurden durchaus gewollt Zeugen Ihrer interessanten Unterhaltung, Madam«, sagte Rander, sich ausschließlich an Judy wendend.
»Wie lange horchen Sie bereits an der Tür?« fragte sie kühl. »Sie hätten es besser nicht getan!«
»Sind Sie sich darüber klar, Madam, daß eine Schußwaffe, wie Sie sie in der Hand halten, durchaus losgehen kann?« schaltete sich Josuah Parker gemessen und würdevoll ein. »Sie wollen doch nicht etwa harmlose Sportfischer, die in Not geraten sind, massiv bedrohen?«
»Nehmen Sie die Waffe runter, Judy«, sagte Herb, der drahtige, schlanke Mann.
»Haben wir’s vielleicht mit irgendwelchen behördlichen Organen zu tun?« tippte Rander an.
»Und wenn...?« Herb lächelte zurückhaltend.
»Dann dürften wir in einem Boot sitzen«, redete Mike Rander weiter und nahm leger in einem der herumstehenden Sessel Platz, ohne weiter auf die Schußwaffe zu achten. »Mr. Parker, mein Butler und ich, wir sind Privatdetektive.«
»Ach nee...!« Herbs Lächeln erlosch.
»So etwas habe ich mir fast schon gedacht«, sagte Judy, die endlich die Waffe senkte.
»In bin Anwalt in Chikago, dort ist auch meine Privatlizenz ausgestellt worden«, sprach Mike Rander weiter. »Das trifft auch für meinen Butler zu.«
»Sind Sie tatsächlich ein Butler?« fragte Judy mißtrauisch und sah Parker forschend an.
»Ich hoffe, Sie nicht zu sehr enttäuscht zu haben, Madam«, antwortete der Butler und lüftete höflich seine schwarze Melone. »Ich weiß, daß Butler in Filmen erheblich anders aussehen.«
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