Gesammelte Werke von Sir Arthur Conan Doyle: 52 Krimis & Historische Romane in einem Band. Arthur Conan Doyle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Arthur Conan Doyle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075836083
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der Aufsicht eines weißen Mannes nebst zwei oder drei Eingeborenen übergeben. Ich erhielt Befehl, mit zwei Sikhs wahrend gewisser Stunden in der Nacht eine kleine, abgelegene Thür auf der Südwestseite der Festung zu bewachen. Wenn irgend etwas Verdächtiges auftauchte, sollte ich meine Muskete abfeuern, worauf dann sogleich von der Hauptwache Hilfe herbeikommen würde. Ob diese im Fall eines Angriffs aber noch rechtzeitig eintreffen konnte, schien mir sehr zweifelhaft; denn die Hauptwache war gute zweihundert Schritt entfernt und viele Säle und Irrgänge lagen dazwischen. – Ich war übrigens nicht wenig stolz, als mir dies kleine Kommando übertragen wurde, da ich doch nur ein Rekrut war und noch dazu ein Hinkebein. Zwei Nächte bezog ich den Wachtposten mit den beiden Söhnen des Pendschabs. Es waren große, wild aussehende Bursche: Mahomet Singh und Abdullah Khan hießen sie, beides alte Kriegsleute, die bei Chilian Wallah gegen uns gefochten hatten. Sie sprachen ziemlich gut Englisch, aber ich konnte wenig aus ihnen herauskriegen. Sie zogen es vor, die ganze Nacht beisammen zu stehen und ihr wunderliches Kauderwälsch zu plappern. Ich, für meine Person, stellte mich an den Thorweg, und schaute auf den breiten, gewundenen Fluß und nach den blitzenden Lichtern der großen Stadt hinüber. Der Trommelschlag, das Gerassel des Tamtams und das Gejohle und Geheul der Rebellen, die von Opium und von Schnaps betrunken waren, erinnerten uns die ganze Nacht über an unsern gefährlichen Nachbar, jenseits des Flusses. Alle zwei Stunden pflegte ein Offizier, der die Nachtwache hatte, bei sämtlichen Posten die Runde zu machen, um sich zu überzeugen, daß alles in Ordnung sei.

      »Die dritte Nacht meiner Wache war finster und regnerisch. Es war kein Vergnügen, bei solchem Wetter eine Stunde nach der andern am Thor zu stehen. Ich versuchte immer wieder meine Sikhs zum Sprechen zu bringen, aber mit wenig Erfolg. Um zwei Uhr morgens kam die Runde vorbei; das unterbrach doch wenigstens die Langeweile der Nacht. Da ich sah, daß meine Gefährten sich in keine Unterhaltung einlassen wollten, zog ich meine Pfeife hervor und legte die Muskete aus der Hand, um ein Zündholz anzustreichen. Im nächsten Augenblick fielen beide über mich her. Der eine ergriff mein Gewehr und zielte nach meinem Kopf, während der andere mir ein großes Messer an die Kehle setzte und mit grimmiger Miene schwor, er würde mir’s in den Leib stoßen, wenn ich auch nur ein Glied rührte.

      Mein erster Gedanke war, daß die Kerle mit den Rebellen unter einer Decke wären, und dies der Anfang eines Ueberfalls sei. Wenn die Sepoys unser Thor in Händen hatten, mußte sich der Platz ergeben, und mit Weibern und Kindern wurde verfahren wie in Cawnpore. »Bei dem Gedanken öffnete ich schon den Mund, um einen Hilferuf auszustoßen, und wenn es mein letzter wäre. Der Mann, der mich festhielt, schien zu erraten, was in mir vorging, denn er flüsterte mir rasch zu: ›Macht keinen Lärm; die Festung ist nicht in Gefahr; hier diesseits vom Fluß giebt’s keine Rebellen.‹

      »Es klang, als ob er die Wahrheit spräche; daß ich ein toter Mann war, sobald ich losschrie, konnte ich in des Kerls schwarzen Augen lesen. So schwieg ich denn und wartete ab, was sie von mir wollten.

      »›Hört mir zu, Sahib,‹ sagte Abdullah Khan, der größere und wildere von beiden; ›entweder Ihr thut jetzt ruhig mit, oder wir müssen Euch für immer still machen. Die Sache ist viel zu wichtig, als daß wir uns lange besinnen könnten. Ihr müßt Euch uns mit Leib und Seele ergeben bei Euerm Eid auf das Christen-Kreuz, oder wir werfen Euern Leichnam diese Nacht in den Festungsgraben, und gehen über zu unsern Brüdern in der Rebellenarmee. Einen Mittelweg giebt’s nicht. Was wählt Ihr – Tod oder Leben? Ihr habt nur drei Minuten Bedenkzeit; denn alles muß geschehen sein, ehe die Runde wieder kommt.‹

      »›Wie kann ich mich entscheiden,‹ versetzte ich, ›bevor ich weiß, was ihr von mir verlangt? – Das eine sage ich euch: wenn es die Sicherheit des Platzes gefährdet, will ich nichts damit zu thun haben; dann mögt ihr mich mit euerm Messer abfertigen – nur zu.‹

      »›Mit der Festung hat’s nichts zu schaffen,‹ sagte er. ›Wir fordern nur von Euch, daß Ihr reich werden sollt. Das ist’s ja, wozu alle Eure Landsleute hier herüber kommen. Wenn Ihr mit uns gemeinsame Sache macht, so schwören wir Euch auf dies blanke Messer und bei dem dreifachen Eid, den kein Sikh jemals gebrochen hat, daß Ihr Euern gerechten Anteil von der Beute haben sollt. Ein Viertel des Schatzes soll Euer sein. Damit seid Ihr gewiß einverstanden.‹

      »›Aber was ist denn das für ein Schatz?‹ fragte ich; ›ich habe ganz und gar nichts dawider, reich zu werden, sagt mir nur, wie’s geschehen kann?‹

      »›So wollt Ihr schwören bei den Gebeinen Eures Vaters, bei der Ehre Eurer Mutter, bei dem Kreuz Eures Glaubens, gegen uns keine Hand zu erheben und kein Wort zu verraten, weder jetzt noch später?‹

      »›Das will ich schwören,‹ versetzte ich, ›wenn ihr nichts gegen die Festung vorhabt.‹

      »›Dann schwören wir, ich und mein Kamerad, daß Ihr den vierten Teil des Schatzes haben sollt, der gleichmäßig unter uns Vier verteilt werden wird.‹

      »›Wir sind ja nur drei,‹ warf ich ein.

      »›Dost Akbar muß auch seinen Anteil haben. Wir können Euch die Geschichte erzählen, während wir hier warten. – Stell’ du dich ans Thor, Mahomet Singh, und gieb uns ein Zeichen, wenn sie kommen! – Ich weiß, daß ein Schwur den Fremden bindet und wir uns auf Euch verlassen können, Sahib. Währet Ihr ein verlogener Hindu, so hättet Ihr bei allen Göttern in ihren falschen Tempeln schwören können, Euer Blut wäre doch auf dem Messer und Euer Leib im Graben gewesen. Aber der Sikh kennt den Engländer und der Engländer kennt den Sikh. So hört denn, was ich Euch zu sagen habe: In den nördlichen Provinzen lebt ein Rajah, der große Reichtümer besitzt, obgleich sein Land nur klein ist. Viel ist von seinem Vater auf ihn gekommen, und mehr noch hat er selbst zusammengebracht; denn er ist von gemeiner Natur, und häuft sein Gold auf, statt es zu gebrauchen. Als die Unruhen ausbrachen, wollte er mit dem Löwen Freund sein und mit dem Tiger – mit dem Sepoy und mit dem Engländer. Bald schien es ihm jedoch, daß es mit dem weißen Manne zu Ende gehe, denn man hörte im ganzen Land nur von der Niederlage und dem Tode der Europäer. Der Nasah aber war vorsichtig; er machte seine Pläne so, daß ihm, was auch immer kommen mochte, wenigstens die Hälfte von seinen Reichtümern bleiben mußte. Alles Gold und Silber behielt er in den Gewölben seines Palastes; aber die kostbarsten Steine und seltensten Perlen, die er hatte, that er in einen eisernen Kasten, den er einem vertrauten Diener übergab. Dieser soll nun, als Kaufmann verkleidet, den Schatz nach der Festung von Agra bringen, um ihn dort zu verwahren, bis wieder Ruhe im Lande ist. Siegen dann die Rebellen, so behält er sein Gold; bekommen die Engländer die Oberhand, so hat er seine Juwelen gerettet. Nachdem er so seine Schätze geteilt hatte, trat er der Sache der Sepoys bei, weil sie an seinen Grenzen stark waren. Dadurch aber, das seht Ihr wohl ein, Sahib, wurde seine Habe das rechtmäßige Eigentum derjenigen, die ihrer Fahne treu geblieben sind.‹

      »›Jener angebliche Kaufmann, der unter dem Namen Achmet reist, befindet sich nun in der Stadt Agra und wünscht in die Festung zu gelangen. Er hat meinen Stiefbruder Dost Akbar, der sein Geheimnis kennt, als Reisegefährten bei sich. Dost Akbar hat versprochen, ihn diese Nacht nach einem Seitenthor der Festung zu führen und hat das unsrige für seinen Zweck ausgewählt. Hier werden Mahomet Singh und ich ihn erwarten. Der Platz ist einsam und niemand weiß von seinem Kommen. Die Welt wird nichts mehr von dem Kaufmann Achmet hören, aber der große Schatz des Rajah wird unter uns geteilt. Was sagt Ihr dazu, Sahib?‹

      »In Worcestershire gilt das Leben eines Menschen für heilig und unantastbar; aber man sieht die Sachen ganz anders an, wenn ringsum Feuer und Mord wütet und man’s gewohnt worden ist, dem Tode an allen Ecken zu begegnen. Ob Achmet, der Kaufmann, lebte oder starb, fiel für mich gar nicht ins Gewicht; während Abdullah sprach, hatte sich mein Herz dem Schatz zugewandt und ich dachte, was ich wohl in der alten Heimat damit thun könnte, und wie meine Leute staunen würden, wenn ihr Thunichtgut mit den Taschen voll Goldstücken wiederkäme.

      »Ich war daher schon mit mir eins; der Sikh aber, dem es scheinen mochte, als könnte ich nicht zum Entschluß kommen, drang immer mehr in mich.

      »›Bedenkt, Sahib,‹ sagte er, ›wenn dieser Mann dem Kommandanten in die Hände fallt, wird er gehängt oder erschossen und die Regierung steckt seine Juwelen ein, so daß kein Mensch dadurch nur um eine Rupie reicher wird. Nun, wenn wir ihn greifen, warum sollten