Die erste Nachricht, die Heraklius aus dem Osten empfing, war die des Verlustes von Antiochia; aber diese alte, so oft von Erdbeben zertrümmerte und von den Feinden geplünderte Metropole konnte nur wenig Reichtum und Blut liefern. Gleich siegreich aber glücklicher waren die Perser in der Plünderung von Cäsarea, der Hauptstadt von Kappadokien, und je weiter sie über die Bollwerke der Grenze, die Landmarken alter Kriege, vordrangen, fanden sie minder hartnäckigen Widerstand und reichere Ernte. Das schöne Tal von Damaskus war in allen Jahrhunderten mit einer königlichen Stadt geschmückt gewesen; ihr verborgenes Glück hat sie bisher dem Geschichtsschreiber des römischen Reiches entzogen. Chosroes aber ließ seine Truppen in dem Paradiese von Damaskus ausruhen, ehe er nach den Bergen des Libanon emporstieg oder gegen die Städte der phönizischen Küste zog. Die Eroberung von Jerusalem, die Nushirwan im Sinne gehabt hatte, wurde durch den Eifer und die Habsucht seines Enkels vollzogen. Die unduldsamen Magier drangen mit Ungestüm auf die Vernichtung des stolzesten Denkmals des Christentums, und er konnte zu diesem heiligen Kriege auch eine Schar von sechsundzwanzigtausend Juden verwenden, deren wütender Fanatismus ihren Mangel an Tapferkeit und Heereszucht zum Teile ersetzte. Nach der Bezwingung von Galiläa und dem Lande jenseits des Jordan, dessen Widerstand das Schicksal der Hauptstadt verzögert zu haben scheint, wurde Jerusalem selbst im Sturm genommen. Das Grab Christi und die prachtvollen Kirchen der Helena und Konstantins wurden von den Flammen verzehrt oder wenigstens beschädigt. Die frommen Gaben dreier Jahrhunderte wurden an einem einzigen Freveltage geraubt. Der Patriarch Zacharias und das Kreuz wurden nach Persien verschleppt, und man schrieb die Niedermetzelung von neunzigtausend Christen den Juden und Arabern zu, die die Unordnung des persischen Zuges vergrößern halfen. Die Flüchtlinge von Palästina wurden in Alexandria durch die Mildtätigkeit des Erzbischofs Johann, der sich unter einer Schar von Heiligen durch den Beinamen der Almosengeber auszeichnet, unterstützt und die Einkünfte der Kirchen nebst einem Schatze von dreihunderttausend Pfund ihren wahren Eigentümern, den Armen jedes Landes, zurückgegeben. Aber Ägypten selbst, die einzige Provinz, die seit der Zeit des Diokletian von auswärtigem und innerem Kriege verschont geblieben war, wurde abermals von den Nachfolgern des Cyrus unterjocht (616). Pelusium, der Schlüssel dieses unzugänglichen Landes, wurde von der Reiterei der Perser überrumpelt; sie übersetzten ungestraft die unzähligen Kanäle des Deltas und durchzogen das lange Niltal von den Pyramiden von Memphis bis an die Grenzen von Äthiopien. Alexandria hätte durch eine Flotte Beistand erhalten können, aber der Erzbischof und der Präfekt schifften sich nach Zypern ein und Chosroes zog in die zweite Stadt des Reiches, die noch immer Reste ihres Gewerbefleißes und reichen Handels besaß. Sein größtes Siegeszeichen wurde nicht auf den Mauern von Karthago, sondern in der Nähe von Tripolis aufgerichtet. Die griechischen Kolonien von Cyrene wurden vollends zerstört, und der Sieger, in die Fußstapfen Alexanders des Großen tretend, kehrte im Triumphe durch die lybische Wüste zurück. Im ersten Feldzuge drang ein anderes Heer vom Euphrat nach dem trazischen Bosporus vor. Chalcedon ergab sich nach einer langen Belagerung und ein persisches Lager blieb über zehn Jahre in der Nähe von Konstantinopel aufgeschlagen. Die Seeküste von Pontus, die Stadt Ancyra, die Insel Rhodus werden unter den letzten Eroberungen des großen Königs aufgezählt, und wenn Chosroes eine Seemacht besessen hätte, würde er in seinem grenzenlosen Ehrgeiz Sklaverei und Verheerung auch über die europäischen Provinzen verbreitet haben.
Das Reich des Enkels Nushirwans dehnte sich somit plötzlich von den so lange streitig gemachten Ufern des Tigris und Euphrats bis an den Hellespont und Nil, die alten Grenzen der persischen Monarchie, aus. Aber die Provinzbewohner, die durch die jahrhundertelange Gewöhnung Tugenden und Laster der römischen Bürger angenommen hatten, ertrugen mit Widerwillen das Joch der Barbaren. Die Idee einer Republik wurde durch die Einrichtungen oder wenigstens die Schriften der Griechen und Römer lebendig erhalten, und die Untertanen des Heraklius waren durch die Erziehung mit den Worten Freiheit und Recht vertraut geworden. Aber es ist stets der Stolz und die Politik der orientalischen Fürsten gewesen, ihre Titel zur Geltung zu bringen und ihre Allmacht zu entfalten, einem Volke von Sklaven ihren wahren Namen und verächtlichen Zustand vor Augen zu führen und durch grausame und unverschämte Drohungen ihre strengen und willkürlichen Befehle zu verschärfen. Den Christen des Ostens gab die Verehrung des Feuers und die gottlose Lehre von den beiden Urgewalten Ärgernis; die Magier waren nicht minder unduldsam als die Bischöfe, und der Märtyrertod einiger geborener Perser, die der Religion des Zoroaster abtrünnig geworden waren, galt als Vorspiel einer grimmigen und allgemeinen Verfolgung. Durch die drückenden Gesetze Justinians waren die Gegner der Kirche in Feinde des Staates verwandelt worden; der Beistand der Juden, Nestorianer und Jakobiten hatte zum Erfolge des Chosroes beigetragen, und seine parteiische Begünstigung dieser Sektierer erregte den Grimm und die Besorgnisse der katholischen Geistlichkeit. Im Bewußtsein, von seinen neuen Untertanen gehaßt und gefürchtet zu werden, beherrschte sie der persische Eroberer mit eiserner Strenge. Gleichsam an die Dauer seiner Macht nicht glaubend, erschöpfte er ihren Reichtum durch unerschwingliche Steuern und zügellosen Raub, plünderte oder zerstörte die Tempel des Ostens und ließ das Gold, Silber, die kostbaren Marmorstatuten, die Kunstwerke sowie die Künstler der asiatischen Städte in seine Erblande schaffen. Es ist nicht leicht, in dem düsteren Gemälde, das die Drangsale des Reiches bildete, die Gestalt Chosroes' selbst zu erblicken, seine Handlungen von denen seiner Unterbefehlshaber zu trennen oder in dem allgemeinen Glänze, dem Ruhm und der Größe sein persönliches Verdienst zu ermitteln. Er genoß prunkvoll die Früchte des Sieges und zog sich von den Beschwerlichkeiten des Krieges oft in das üppige Leben seines Palastes zurück. Aberglaube oder Groll hielten ihn jedoch vierundzwanzig Jahre davon ab, sich den Toren von Ktesiphon zu nähern, und seine Lieblingsresidenz Artemita oder Dastadscherd lag jenseits des Tigris, ungefähr sechzig Meilen nördlich von der Hauptstadt. Rinderund Lämmerherden bedeckten die umliegenden Weiden, das Paradies oder den Park füllten Fasane, Pfauen, Strauße, Rehe und wilde Eber, und zuweilen wurden für die kühneren Jäger Löwen oder Tiger losgelassen. Neunhundertsechzig Elefanten wurden zum Gebrauche oder Glanze des Großkönigs unterhalten. Zwölftausend große und achttausend kleinere Kamele trugen die Zelte und das Gepäck des Großkönigs ins Feld. In den Ställen standen sechstausend Maultiere und Pferde, von denen Shebdiz und Barid ihrer Schnelligkeit und Schönheit wegen berühmt geworden sind. Sechstausend Leibwachen zogen abwechselnd vor dem Palaste auf. Der Dienst der inneren Gemächer wurde von zwölftausend Sklaven versehen, und von dreitausend der schönsten Jungfrauen Asiens durfte irgendeine glückliche junge Nebenfrau ihren Gebieter über das Alter oder die Gleichgültigkeit der Schirin trösten. Die verschiedenen Schätze an Gold, Silber, Edelsteinen, Seide und Wohlgerüchen wurden in hundert unterirdischen Gewölben aufbewahrt, und das Gemach Badaverd enthielt auch noch das Eigentum des Heraklius, das zufällig günstige Winde in einen der syrischen Häfen seines Nebenbuhlers getrieben hatten. Lobrednerische Dichter ermüdeten nicht, die dreißigtausend reichen Teppiche, welche die Wände zierten, die vierzigtausend Säulen aus Silber oder wahrscheinlicher aus Marmor und mit Silber verkleidetem Holze, die das Dach trugen und die tausend Goldkugeln aufzuzählen, die im Dome aufgehangen waren, um die Bewegungen der Planeten und die Sternbilder des Tierkreises