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Zu viert brachen sie später auf, Corliss, der Oberst, der Mann mit der Wolfsfellmütze und Del Bishop. Schneeklar war die Nacht; vor ihnen lag eine stille, friedliche Straße, und die Luft klirrte von Frost.
»Das war ein Abend! Blut und Schweiß, aber nicht zu wenig!« frohlockte Oberst Trethaway. »Wissen Sie, Corliss, ich bin heute Abend wieder um zwanzig Jahre jünger geworden! Geben Sie mir Ihre Hand. Ich gratuliere Ihnen. Von ganzem Herzen! Die Wahrheit in Ehren, Corliss, das hätte ich Ihnen nicht zugetraut. Es war eine Überraschung für mich, direkt eine Überraschung!«
»Für mich selbst war es auch eine Überraschung«, gestand Vance. Jetzt trat bei ihm der Rückschlag ein. Er fühlte sich plötzlich krank und erbärmlich schwach. »Ich bin mir selbst eine Überraschung gewesen, und vor allem Sie, alter Oberst! Wie Sie mit dem Stuhl losgegangen sind …«
»Ich glaube selbst, das hat nicht schlecht ausgesehen. Haben Sie gesehen, so, von oben …« Er focht in die Luft, in die kalte, stille, schöne Luft, und das sah so komisch aus, dass alle vier in ein großes, befreiendes Lachen ausbrachen.
»Wem habe ich zu danken, meine Herren?« fragte der Mann mit der Wolfsfellmütze, den Corliss gerettet hatte. »Mein Name ist St. Vincent, Doktor Gregory St. Vincent.«
Dabei streckte er den anderen seine Hand zum Abschiednehmen hin.
»Gregory St. Vincent?« fragte Del Bishop mit plötzlich erwachtem Interesse.
»Jawohl, und der Ihre?«
»Das geht Sie einen Dreck an!«
Dabei schoss Bishops Faust vor, und Gregory St. Vincent stürzte schwer in den Schnee.
»Sind Sie verrückt, Mann?« brüllte Corliss.
»Das Stinktier! Ich hätt’s ihm noch besser geben sollen! So ein verfluchter Hundeknochen! … Ist schon gut. Lassen Sie mich los. Ich rühr ihn nicht mehr an. Lassen Sie mich. Ich gehe nach Haus. Gute Nacht.«
Als sie Gregory St. Vincent auf die Beine halfen, musste der Oberst noch einmal lachen. Er schämte sich eigentlich darüber, aber später erklärte er: »Eine Viecherei war es. Aber eben doch so komisch und plötzlich.«
Zunächst machte er sein Lachen wieder gut, indem er es übernahm, Herrn Gregory nach Hause zu schleppen und ins Bett zu legen.
»Hat Sie der Teufel geritten?« fragte Corliss später seinen Mann. »Es war doch alles vorbei; ich glaube, Sie waren verrückt geworden.«
»Habe nichts zu bedauern«, bockte der Goldgräber.
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»Herr Harney? Dave Harney, wenn ich nicht irre?«
Der Bonanza-König nickte, und Herr Gregory St. Vincent wandte sich an Frona.
»Die Welt ist wirklich nicht groß, Fräulein Welse. Denken Sie, Herr Harney und ich sind alte Bekannte.«
Jetzt ging dem Goldkönig ein Licht auf.
»Warten Sie, junger Mann, ich komme schon drauf. Damals waren Sie glatt rasiert. Warten Sie – das war im Jahre sechsundachtzig, dann – Herbst siebenundachtzig, Sommer achtundachtzig – jawohl, damals war es! Im Sommer achtundachtzig kam ich auf meinem Floß den Strom herunter. Ich hatte Elchhäute geladen und hatte es eilig. Aufs Haar wäre mir die ganze Ladung verdorben. Ja, und da kamen Sie in einem Ruderboot vom Lindermansee an. Ich behauptete, es wäre Mittwoch, mein Kamerad sagte Freitag, und Sie behaupteten Sonntag. Jawohl – Sonntag! Stimmt absolut. Vor neun Jahren! Dann haben wir getauscht, Elchbraten gegen Mehl, Backpulver und Zucker! Sakrament, war das eine Freude! Das ist schön, dass wir uns wiedersehen!«
Sie schüttelten einander die Hände, der Alte schlug dem Jungen auf die Schultern.
»Ich habe eine nette kleine Bude oben auf dem Hügel und dann noch eine am Eldorado. Der Schlüssel hängt immer draußen vor der Tür, Sie kommen, wann Sie Lust haben, und bleiben, solange es Ihnen passt. Meine einzige Bedingung ist: bald! Es tut mir leid, heute muss ich gehen, ich wäre gern noch geblieben.«
»Vor neun Jahren waren Sie schon hier, Herr St. Vincent?« fragte Frona erstaunt. »Erzählen Sie doch, damals war das Land ja noch eine vollkommene Wildnis. Was haben Sie da alles erlebt?«
St. Vincent zuckte die Achseln: »Erlebt? Einen elenden Misserfolg, das ist alles, was ich erlebt habe. Nichts, worauf man stolz sein könnte.«
»Einen Misserfolg? Dann müssen Sie doch etwas versucht haben? Was hatten Sie damals für Pläne?«
St. Vincent bemerkte mit Genugtuung, dass Frona sich für ihn interessierte.
»Ich hatte damals die verrückte Idee, möglichst genau auf dem Polarkreis rings um die Welt zu reisen. Im Interesse der Wissenschaft … wissen Sie, ich bin Geograf. Es sollte durch Alaska gehen, auf dem Eis über die Beringstraße, dann durch Nordsibirien nach Europa zurück. Eigentlich war es ein prachtvolles Unternehmen, zum größten Teil führte der Weg über damals noch jungfräuliches Land. Aber die Sache ging schief. Über die Beringstraße kam ich gut hinüber, aber in Ostsibirien hatte ich Pech … alles wegen Tamerlan, wegen dieses mausetoten Tamerlan, das muss ich zu meiner Entschuldigung sagen.«
»Der reinste Odysseus!« rief Frau Sheffield und klatschte in die Hände. »Ein moderner Odysseus, wie romantisch!«
»Aber geizig mit seinen Abenteuern, das war Odysseus nicht«, widersprach Frona. »Auf einmal stocken Sie, Herr St. Vincent, gerade im spannendsten Moment. Wieso hat Tamerlan Ihre Reise gestört?«
Er lachte und hatte offensichtlich keine Lust, von dieser Expedition zu erzählen. Aber er ließ sich von den neugierigen Frauen bewegen, ein Opfer zu bringen.
»Als Tamerlan mit Feuer und Schwert durch Ostasien zog«, berichtete er, »wurden Länder verwüstet, Städte zerstört und Völker wie Staub in die Winde zerstreut. Ein großes Volk wurde aus dem Lande gejagt; die Schwärme von Menschen suchten auf ihrer Flucht vor der sinnlosen Mordlust des Siegers Zuflucht in Sibirien.