»Ich wurde niedergeschlagen, Sir«, gestand Parker verschämt.
»Was. Sie nicht sagen …!« Mike Rander hatte Mühe, nicht herauszuplatzen.
»Dieser betreffende Mann verfügt über einen ungewöhnlichen Punch, Sir …!«
»Tatsächlich, Parker. Brauchen Sie Hilfe?«
»Ich bin schon wieder in Ordnung, Sir«, log nun auch Parker. Immerhin hatte er noch etwas weiche Knie, als sie. zur Mauer liefen. Parker redete kein Wort mehr, bis sie in Randers Leihwagen saßen. Während der Fahrt – Parker saß am Steuer – fiel ihm allerdings auf, daß sein junger Herr sich die Knöchel seiner rechten Hand betastete und massierte.
Parker schaltete blitzschnell.
»Haben Sie sich verletzt, Sir?« erkundigte er sich.
»Wie kommen Sie darauf?«
»Mit Ihrer rechten Hand scheint etwas nicht zu stimmen, Sir, wenn ich in aller Bescheidenheit darauf aufmerksam machen darf …!«
»Ich … ich verrenkte sie mir beim Überklettern der Mauer«, log Mike Rander noch einmal. Da wußte Josuah Parker Bescheid, daß sein Kinn einem Irrtum zum Opfer gefallen war. Jetzt wußte er auch, wieso ihn ein einziger Schlag zu Boden gestreckt hatte. Mike Rander war nämlich ein erstklassiger und hart schlagender Boxer.
Parker verkniff sich eine Bemerkung. Sie hätte nicht zu seinem angeborenen Taktgefühl gepaßt. Er wollte Mike Rander nicht beschämen. Er kam allerdings zu dem Schluß, daß er schon wieder einmal Pech gehabt hatte. Er nahm sich vor, diese Pechsträhne schleunigst abreißen zu lassen. Um die Gangster um Arthur Gilpan zu stellen und zu überführen, brauchte er schließlich eine gehörige Portion Glück. Ganz nebenbei nahm er sich vor, seinen jungen Herrn nie wieder allein zurückzulassen. Parker legte auf weitere Bauch- und Bruchlandungen keinen gesteigerten Wert …!
Die Schlagzeilen in den Morgenausgaben der Zeitungen konnten nicht größer und sensationeller sein …!
Mike Rander studierte die Berichte und Fotos. Er ärgerte sich ganz am Rande wieder einmal darüber, daß Butler Parker alle wichtigen Stellen mit Rotstift dick unterstrichen hatte. Das war Parker einfach nicht auszutreiben. Mit sanfter Beharrlichkeit blieb er bei diesem Verfahren und verschwendete seine Rotstifte.
Parker hatte übrigens nicht übertrieben. Leutnant Branch gab in einem Interview bekannt, Mr. Josuah Parker, der Butler des Strafverteidigers Mike Rander, habe nach dem Attentat mit dem quergespannten Drahtseil die beiden Täter genau erkennen können.
»Leutnant Branch dürfte Ihren Tip nur zu gern auf gegriffen haben«, meinte Mike Rander. »Parker, ich sehe schwarz für Ihre Zukunft.«
»Ich werde ab sofort eine kugelsichere Nylonweste tragen, Sir«, gab der Butler zurück.
»Hoffentlich reicht sie, Parker.« Mike Rander wollte die Zeitung weglegen, sah jedoch erstaunt hoch, als Josuah Parker sich mahnend räusperte.
»Ist noch was?« erkundigte er sich.
»Auf der Innenseite, Sir, existiert noch ein zweiter Artikel, der sich mit einer Schießerei befaßt. Ohne Ihnen vorgreifen zu wollen, Sir, meiner bescheidenen Ansicht nach handelt es sich da um einen wichtigen Hinweis auf unseren Fall.«
Mike Rander folgte dem Rat seines Butlers, schlug die Zeitung noch einmal auf und überflog einen groß aufgemachten Artikel, der von einer Schießerei zwischen Gangstern und der Polizei berichtete.
»Norman Irving heißt also der erschossen aufgefundene Gangster«, sagte Rander nachdenklich. »Können wir mit diesem Namen etwas anfangen, Parker?«
»Im Augenblick nicht, Sir. Laut Bericht gelang es einem zweiten Gangster, die Flucht zu ergreifen. Im Kofferraum des zurückgelassenen Wagens fand die Polizei wichtige Hinweise auf ein Verbrechen.«
»Moment mal, Parker! Sie glauben, es könnte sich um die beiden Gangster handeln, die Ihnen ein Bein stellen wollten?«
»Vielleicht könnten Sie, Sir, die endgültige Gewißheit. schaffen. Ich darf vielleicht anregen, der Polizei von Denver einen Besuch abzustatten.«
»Schaden kann das natürlich nicht, Parker. Sagen Sie, wollen Sie mich los werden?«
»Sir, das würde ich mir niemals gestatten«, erwiderte Josuah Parker gemessen. »So etwas steht mir nicht zu.«
»Schon gut, ich werde zur Polizei fahren. Und was wollen Sie inzwischen tun?«
»Ich müßte mich der Pflege Ihrer Kleidungsstücke widmen, Sir.«
»Falls Ihnen nichts Besseres einfällt, wie?« Mike Rander lächelte. »Parker, versprechen Sie mir, auf alle Extratouren zu verzichten. Sie wissen, wie knapp heutzutage die Butler sind.«
Josuah Parker spürte hinter der Frotzelei seines jungen Herrn durchaus die echte Sorge. Er verbeugte sich, nahm sich ernsthaft vor, ganz friedlich und zurückhaltend zu bleiben und geleitete den Anwalt zur Tür. Als er sie jedoch hinter Rander schloß, blieb er versonnen stehen und überlegte. Er kam zu dem Schluß, daß das Reinigen der Kleidungsstücke doch noch etwas warten konnte.
Die Gangster waren jetzt wichtiger.
Josuah Parker ging hinüber in sein Hotelzimmer und bereitete sich auf seinen Ausgang vor. Es dauerte lange, bis er endlich in der Hotelhalle erschien. Demnach mußte er die Vorbereitungen intensiv betrieben haben. Mit anderen Worten, die Gangster, die ihm das Lebenslicht ausblasen wollten, konnten sich auf einige Überraschungen gefaßt machen …!
Ray Forest hatte eine schlechte Nacht hinter sich.
Er lag wach in dem einfachen Bett, starrte zur Decke hoch, auf der sich bizarre Lichtkringel bildeten und dachte an seinen erschossenen Partner Irving.
Ray Forest hatte Abstand zu den Ereignissen gewonnen. Gewiß, er gab seinem früheren Partner nach wie vor die Schuld, daß alles schiefgegangen war, auf der anderen Seite überlegte er, ob sich das Risiko lohnte, nach dieser Della zu fahnden.
Immer noch saß ihm die Hetzjagd in den Knochen. Und er mußte auch an seine Vermieterin Ruth Badmon denken, bei der er nun wohnte. Die Frau scherte ihn nicht, doch ihre blinde Tochter machte ihn nervös. Es irritierte ihn, daß ihre Augen rein äußerlich vollkommen intakt waren, sie aber blind sein sollte.
Ich hätte mir ’ne andere Bleibe suchen sollen, dachte Ray Forest, dieses verdammte Gör geht mir auf die Nerven. Die scheint’s faustdick hinter den Ohren zu haben. Warum lachte sie so komisch, als im Radio die Durchsage von der Schießerei am Rangierbahnhof kam? Die kann doch unmöglich ahnen, daß ich daran beteiligt gewesen bin. Auf der anderen Seite sollen Blinde ja ’nen unheimlichen Spürsinn besitzen. Ob die auch so was wie ’nen geheimen Empfang hat …?
Um all diese Fragen kreisten Ray Forest Gedanken. Er wälzte sich im Bett herum und spielte mit der Absicht, die Stadt heimlich zu verlassen.
Dann brach die Geldgier in ihm durch.
Verdammt, ich brauche doch nur diese Della aufzuspüren, redete er sich mit Erfolg ein. Hab ich die erst mal auf dem Tablett, komm’ ich auch an den Burschen heran, für den wilden Cadillac auflaufen lassen sollten. Weiß ich den Namen, dann habe ich Fettlebe in jeder Menge. Dann wird der Betreffende Geld spucken müssen, bis er schwindsüchtig geworden ist.
Ray Forest träumte von riesigen Summen, von einem süßen Leben irgendwo in Miami und von Frauen. Dann hörte endlich dieses Kleckerleben auf, dann konnten die Scheinehen flattern.
Als der Morgen herangraute, fühlte er sich zwar wie zerschlagen, doch auch wieder entschlossen, seine Chance zu wahren. Er wartete, bis er auf dem Korridor der Wohnung das Klappern von Töpfen hörte. Dann stand Forest auf, wusch sich und strich sich über den Stoppelbart. Er brauchte einen Rasierapparat. In diesem Aufzug konnte er sich draußen in den Straßen nicht sehen lassen.
Ein feines Scharren vor der Tür machte ihn aufmerksam.
»Wer ist da?« rief er.
»Glory«,