»Sie bleiben dabei, daß die Polizei nicht informiert werden darf?«
»Ich bestehe darauf, Rander.«
»Auch nach den Vorfällen mit dem Cadillac und nach der Ermordung Ihres Fahrers Croydon?«
»Auch danach, Rander. Die Polizei darf nicht informiert werden. Die Sache mit den Briefen würde von der Presse doch nur an die große Glocke gehängt. Meine internen Familienangelegenheiten würden von den Zeitungen doch nur durch den Dreck gezogen. Rein geschäftlich gesehen, kann ich mir das nicht leisten.«
»Noch kann ich es gerade verantworten, den Mund zu halten«, entgegnete Mike Rander nachdenklich. »Hoffentlich ändert sich das nicht durch weitere Ereignisse.«
»Wie meinen Sie das?«
»Sollte ein zweiter Mord passieren, werde ich mich an die Polizei wenden müssen. Darüber müssen Sie sieh klarwerden.«
»Ich glaube nicht, daß noch sehr viel mehr passieren wird, Rander.« Arthur Gilpan senkte den Kopf und spielte mit seinem Feuerzeug.
»Sind Sie Hellseher, Gilpan?«
»Ich habe mich entschlossen, die geforderte Geldsumme zu zahlen. Das ist es.«
»Sie wollen dem Erpresser 100 000 Dollar zahlen?« staunte Mike Rander. »Das kommt ziemlich überraschend für mich.«
»Ich will weiteres Unheil vermeiden. Das ist der einzige Grund, Rander. Ich kann es einfach nicht verantworten, weiterhin stur zu bleiben. Wie denken Sie darüber?«
»Jedes Ding hat zwei Seiten«, erwiderte der Strafverteidiger. »Erpressungsversuchen sollte man niemals nachgeben. Das ist meine Meinung. Solche Dinge enden nie …! Erpresser begnügen sich niemals mit einer einzigen Zahlung. Sie bekommen Appetit und werden nur noch dreister, sobald sie die Angst ihrer Opfer spüren.«
»Das ist die eine Seite«, warf Arthur Gilpan ein.
»Richtig, auf der anderen Seite kann ich Ihre Ansicht verstehen. Sie gefährden nicht nur sich selbst, sondern auch außenstehende Menschen, wie zum Beispiel Ihren Fahrer. Sie wissen, daß die Verfasser der drei Briefe es nicht mit dem einen Mordanschlag bewenden lassen.«
»Also sollte ich zahlen, ja?«
»Sie sollten sich an die Polizei wenden und nicht zahlen. Das allein wäre der richtige Weg. Ich kann Sie dazu allerdings nicht zwingen, Gilpan. Sie müssen sich ganz allein entscheiden. Als Ihr Anwalt kann ich die Initiative leider nicht übernehmen.«
»Dann weiß ich, was ich tun muß, Rander. Ich werde zahlen. Und zwar umgehend.«
»Sie werden die Zeitungsanzeige also einrücken?«
»Sie muß in der Morgenausgabe erscheinen. Ich bin fest entschlossen mich den Forderungen zu beugen.«
»Damit beugen Sie sich auch allen weiteren Forderungen, Rander«, warnte Mike Gilpan noch einmal. »Ich will ganz offen mit Ihnen reden. Warum haben Sie Angst vor der Polizei? Sie haben doch etwas aus Ihrer Vergangenheit zu verbergen, oder etwa nicht?«
»Unsinn«, erklärte Rander mit belegter Stimme. Es klang nicht sehr überzeugend.
»Der oder die Erpresser sind im Besitz von irgendwelchen Dingen aus Ihrer Vergangenheit, die Sie belasten oder sogar geschäftlich ruinieren können.« Mike Rander redete ruhig und eindringlich. »Ich bin Ihr Anwalt, mir wenigstens sollten Sie sich anvertrauen.«
»Ich habe aus der Vergangenheit nichts zu befürchten, glauben Sie mir, Rander.«
»Sie fürchten also nur um Ihr Leben, das in den drei Briefen bedroht wird, falls Sie nicht zahlen?«
»Mehr ist es nicht, Rander. Es gibt keine Geheimnisse.«
»Wieso verdächtigen Sie Ihre Familienmitglieder?«
»Das ist inzwischen vorbei, nachdem ich in aller Ruhe nachdenken konnte. Für Ihre Unkosten und Auslagen werde ich selbstverständlich aufkommen. Ich denke, auch die Honorarfrage können Sie mit meinem Geschäftsführer regeln.«
»Danke, ich habe begriffen.« Mike Rander lächelte und stand auf. »Sie brauchen mich also nicht mehr. Schade, daß ich überhaupt hierher nach Denver kam.«
»Ich muß mich bei Ihnen entschuldigen, Rander. Tragen Sie das nicht meinem Bekannten nach, der Sie empfahl.«
»Schon gut, Gilpan. Es ist Ihr Recht, sich anders zu entscheiden. Ich wünsche Ihnen viel Glück. Hoffentlich geht Ihre Rechnung auf.«
Mr. Arthur Gilpan war sehr zerstreut, als Mike Rander sich von seinem gewesenen Klienten verabschiedete. Der Strafverteidiger vermied es allerdings auch, Mr. Gilpan an die drei Briefe zu erinnern, die sich in seiner Tasche befanden. Ob Mike Rander sie allerdings nur als Andenken behalten wollte, stand auf einem anderen Blatt.
Als er hinauf in den ersten Stock des Hauses kam, wo seine Gastzimmer lagen, erwartete Butler Parker ihn bereits. Der Butler war damit beschäftigt, einen großen und einen kleinen Lederkoffer zu packen. Er schloß gerade die Kofferdeckel.
»Das müssen Sie gerochen haben«, meinte Rander lächelnd. »Mr. Gilpan gab uns gerade den Laufpaß.«
»Deshalb erlaube ich mir, bereits zu packen«, gab Parker zurück. »Ich erwartete diesen Ausgang des Gesprächs.«
»Gilpan will zahlen. Er möchte damit weiteres Blutvergießen vermeiden.«
»Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, Sir, so bedaure ich es ungemein, diese recht nette Stadt schon wieder verlassen zu müssen.«
»Seit wann interessieren Sie sich für amerikanische Städte, Parker?«
»Weniger für die Städte, als für gewisse Morgenausgaben der Zeitungen, Sir.«
»Wo liegt da der Haken, Parker? Was haben Sie mal wieder hinter meinem Rücken eingefädelt, he?« Rander sah seinen Butler sehr mißtrauisch an.
»Um mich präzise auszudrücken, Sir, so würde ich sehr gern noch den kommenden Polizeibericht über die Vorfälle um und in Mr. Gilpans Haus studieren.«
»Was erwarten Sie von diesem Bericht?« Randers Gesichtszüge wurden nur noch mißtrauischer.
»Leutnant Branch muß annehmen, daß ich die beiden Attentäter und potentiellen Mörder gesehen habe und auch identifizieren kann, Sir.«
»Sind Sie wahnsinnig, Parker?«
»Ich erlaubte mir, ein wenig zu schwindeln, Sir, ich bitte sehr um Verzeihung, daß ich zu solch groben Hilfsmitteln Zuflucht nehmen mußte.«
»Falls es sich wirklich um zwei Täter handelt, so werden Sie Ihre Schwindeleien für bare Münze nehmen. Was das bedeutet, brauche ich Ihnen ja wohl nicht besonders auseinanderzusetzen.«
»Auch Leutnant Branch hatte bereits ähnliche Bedenken, Sir.«
»Sie wollen sich also wieder einmal als Zielscheibe anbieten? Hoffentlich stimmen Ihre Vermutungen, daß es sich tatsächlich um zwei Täter handelt.«
»Es müssen mindestens zwei Männer gewesen sein«, behauptete Josuah Parker. »Ein Mann allein hätte das sperrige und schwere Drahtseil unmöglich an den beiden Bäumen befestigen können. Diese beiden Attentäter werden sich also angesprochen fühlen.«
»Und Jagd auf Sie machen, Parker …!«
Der Butler zuckte nur mit den Schultern und schloß die beiden Koffer. Mike Rander zündete sich eine Zigarette an, trat hinaus auf den Balkon und sah in die Nacht. Die schweren Regenwolken hatten sich inzwischen verzogen. Das Mondlicht kämpfte mit dem Schein des aufsteigenden Morgens. Auf dem See, hart am Bootssteg, lärmten Wildenten und stoben rauschend hoch. Sie mochten durch irgendein Geräusch gestört worden sein.
»Also gut, Parker«, Rander wandte sich zu seinem Butler um. »Spielen wir weiter mit, aber ganz privat. Ich muß zugeben, daß auch mich dieser Fall reizt. Warum