Katharina von Bora: Geschichtliches Lebensbild. Albrecht Thoma. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Albrecht Thoma
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066118990
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den Anliegern von Zulsdorf, den Kieritzscher Bauern, welche ihr das Weiderecht beeinträchtigten. So hatte sie im Jahre 1541 monatelang vorm Amtmann Heinrich von Einsiedel zu Borna mit denen von Kieritzsch zu prozessieren. Das Urteil des Kurfürsten fiel günstig für die Lutherischen aus; sie „hätten in der Güte wohl mehr um Friedens und guter Nachbarschaft willen eingeräumt“[230].

      Trotzdem verleidete der Doktorin der Besitz nicht. Wochenlang, namentlich wenn Luther verreist war, hielt sich Frau Käthe in ihrem neuen Besitztum auf, so daß ihr der Gemahl manche Epistel dahin schreiben mußte. So im Herbst (13. September) 1541, wo sie vielleicht mit einigen Kindern Obsternte dort hielt. Da schreibt er: „Meiner lieben Hausfrauen Käthe Ludern von Bora zuhanden.

      G.u.F.! Liebe Käthe! Ich lasse hiermit Urban zu Dir laufen, auf daß Du nicht erschrecken sollst, ob ein Geschrei vom Türken zu Dir kommen würde. Und mich wundert, daß Du so gar nichts her schreibst oder entbeutst, so Du wohl weißt, daß wir hie nicht ohne Sorge sind für euch, weil Mainz, Heinz und viel vom Adel in Meißen uns sehr feind sind. Verkaufe und bestelle, was Du kannst, und komme heim. Denn als mich's ansieht, so will's Dreck regnen, und unsre Sünde will Gott heimsuchen durch seines Zornes Willen. Hiemit Gott befohlen, Amen.

      Sonntags nach Lamperti 1541.

      M. LutheR“[231].

      Ja noch zu Wittenberg war Käthe mit ihren Gedanken oft abwesend auf ihrem Lieblingssitz, so daß ihr Gemahl adressiert: „Der reichen Frauen zu Zulsdorf, Frauen Doktorin Katharin Lutherin, zu Wittenberg leiblich wohnhaftig und zu Zulsdorf geistlich wandelnd, meinem Liebchen.“ Auch Luther hielt sich manchmal in dem stillen Oertlein zur Erholung auf und sendet von hier Briefe und Grüße „von meinem Käthe und Herrn zu Zulsdorf“[232].

      Wohl weil Zulsdorf zu weit abgelegen und zu wenig einträglich war, so wandte in den letzten Jahren Frau Katharina ihre Augen auf das Gut Wachsdorf bei Wittenberg, eine Stunde davon, jenseits der Elbe auf fruchtbarem Boden gelegen, mit Hochwald umgeben; freilich etwas sumpfig. Es gehörte des † Dr. Sebald Münsterers Kindern und war der Erbteilung wegen käuflich. Aber es wurde nichts daraus; namentlich hintertrieb der Kanzler Brück die Erwerbung.

      Auch der Doktor war mit dieser großen Ausdehnung der Wirtschaft nicht mehr recht einverstanden, obwohl er den Hausspruch: „Eigen Wat gut ist dat“ sehr wohl kannte und anerkannte und sagte, alles Gute im Ehestand sei eitel Segen Gottes was niemand erkenne, „als der Gott fürchtet und alles auf dem Markte kaufen muß.“ Er konnte sich in diese Haushaltung nicht richten; er meinte, daß die Sorge und Geschäftigkeit um den großen Haushalt sie abziehe, in stiller, gemütlicher, geistiger Weise sich selbst zu leben und ihm und ihren Kindern. Auch klagte er gelegentlich über die vielen Dienstboten, welche in dem weitläuftigen Hauswesen nötig waren; so schon 1527 waren mehrere Mägde da, 1534 ein Kutscher, später sogar ein Schweinehirt. Er meinte: „Ich habe zu viel Gesinde.“ Mehr Dienstboten als heutzutage waren ja auch in diesen Zeiten üblich und möglicherweise ist hierin Frau Käthe etwas weiter gegangen, was wohl mit der zahlreichen Gesindeschar im Klosterleben zusammenhängen mochte[233].

      Aber es ist doch begreiflich, daß die Frau Doktorin darauf bedacht war, ihre Wirtschaft zu erweitern. Es war nicht allein die unternehmungslustige Thatkraft der energischen Frau, welche Neues schaffen und ein großes Bereich beherrschen wollte, es war auch die Sorge um die Bedürfnisse des großen Haushaltes selbst, es war aber ganz besonders das Streben, die ökonomische Zukunft der nicht kleinen Familie für das Alter, namentlich aber für die eigene Witwenschaft und das Waisentum ihrer fünf Kinder, zu sichern, indem sie das in Luthers Händen gefährdete flüssige Geld in festes Gut umwandelte.

      So bestand am Ende der gesamte Besitz der Lutherischen Familie aus einem Landgut, dem großen und kleinen Haus, dem Klostergarten, dem „Baumgarten“ auf dem Saumarkt, dem Hopfengarten an der „Specke“ und zwei Hufen Landes. Das war ein ziemlich umfangreicher Besitz, der neben der großen und weitläufigen Haushaltung gar viel Unruhe verursachte und viel Zeit und Arbeit kostete, so daß man kaum begreift, woher Frau Käthe nur die Zeit nahm, um das alles zu besorgen und zu übersehen. Und wir verstehen, daß es ihr manchmal zu viel wurde und sie dem heftigen, ungeduldigen Mann manchmal nicht rasch genug nachkommen konnte, so daß er klagt: „Ich bin unter einem unglücklichen Stern geboren, vielleicht dem Saturn; was man mir thun und machen soll, kann nimmermehr fertig werden; Schneider, Schuster, Buchbinder, mein Weib ziehen mich aufs längste hin.“ Aber er muß in derselben Zeit auch die vielgeplagte Frau noch entschuldigen, wo sie ein Kind an der Brust und eins unter dem Herzen nährte: „Es ist schwer zwei Gäste zu nähren, einen im Haus und den andern vor der Thüre.“ Und er erkennt ihre Anstrengungen und Sorgen auch an: „Mein Wolf hat's besser denn ich und meine Käthe“[234].

      Die Frau Doktorin war aber auch ein gar fleißiges Weib. Sie hat in ihrem Bereich ebenso gewaltig und unermüdlich geschafft und geschaffen, wie der Doktor in dem seinigen.

      Freilich schon morgens um 4 Uhr im Sommer, um 5 Uhr im Winter, oft auch noch früher, stand sie auf, und darum wohl sagte ihr Gatte und ihre Mitbürger: „Käthe von Bora ist der Morgenstern von Wittenberg.“ Und so stand sie an der Arbeit bis abends um 9 Uhr, wo der Doktor unerbittlich zum Schlafengehen drängte. Freilich hatte sie einen kräftigen, leistungsfähigen Körper und war, im Gegensatz zu ihrem viel kränklichen Mann, so gesund, daß fast niemals von einer Erkrankung Meldung geschieht. Es ist nur einmal die Rede davon, daß sie eines Abends schwach wurde und ein Fieber bekam, so daß ihr Gatte in Angst geriet und sagte: „Liebe Käthe, stirb mir ja nicht.“ Ein andermal, da D.M. Luther mit etlichen über Tische redete, ging sie in die Kammer und fiel in Ohnmacht. Aber das war alles vorübergehendes Unwohlsein. Nur eine Krankheit machte sie durch infolge einer Frühgeburt; sonst scheint sie gesund gewesen zu sein bis ins Alter[235].

      Doch nicht nur unermüdliche Geschäftigkeit war Käthes Tugend, sondern sie verstand es auch, das Hausregiment zu führen in Küche und Keller, im Brauhaus und Backhaus, in Garten und Feld, in der Kinder- und Gesindestube, als Mutter und Gattin, als Wirtin und Herrin, als „Predigerin, Bräuerin, Gärtnerin und was sie mehr sein kann“, und mit Bezug auf sie, die Hausregentin und „Küchenmeisterin“, schrieb Luther an den Rand seines Hausbuches:

      „Der Frauen Augen kochen wohl

       Mehr denn Magd, Knecht und Feuer und Kohl“[236].

      Freilich Luther selbst war nicht weniger arbeitssam, auch mit körperlicher Beschäftigung; namentlich in den ersten Jahren: er gärtelte gern und viel, grub, säete, pfropfte; er drechselte auch auf seiner eigenen Drehbank. Beides sah gewiß Frau Käthe gern, nicht nur, weil es manchen Tagelohn und Handwerksmann ersparte, sondern weil es auch Luthers Gesundheit zuträglich war. Weniger Gefallen hatte sie an seiner aus der Junggesellenzeit herübergenommenen Neigung, seine Kleider selber zu flicken. Der Doktor that sich auf diese Kunst viel zu gut und dünkte darin sich geschickter, wie die deutschen Schneider, welche keine gutsitzenden Hosen fertig brächten. Da fand Frau Käthe eines Tags zu ihrem nicht geringen Staunen und Verdruß ein Paar Hosen ihres Buben, aus denen ein Stück herausgeschnitten war: und als sie nachfragte, hatte der Herr Gemahl den Flicken zum Ausbessern seiner eigenen Hose verwendet[237]! —

      Es war ein arbeitsseliges Haus, die ehemalige Stätte der Beschaulichkeit. Droben in der Studierstube der große Doktor, der mit emsiger Gewissenhaftigkeit und dem angestammten Fleiß eines Bauernsohnes seine Zeit auskaufte für die geistliche Haushaltung der Kirche; und unten die wirtliche Hausfrau, die in echter deutscher Geschäftigkeit und Treue sich ihrem Hause widmete, dem Gatten und den Kindern, dem Gesinde und den Freunden, und deren Stolz und Ruhm es war, alles zu können und alles zu thun.

      So waltete Frau Käthe in ihrer „Wirtschaft“.

      9. Kapitel

      „Wunderliche Rechnung zwischen D. Martin und Käthe.“

      Ein Grundbesitz, wie ihn das Lutherische Ehepaar am Ende aufwies, zeugte von nicht geringer Vermöglichkeit. Woher und wie war nun dieses Vermögen zusammengekommen?

      Katharina sowohl wie Luther brachten nichts in die Ehe. Sie waren am Anfang ihres Hausstandes und noch lange fort vollständig vermögenslos; erst nach seiner Eltern Absterben (1530-31) erbte Luther eine kleine Barschaft von 250 fl. Im Jahre 1527 war er noch gänzlich ohne Besitz, er