Monstermauern, Mumien und Mysterien Band 5. Walter-Jörg Langbein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Walter-Jörg Langbein
Издательство: Bookwire
Серия: Monstermauern, Mumien und Mysterien
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783967244229
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letzten Lebensjahre verbracht haben. Im frühen 19. Jahrhundert hatte die Ordensfrau Anna Katharina Emmerich (*um den 8.09.1774 in Coesfeld; †9.02.1824 in Dülmen) erstaunlich präzise Visionen vom Leben Jesu. Anna Katharina Emmerich (andere Schreibweise: Emmerick) war eine Stigmatisierte, sie trug die Wundmale Jesu. Der Dichter Clemens Brentano besuchte die Nonne und protokollierte ihre bestechend exakten Angaben zum Leben und Sterben Jesu. Fünf Jahre, bis zum Tode der Anna Katharina Emmerich, notierte Brentano Tag für Tag, was die am 3. Oktober 2004 von Papst Johannes Paul II. selig gesprochene Anna Katharina Emmerich in geistigen Schauen klar und deutlich sah.

Maria_hat_viele_Gesichter

      Maria hat viele Gesichter …

      1833 veröffentlichte Brentano »Das Bittere Leiden unseres Herrn Jesu Christi«. Bis 1926 wurden 77 Auflagen dieses Opus gedruckt. Es fand eine größere Verbreitung als die Werke Goethes und Schillers. Erst 1852, ein Jahrzehnt nach Brentanos Tod, wurde »Das Leben der heiligsten Jungfrau Maria« publiziert, gefolgt vom dreibändigen »Das Leben unseres Herrn und Heilandes« (1858 bis 1860). Auf 452 Druckseiten kann heute noch nachgelesen werden, welche Visionen die Emmerich von Leben und Sterben der Gottesmutter Maria hatte. Demnach verbrachte sie ihre letzten Lebensjahre in Ephesus. Gabriel von Marx (*1840; †1915) fertigte1885 das Gemälde »Die ekstatische Jungfrau Katharina Emmerich« an.

Gemaelde_Die_ekstatische_Jungfrau_Katharina_Emmerich

      Gemälde »Die ekstatische Jungfrau Katharina Emmerich

      Foto: wikipedia commons, public domain

      Was Skeptiker, die für Anna Katharina Emmerichs Visionen nur ein herablassendes Lächeln übrighaben, nicht wissen: Abbé Julien Goyet aus Paris machte sich mit den gedruckten Visionen der Emmerich auf nach Ephesus. Und siehe da: Die Visionen einer Frau, die nie vor Ort war, führten zur Entdeckung einer Ruine, etwa des Hauses, in dem Maria ihre letzten Lebensjahre verbrachte? Wir wissen heute, dass die Mauerreste einst »Panagia Kapuli«, »Pforte der Allerheiligsten Jungfrau«, hießen. Aber waren die Mauerreste wirklich 2.000 Jahre alt? Wir wissen weiter, dass dort, wo das Haus der Maria in Ephesus vermutet wird, »Das dreitorige Kloster der Panagia (allerheiligste Jungfrau)« stand.

      In Ephesus wurde mehr als ein halbes Jahrtausend vor Christi Geburt die Göttin Artemis verehrt und angebetet. Erhalten ist eine römische Kopie der Artemis, die heute im »Kapitolinischen Museum« zu Rom bewundert werden kann. Bis in unsere Tage ist umstritten, was da im Brustbereich der Göttin zu sehen ist. Sind es zahllose Brüste, die verdeutlichen sollen, dass Artemis auch Hüterin der Frauen und der Kinder war? Oder sind es Eier… oder doch Stierhoden? Wie auch immer: Alle diese Attribute können sehr wohl auf eine antike Muttergöttin hinweisen. Artemis hatte viele Namen. Die Etrusker zum Beispiel nannten sie Artumes, die Römer Diana und die alten Griechen Selene. Selene war eine Mondgöttin. Ist es ein Zufall, dass die Gottesmutter Maria sehr häufig als auf einer Mondsichel stehend dargestellt wurde? Anhänger des religiösen Kults um Selene würden in diesen Mariendarstellungen »ihre« Göttin erkennen. Klaus-Rüdiger Mai weist nach, dass die Gottesmutter Maria auch ein heidnisches Gesicht hatte. Mir scheint, Maria trägt auch heute noch das »heidnische« Bild der Göttin Artemis. Mai (3): »So gesehen bestanden gute Voraussetzungen dafür, dass die göttlichen Attribute von Artemis auf Maria übergingen.«

      Anno 431 fand das »Konzil von Ephesos« statt. In Ephesos wurde festgelegt, dass Jesu Mutter Maria als »theotokos« anzusehen sei, also als »Gottesgebärerin« (4). So trat Maria in Ephesus die Nachfolge der Artemis an, die »Gottesgebärerin« folgte auf die Muttergöttin.

      Auf den Stufen des Pantheons auf der Akropolis bot ein pfiffiger Händler meinem Vater zu einem horrenden Preis eine »echte Silbermünze aus dem Zeustempel« zum Kauf an. Die »unbezahlbare Kostbarkeit« war geradezu winzig, maß keine zehn Millimeter im Durchmesser. Immer wieder rieb der Händler die nicht exakt runde Münze an seiner Jacke. Sie glänzte schließlich verdächtig neu. Ich erinnere mich gut an die präzis herausgearbeiteten Konturen der Honigsammlerin, die auf der einen Seite der Münze zu sehen war. Auf der anderen Seite waren zwei einander anblickende Hirsche dargestellt. Die Biene hatte mit Zeus nichts zu tun, sie war das Attribut einer namenlosen Naturgottheit von Ephesus. Sie wurde schließlich zum »Wappentier« der Artemis.

      Es verwundert nicht, dass die Biene im christlichen Volksglauben eine recht bedeutsame Rolle spielt. Im Buch »Das Lied vom Honig: Eine Kulturgeschichte der Biene« lesen wir (5): »Jesus Christus ist die Biene. Die Jungfrau Maria ist der Bienenstock. Die Heilige Schrift ist eine Wabe voll süßesten Honigs. Das mittelalterliche Christentum erbte dankbar die Verehrung der Biene, brauchte deren Symbolkraft dringend. Sie galt als Verkörperung von Reinheit, Jungfräulichkeit, Tugend und Fleiß, hatte an moralischen Qualitäten sehr viel zu bieten. Der Kirchenvater Gregor von Nazianz (*329; †390) bezeichnete Christus als ›die jungfräulich geborene Biene«. Der auferstandene Erlöser wird von mittelalterlichen Autoren als ›himmlische Biene‹ (apis aethera) angesprochen, »die auffliegt in die Sphären des Lichts.«

      Die Gleichsetzung Jesu mit der »himmlischen Biene« mutet zunächst seltsam an. Sind doch Arbeiterinnen wie ihre Königin allesamt weiblich. Wenn wir in der Welt der Imkerei bleiben wollen, dann wäre Jesus keine Biene, sondern eine Drohne. Drohnen sind männliche Bienen und bilden im Bienenvolk – bis zu 80.000 Tiere – eine Minderheit. Drohnen schlüpfen aus nicht befruchteten Eiern, die die Bienenkönigin legt. Man kann also die »Geburt« der Drohnen als »jungfräulich« bezeichnen. Um im Bild zu bleiben: Wenn Jesus von der männlichen Drohne dargestellt wird, dann ist seine Mutter die Bienenkönigin. Maria wäre dann also die Bienenkönigin, die als Jungfrau ohne Mitwirkung eines Mannes, also »jungfräulich«, Drohne Jesus »gebiert«. Hier endet aber die theologisch-christliche Gedankenspielerei! Drohnen, also männliche Bienen, haben nur eine Aufgabe: die Begattung der Königin.

      Drohnen sind putzige kleine Gesellen. Sie sind dicklicher als die weiblichen Bienen und haben keinen Stachel. Viele Jahre durfte ich meinem Großvater Heinrich Gagel bei seiner Hobbyimkerei zur Hand gehen. So kenne ich mich auch ein wenig mit den Honig-Bienen aus. In der Zeit von April bis August legt die Königin relativ wenige Eier in spezielle, größere Wabenzellen, die unbefruchtet bleiben. Daraus schlüpfen dann die »Bieneriche«, die Drohnen. Zunächst führen die Drohnen ein geradezu paradiesisches Leben. Arbeiten müssen sie überhaupt nicht. Sie müssen weder Pollen noch Nektar sammeln, müssen sich schon gar nicht an der Verteidigung des Volkes beteiligen. Sie werden von den Arbeiterbienen umhegt und umsorgt, gefüttert und vor eventuell ins Volk eindringenden Feinden geschützt. Sobald die Drohnen geschlechtsreif sind, kommt es zum Hochzeitsflug.

      Ohne zu detailreich ins interessante Intimleben der Bienenkönigin einzudringen: Beim Hochzeitsflug begatten die Drohnen die Königin, verlieren dabei ihr Geschlechtsteil und sterben. Nicht alle Drohnen kommen allerdings zum Vollzug. Sie werden nicht mehr ins Volk eingelassen und verhungern. Wenn sie versuchen, mit Gewalt ins Volk zurückkehren, dann werden sie von den Verteidigerbienen abgewehrt, vielleicht sogar getötet.

      Artemis und ihre Biene leben in Maria weiter. Unzählige Münzen, vor rund 2.500 Jahren in Ephesos geprägt, zeigen die göttliche Biene, die vom Katholizismus übernommen wurde.

      Noch einmal darf ich aus Ralph Dutlis »Lied vom Honig« zitieren (6): »Ambrosius wurde oft dargestellt mit einem Bienenkorb. Er ist der Schutzpatron der Imker und Bienen… In seiner Schrift ›Von der Jungfräulichkeit‹ wird neben Maria fast selbstverständlich die Honigbiene gewürdigt. Die ›unbefleckte Empfängnis‹ zeichnete beide aus. Die Gottesmutter selber wurde gern als Bienenstock gesehen. Die merkwürdige Assoziation war durch die Jahrhunderte gesegelt: Die Römer besaßen nämlich eine Bienengöttin, Mellona, deren schwangerer Bauch die Form eines Bienenkorbes hatte…«

      Fußnoten:

      (1) Mai, Klaus-Rüdiger: »Die geheimen Religionen / Götter, Sterne und Ekstase«, Köln 2012, S. 23, 1. Und 2. Zeile von oben

      (2) ebenda, 13. bis 10. Zeile von unten

      (3) ebenda, S. 120, 13. Und 14. Zeile von