In der norddeutschen Romantik, in der Dresdener Schule, bei Caspar David Friedrich – weniger bei Philipp Otto Runge – spielte die Landschaft als Stimmungsträger, als »Empfindungslandschaft«, eine alles überragende Rolle. Die im Vergleich zu Friedrich und Runge künstlerisch heute geringer eingeschätzten »Nazarener« dagegen, der katholische Zweig der deutschen Romantik, legten ihrer angestrebten figurativ ausgerichteten Nationalkunst christlich mittelalterliche Traditionen zugrunde. Für die zumeist sentimentale Gestaltung ihrer nostalgischen und politisch konservativen Themen bevorzugten sie die linear geschlossene Form.
In wechselnder Intensität verbreitete sich die Romantik über ganz Europa, ja auch in den USA. Einige wenige große Einzelne an der Jahrhundertwende beziehungsweise in den ersten Dezennien des 19. Jahrhunderts, wie John Constable oder die überragende Ausnahmeerscheinung Francisco de Goya, waren stellenweise von der Romantik beeinflusst, ohne dass man sie jedoch dieser Strömung kategorisch zurechnen dürfte.
DAS FORTLEBEN VON KLASSIZISMUS, HISTORISMUS UND ROMANTIK IM 19. JAHRHUNDERT
Der Klassizismus hielt sich in der Architektur noch über weite Strecken des 19. Jahrhunderts, ebenso in der Bildhauerei und im Kunstgewerbe. Auf dem Sektor der Malerei garantierte das lange Wirken des gefeierten Klassizisten Jean-Auguste-Dominique Ingres eine entsprechende Kontinuität.
In den deutschsprachigen Regionen ist der nahtlose Übergang von der Romantik zum Biedermeier zu beobachten. Eine »neue Innerlichkeit« bestimmte hier die Malerei seit den 30erJahren, die nicht als klar formulierter Stil, sondern aus einer geistigen Haltung heraus zu erklären ist. Das Bescheiden-Einfache äußert sich in unpathetischen Kompositionen von kleinem Format für private Räume. Carl Spitzweg ist ein bekanntes Paradigma dieser Haltung.
Im letzten Jahrhundertdrittel zeigt sich Romantisches erneut mit Vehemenz. Zu nennen sind vor allem die Bilder eines Arnold Böcklin sowie die der anderen sogenannten »Deutschrömer«, nämlich eines Hans von Marées, Anselm Feuerbach, des jungen Max Klinger.
Wie in vielen sonstigen Kunstlandschaften, glitt auch in England die spätere romantische Malerei gerne in einen schwärmerischen Historismus und in einen damit verbundenen Eskapismus, eine »Flucht« vor den brisanten Zeitproblemen, ab und suchte in theatralischen Inszenierungen (in denen man sich mit der akademischen und der Salonmalerei des 19. Jahrhunderts traf), den nicht zuletzt aus handwerklicher Routine geborenen Verlust gedanklicher Tiefe auszugleichen. Allerdings war es vorher, circa 1800–1840, zu einem unvergleichlichen Aufschwung englischer Landschaftsmalerei gekommen. Sie verwandelte die objektiven Gegebenheiten des Naturvorbildes in eine Phänomenwelt des erlebenden Subjekts. Zu nennen wären beispielsweise John Crome, Richard Parkes Bonington oder John Sell Cotman. Sie alle gingen zumeist von der topographischen Wirklichkeit aus, tauchten diese aber in eine von Licht und Atmosphäre beherrschte malerische Textur. Im Unterschied zu den Lichtvisionen Claude Lorrains aus dem 17. Jahrhundert, die für viele von ihnen bewunderte Vorbilder waren, verzichteten sie auf eine metaphysische Interpretation derartiger Phänomene, vielmehr kennzeichneten sie diese als Ergebnis physikalischer Gesetze und als Resultat subjektiven Erlebens. Demgemäß öffneten sich von hier aus gleichermaßen die Wege zu einer eher romantischen wie zu einer eher realistischen Landschaftsmalerei. Aus dieser Schule der englischen Landschafts- und Aquarellmalerei wuchs auch das einzigartige Werk William Turners heraus, dessen in Farbe und Licht aufgelösten Bilder von John Ruskin, dem führenden Kunsttheoretiker der Romantik in England, 1843 in seinem Buch »Modern Painters« gegen Spötter verteidigt wurden.
In Frankreich hallt das romantische Echo noch in der Landschaftsmalerei der den Impressionismus vorbereitenden Schule von Barbizon (Théodore Rousseau, Camille Corot, Charles-François Daubigny und andere) oder in einigen, mit dem Namen Jean-François Millet (ebenfalls eng mit der Schule von Barbizon liiert) verbundenen Werken nach.
DER REALISMUS (AB 1840/50)
Mit der englischen Landschaftsmalerei um 1800, mit bestimmten Künstlern und Richtungen der Romantik und des Klassizismus, mit so manchem Einzelgänger an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, waren formal bereits ausgesprochen naturalistische Haltungen verknüpft gewesen, die um 1840/50 fortgesetzt und zum sogenannten Realismus intensiviert wurden.
Die Realisten verwahrten sich in der Regel gegen die Wiedergabe von Träumereien, Phantasien, Poesie und Imagination, was ihnen den Vorwurf des Materialismus eintrug. Die Grundüberzeugung lautet, der Künstler habe unbeschönigt die Wahrheit auszusprechen, was den Gegnern das böse Wort von der »Schule der Hässlichkeit« in den Mund legte. Der Künstler solle seine Motive nicht der Vergangenheit entnehmen, sich vielmehr als Augenzeuge um Gegenwärtiges kümmern – die intendierte »Immanenz« musste sich formal keineswegs in strikter Naturtreue spiegeln, sie konnte sich durchaus auch recht frei gehandhabter, stilisierender Gestaltungsprinzipien bedienen.
Die Sache war eher da als der Name. Denn erst 1855 hatte Gustave Courbet vor den Toren der Pariser Weltausstellung einen Pavillon aufstellen lassen, in dem er seine Bilder, die auf der Weltausstellung ausgeschlossen worden waren, zeigte. »Le réalisme« stand über dem Eingang des Pavillons. Bis ungefähr 1870 entwickelte sich der Realismus fast überall in Europa und Nordamerika zu einer beherrschenden Sprache. Massive, durch die bürgerliche und industrielle Revolution ausgelöste soziale Veränderungen, nicht zuletzt die Auswüchse einer rasant zunehmenden Urbanisierung, bildeten den gesellschaftlichen Nährboden realistischer Kunst. Die Beobachtung charakteristischer und den Alltag entlarvender Einzelheiten führte im Werk etwa eines Honoré Daumier oder Adolph von Menzel oft zu karikierenden oder parodistischen Zügen. In München vertrat der Kreis um Wilhelm Leibl (etwa Wilhelm Trübner, vorübergehend auch Hans Thoma) diesen Stil.
DER IMPRESSIONISMUS (AB 1874)
»Nennen Sie es einfach ›Impression‹ – Sonnenaufgang«, antwortete Claude Monet 1874 auf die Frage nach dem Bildtitel einer inhaltlich kaum noch zu erkennenden Hafenansicht aus seiner Hand. Die Kritiker Louis Leroy und Jules Castagnary griffen den Vorschlag auf und verwendeten ihn als Spottname für die »Impressionisten«, das heißt für all jene Künstler, die sich gegen die Normen der offiziellen Pariser Kunstausstellungen auflehnten. Von den zwischen 1874 und 1886 an den Gruppenausstellungen teilnehmenden Künstlern hat keiner die Ziele dieser Richtung, die heute so eindeutig vor Augen zu stehen scheinen, in Reinkultur verwirklicht.
Der im Zusammenhang des Impressionismus oft genannte Édouard Manet war als Anreger zweifellos von großer Bedeutung, stand aber immer in einiger Distanz zur Gruppe; das Lebenswerk von Edgar Degas, Henri de Toulouse-Lautrec und Auguste Renoir fällt, wie zu betonen bleibt, nur teilweise mit den impressionistischen Bestrebungen zusammen.
Die Impressionisten (genannt seien außer den bereits erwähnten nur noch die wichtigsten Repräsentanten: mit Einschränkungen Gustave Caillebotte und James Abbot McNeill Whistler, dann Berthe Morisot, Mary Cassatt, Camille Pissarro, Alfred Sisley, in Deutschland Max Liebermann, Lovis Corinth, Max Slevogt) setzten die Tendenzen des Realismus fort und korrigierten sie zugleich, indem sie ihr Interesse nicht nur auf die »greifbare« Gegenständlichkeit richteten, sondern auch auf das, was sich im spontanen Sehakt niederschlägt. Die dezidierte Umkehrung der akademischen Regel vom Vorrang der Linie über die Farbe, das von den Impressionisten fixierte Spiel des Lichts auf den Oberflächen der Dinge, ihre meist hellen, kräftigen Farbtöne bei freiem, lockerem Pinselstrich ohne vorbereitende Konturen dienen der direkten Umsetzung des Seheindrucks ins Bild. Angeregt durch japanische Farbholzschnitte und durch die von ihnen im 1861 eröffneten Atelier von Félix Nadar aufmerksam studierten Fotografien präsentieren viele Impressionisten Motive aus ungewohnten Perspektiven, schneiden