Mami Staffel 6 – Familienroman. Claudia Torwegge. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Claudia Torwegge
Издательство: Bookwire
Серия: Mami Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740926427
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ehrgeizigen Karriere. Auf seltene Tropenkrankheiten wollte er sich spezialisieren und hatte schon einen längeren Aufenthalt in den Tropen geplant.

      Sie waren bald unzertrennlich gewesen, hatten jede freie Minute miteinander verbracht. Sie planten ein gemeinsames Leben, und Ulf hatte sogar Aussicht auf eine eigene, gutgehende Arztpraxis. Ninas Onkel, der eine große Praxis auf dem Lande hatte, wollte sich bald zur Ruhe setzen und suchte nach einem passenden Nachfolger. Doch das entsprach ganz und gar nicht Ulfs Vorstellungen. Nina jedoch machte die Hoffnung auf ein ruhiges Leben auf dem Land unsagbar glücklich. Sie liebte die zauberhafte Gegend, mochte das kleine Städtchen gern, in dem ihr Onkel lebte und hatte dort manch schöne Ferien verbracht. Die Menschen waren freundlich, und sie hatte viele Bekannte und Freunde. Es wäre wunderbar, so dachte sie, dort zu leben und mit Ulf zusammen in der Praxis arbeiten zu können. Er hätte sich um die Patienten und sie sich um die anfallenden Schreibarbeiten und den Praxisbetrieb kümmern können. Sie malte Ulf die Zukunft in den leuchtendsten Farben aus und wunderte sich, daß er nicht genau so begeistert war wie sie.

      Immer wieder vertröstete er sie mit Ausflüchten und allerhand Ausreden, wollte sich nicht festlegen.

      Er wartete auf seine große Chance, und die kam dann auch. Ulfs Professor bezog seinen ehrgeizigen, begabten Schüler in ein riesiges Forschungsprojekt mit ein. Das bedeutete natürlich anstrengende, langwierige Forschungsarbeit und Auslandsaufenthalte. Am Ende aber winkte wissenschaftliche Anerkennung, eine Professur und wahrscheinlich auch noch ein gutbezahlter Posten in der Pharma-Industrie. Ulf war begeistert und fühlte sich – im Gegensatz zu Nina – am Ziel all seiner Erwartungen.

      Und dann gab es da noch etwas, das ihn in seinen Plänen bestärkte und was Nina nicht wußte: die Tochter seines Professors. Yvonne war eine bildschöne, kapriziöse, junge Frau. Sie waren schon einige Male miteinander ausgegangen, und Ulf war von ihr fasziniert. Sie sah nicht nur hinreißend aus, wußte auch interessant zu plaudern, war gewandt im gesellschaftlichen Umgang und hatte tausend einflußreiche Freunde. Sie war eine erfolgreiche Golf- und Tennisspielerin und besaß ein edles Reitpferd. Sie spielte mit Ulf Tennis, ritt mit ihm aus. Es schmeichelte dem jungen Mann, daß Yvonne ihn bei allen möglichen Gelegenheiten so offensichtlich bevorzugte, daß sie ihm zu verstehen gab, daß er ihr gut gefiel.

      Yvonne und er? Eine bessere Verbindung konnte man sich gar nicht vorstellen. Nicht nur, daß Yvonne einfach eine tolle Frau war, temperamentvoll, schön, charmant und von sportlicher Eleganz, gewandt im Umgang mit Menschen. Nein, sie war dazu auch noch genau das, was er sich unter einer Lebensgefährtin vorstellte – eine Frau, die seiner Karriere nützlich sein würde, die ihm aufgrund ihrer Beziehungen viele Türen öffnen konnte. Es dauerte nicht lange, da wurden sie überall, wo man gesehen werden mußte – auf Partys, auf wichtigen Veranstaltungen, auf großen Festen und Kongressen – zusammen gesehen. Für Ulf gab es nur noch Yvonne und noch einmal Yvonne – er war von dieser Frau hingerissen. In Fachkreisen galt er schon als der zukünftige Schwiegersohn des Professors und wurde dementsprechend hofiert. Nina war vergessen.

      Nina ahnte von alldem nichts. Sie wunderte sich zwar über seine Kühle, seine häufigen Ausreden, wenn er wieder einmal eine Verabredung platzen ließ. Sie suchte die Schuld bei sich, denn die beginnende Schwangerschaft – die sie Ulf noch nicht gebeichtet hatte – machte sie müde und reizbar. Sie hatten öfter Streit und kleine Auseinandersetzungen. Sie warf ihm vor, daß er zu wenig Zeit für sie habe, sich nicht um sie kümmere und daß er viel mehr mit seinen Kollegen und auch mit der Tochter seines Professors zusammen sei als mit ihr. Er beschuldigte sie, kleinkariert, grundlos eifersüchtig und spießig zu sein. Immer wieder versuchte sie, sein Verhalten mit der vielen Arbeit wegen des Projektes, an dem er vorgab zu arbeiten, zu entschuldigen. Immer noch – so erzählte er ihr – plane er einen längeren Tropenaufenthalt, und die Vorbereitungen dafür kosteten eben viel, viel Zeit. Er machte ihr Vorwürfe, daß sie seiner wissenschaftlichen Karriere im Weg stehe. Hatte er sich nicht schon vor langer Zeit vorgenommen, noch bevor sie sich kennenlernten, entweder für zwei oder drei Jahre in die Tropen zu gehen, um seltene Tropenkrankheiten an Ort und Stelle zu erforschen, oder sich um eine Anstellung an einer der großen Universitäts-Kliniken in Amerika zu bewerben?

      Nina hatte gespürt, daß Ulf ihr entglitten war. Er hatte kein Interesse mehr an ihr. Immer öfter hatte er aus nichtigen Gründen einen Streit vom Zaun gebrochen. Er hatte einen Grund gesucht, sie zu verlassen, denn seine neue Liebe war ihm wichtiger gewesen.

      Ulf hatte keine Ahnung davon, daß ich schwanger bin, dachte Nina. Die passende Gelegenheit, es ihm mitzuteilen, wollte sich einfach nicht ergeben. Aber – hätte das denn etwas geändert?

      Sie schüttelte traurig den Kopf.

      Zur Feier seines Geburtstages, so hatte sie es sich ganz fest vorgenommen, wollte sie ihn endlich mit der großen Neuigkeit überraschen, daß er Vater würde. Doch dazu kam es nicht mehr.

      Ulf hatte keinen anderen Gedanken mehr gehabt als den an die schöne Yvonne und an die große Aufgabe, die ihn erwartete. Er schmiedete Pläne für seine Zukunft, Pläne, in denen Nina nicht mehr vorkam.

      Der gute Ulf hat leider keine Ahnung davon, daß er eine so entzückende Tochter hat, dachte Nina bitter.

      Sie seufzte. Sie zupfte Amelies Bettdecke zurecht und hob den Teddybär, der auf den Fußboden gefallen war, auf. Sachte legte sie das Stofftier neben Amelie auf das Kopfkissen. Dann ging sie auf Zehenspitzen hinaus und zog leise die Tür hinter sich zu. Einen ganz kleinen Spalt ließ sie sie offen, damit ein Lichtschein in ihr Zimmer fiel und sich die Kleine im Dunkeln nicht ängstigte, falls sie in der Nacht aufwachen sollte.

      *

      Amelies Fragen nach ihrem Vater und die Gedanken an Ulf hatten Erinnerungen aufgewühlt, und Nina fühlte sich traurig und müde. Sie ließ sich in ihren bequemsten Sessel fallen und griff nach der Fernbedienung des Fernsehers, um das Gerät einzuschalten. Doch dann legte sie sie wieder weg. Sie war nicht in der Stimmung, um sich durch einen Film oder ein Fernsehspiel ablenken zu lassen. Lieber wollte sie Musik hören, und so schaltete sie das Radio ein. Eine sanfte Melodie durchflutete den Raum, eine sanfte Melodie, die einmal eine ganz besondere Bedeutung für sie gehabt hatte. Es war ihr und Ulfs Lied, das Lied, das sie immer gespielt hatten, wenn sie besonders glücklich waren. Tränen stiegen in ihre Augen. Sie wollte schon aufstehen, um das Radio wieder auszuschalten, doch in diesem Augenblick klingelte es draußen an ihrer Wohnungstür.

      »Ulf«, flüsterte sie, und für einen kurzen, irrwitzigen Moment dachte sie wirklich, Ulf müßte draußen vor der Tür stehen. Ulf, den ihre Gedanken von irgendeinem Ende der Welt herbeigezaubert hatten. Aber als sie öffnete, stand ihr Nachbar vor ihr, ein junger Mann namens Friedhelm Brückner, der die Wohnung über ihr bewohnte. Er hatte ein scheues, verlegenes Lächeln auf seinem offenen Gesicht.

      »Entschuldigen Sie, Frau Mertens, daß ich so spät noch hereinplatze, aber ich fahre morgen in Urlaub und ich wollte Sie fragen, ob Sie vielleicht ab und zu mal meine Blumen gießen würden…«, sprudelte er heraus und hielt plötzlich inne. »Was für eine schöne Musik Sie haben!« rief er aus. »Ist das eine CD?«

      Nina schüttelte den Kopf.

      »Nein, es ist im Radio«, antwortete sie.

      »Schade«, meinte er bedauernd. »Ich hätte Sie nämlich gebeten, mir die CD zu leihen oder mir dieses Lied aufzunehmen.«

      »Ich muß diese Schallplatte irgendwo haben«, meinte Nina und winkte ihm, näher zu treten. Mit suchendem Blick ging sie die Reihe ihrer CDs entlang, bis sie gefunden hatte, was sie suchte. »Ach ja, hier ist sie.«

      Sie hielt sie ihm hin.

      »Ich schenke Sie Ihnen. Ich brauche sie nicht mehr«, sagte sie. Erstaunt hob er den Kopf und sah sie an.

      »Aber – es ist doch ein so schönes Lied«, meinte er.

      »Trotzdem. Ich brauche sie wirklich nicht mehr«, sagte sie und fügte, als er sie immer noch ein wenig verständnislos ansah, erklärend hinzu: »Das Lied erinnert mich an etwas, das ich gerne vergessen möchte.«

      »Ach so. Ich verstehe«, antwortete er, obwohl er rein gar nichts verstand. Traurig sah Nina Mertens aus, und er hätte ihr gerne