Burns furchte die Stirn, doch abgesehen davon, daß dem Bootsmann die Erschöpfung im krebsroten und schweißüberströmten Gesicht stand, mußte er einsehen, daß auch der junge Waltham dringend der Ruhe bedurfte, wenn er auch nichts sagte und tapfer die Zähne zusammenbiß. »Nun gut«, sagte Ni-kun-tha, mit der Hand in die Richtung weisend, aus der sie gekommen, »Seneca gehen dort – anderer Fluß – wollen nach Oswego; wir gehen hier –«; er wies in die Flußrichtung.
»Wenn schon mit dem Fluß, dann laßt uns ein Floß bauen«, sagte Bob.
»Floß gut, aber nicht jetzt«, sagte der Miami. »Müssen Bäume schlagen – viel laut. Nicht gut.«
Doch er wurde überstimmt. Unter den gegebenen Umständen war auch Burns dafür, ein paar Bäume zu fällen und ein Floß zu errichten, das sie alle zu tragen vermochte.
Sie standen noch da und berieten, als ein Geräusch im Wasser ihre Aufmerksamkeit erregte. Hinsehend, erblickten sie einen Hirsch, der am jenseitigen Ufer mit einem wilden Sprung in den Fluß setzte und sich anschickte, herüberzuschwimmen. Ni-kun-tha warf die Büchse fort, zog sein Jagdhemd über den Kopf und war im nächsten Augenblick im Wasser. Abermals rauschte es drüben, und ein prachtvoller Panther sprang, offenbar auf der Fährte des Hirsches, mit einem gewaltigen Satz in den Fluß. Der Hirsch, den Jäger hinter sich witternd, verdoppelte seine Anstrengungen.
John hob die Büchse und legte auf den Panther an, zögerte aber noch, zu schießen, weil er das Echo der Wälder fürchtete. Plötzlich zuckte der Hirsch zusammen, stieß einen röhrenden Laut aus und verschwand im Wasser. Knapp drei Meter vor dem herankommenden Panther tauchte Ni-kun-thas Kopf mit triefenden Haaren auf. John drückte durch, der Schuß brach, und der Donner hallte, hundertfaches Echo weckend, durch den Wald. Der Panther versank wie ein Klotz. Jetzt erst sah der Miami, in welcher unmittelbaren Gefahr er geschwebt hatte. Etwas unterhalb trieb der Körper des verendeten Hirsches, den Ni-kun-thas Messer unter dem Wasser ins Herz getroffen hatte. Der Indianer schwamm ihm nach und zog ihn ans Ufer, wo Bob und John ihn an Land zogen und ausweideten. Danach holte Ni-kun-tha den Panther, den Johns Kugel ins Auge getroffen hatte. Es war ein ungewöhnlich großes und starkes Tier. Der Häuptling schüttelte das Wasser aus seinem Haar, warf das Jagdhemd über und sagte, Bob angrinsend:
»Jetzt Großer Büffel Floß bauen. Lärm genug.«
»Büffel!« knurrte der Bootsmann, Ni-kun-tha einen wütenden Blick zuwerfend. »Die Rothaut wird frech. Die Seneca haben mich wenigstens ›Starker Bär‹ getauft; damals waren sie mal gerade nicht darauf aus, Christenmenschen die Gurgel abzuschneiden.«
Ni-kun-tha grinste: »Ni-kun-tha hat seinen großen weißen Bruder kämpfen gesehen – er sehr stark. Soll heißen: Starker Bär!«
»Von mir aus!« brummte Bob, die gewaltigen Arme reckend. »Laßt uns Bäume fällen, Leute. Daß ich ein paar Planken unter die Füße kriege. Wahrhaftig, ich halt's nicht mehr aus.« Er griff zur Axt, schwang sie wie ein Spielzeug, und gleich darauf hallten dröhnende Schläge durch den Wald.
Während die Männer die erforderlichen Bäume umlegten und sich an den Floßbau machten, zog Ni-kun-tha dem Panther das prachtvolle Fell ab und überreichte es John. »Hirsch gut – essen«, sagte er, »Panther sehr gut – Mantel und Decke!« Er lachte den jungen Farmer an und glitt gleich darauf mit schlangenhaften Bewegungen in den Wald, um nach etwaigen Feinden auszuspähen. die der Lärm herbeigelockt haben mochte.
Bei der gewaltigen Kraft des Bootsmannes und der Geschicklichkeit der beiden Burns im Umgang mit Holz verging nur verhältnismäßig wenig Zeit, bis ein starkes und tragfähiges Floß fertiggestellt war. Sie schoben das freilich ziemlich rohe und primitive Fahrzeug ins Wasser, und Bob machte sich daran, aus zwei jungen Stämmen ein paar ungefüge Ruder zu schnitzen.
Ni-kun-tha weilte noch irgendwo im Wald, aber Bob drang nun auf die Abfahrt. Er meinte, Ni-kun-tha mit seinen Hirschbeinen werde schon nachkommen; außerdem sei es ganz gut, einen zuverlässigen Späher am Lande zu wissen. Burns fügte sich mit einigem Widerstreben, und alle bestiegen das Floß, dem Bob sogar eine niedrige, mit Buschwerk besteckte Bordwand gezimmert hatte, um sich einigermaßen vor feindlichen Kugeln schützen zu können. Der Bootsmann trieb das ungefüge Fahrzeug in die Mitte des Flusses und überließ es dem Strom. Er war jetzt, da er den Anstrengungen und Mühseligkeiten eines Waldmarsches fürs erste enthoben war, wieder glänzender Laune. Da ohnehin nicht daran zu denken war, sich mitten auf dem Fluß vor feindlichen Augen verbergen zu wollen, entzündete er seelenruhig seine Pfeife.
»Das ist ein so gutes Floß, wie nur je eins zurechtgezimmert wurde, Master«, sagte er, »ich wollte, wir brauchten es bis zum Genesee nicht zu verlassen.«
»Weniger anstrengend ist die Floßfahrt gewiß«, versetzte Burns, »aber zweifellos auch sehr viel gefährlicher. Wir geben für Schützen, die links oder rechts in den Uferbüschen liegen, eine ausgezeichnete Zielscheibe ab.«
»Lieber ein paar Kugeln pfeifen hören, als über Baumwurzeln stolpern«, lachte Bob. »Außerdem scheint mir die Gefahr hier nicht größer als dort. Findet einer dieser Mingostrolche im Wald unsere Spur, haben wir zwei Minuten später eine ganze Bande auf dem Hals, und unsere Skalpe sind alle zusammen nicht einen Schilling mehr wert. Bleibt sich alles gleich.«
»Ich wollte, Ni-kun-tha wäre da«, sagte John.
»Um den seid nur unbesorgt«, tröstete Bob. »Der Junge scheint mir dazu gemacht, einen ganzen Irokesenstamm an der Nase herumzuführen. Hab' wahrhaftig nichts für die Roten übrig, und außerdem hat der Bursche mich einen Büffel genannt, trotzdem: er gefällt mir.«
»Ich bin glücklich, ihn bei uns zu wissen«, sagte der Farmer. »John und ich sind zwar auch in den Wäldern zu Hause, aber dieser Miami ist uns denn doch bei weitem überlegen. Außerdem verfügt er über eine Ruhe und Sicherheit – ich wollte auch, er wäre wieder da.«
Aber einstweilen war von Ni-kun-tha weit und breit nichts zu erblicken. Langsam und gleichmäßig trieb das Floß stromab.
WAY-TE-TA – DER BLONDE INDIANER
Schweigend dehnten sich die dunklen Wälder zur Linken und Rechten; die rauschenden Baumkronen spiegelten sich im glitzernden Wasser. Hätte man nicht jeden Augenblick mit einem heimtückischen Angriff blutgieriger Feinde rechnen müssen, die Fahrt auf dem ruhig dahinfließenden Wasser wäre Genuß und Erholung gewesen. Freilich, zunächst deutete nichts darauf hin, daß das Floß mit seiner Bemannung von Gegnern umlauert war; alles war friedlich und still, und ein goldener Glanz lag über Wasser und Wald.
Plötzlich stutzte John, dessen Ohr daran gewöhnt war, auch die leisesten Geräusche wahrzunehmen. »Hört ihr nichts?« fragte er.
Auch die anderen hoben nun lauschend die Köpfe und sahen sich gleich darauf betroffen an. Irgendjemand sang, ein einzelner Mann mit einer vollen, sonoren Stimme. Er sang englisch und zwar zur grenzenlosen Verblüffung der Lauschenden – ein Kinderlied, ein ziemlich bekanntes, das Bob wie John des öfteren von Kindern in den Kolonien gehört hatten. Der Gesang wurde vernehmlicher, je weiter sie fuhren. Plötzlich und ruckartig brach dann die Stimme mitten in einer Strophe ab. Die Männer sahen sich an, die Büchsen in den Händen,