Die besten Wildwestromane & Seegeschichten. Franz Treller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Franz Treller
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027238613
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fest und können uns nicht rühren. Dabei habe ich keine Minute Ruhe meiner Tochter wegen. Es ist entsetzlich!«

      Darauf wußte auch der starke Bob, den so leicht nichts aus dem Geleise warf, nichts zu entgegnen. Was hätte er auch sagen sollen?

      Nach etwa zwei Stunden erschien Ni-kun-tha am Ufer und winkte, ihn an Bord zu holen. John stieg in die Jolle, die sich am Heck des Schiffes im Wasser schaukelte und holte ihn herüber.

      Der Indianer zeigte auf das Dickicht, aus dem er eben gekommen war und sagte, während ein sonderbares Lächeln seine Lippen umspielte: »Dort Gefangener.«

      Alle drei fuhren auf. »Was?« schrie John, »der junge Waltham? Hier?«

      »Hugh. Er dort«, sagte der Häuptling.

      »Du hast ihn gesehen?«

      »Ni-kun-tha ihn sehen.«

      »Und die Piraten?«

      »Nur Toter Fuß da.«

      »Welch eine Fügung!« sagte der alte Puritaner leise.

      »Mein Bruder ist sicher, daß sonst keine Piraten auf der Insel sind?«

      »Ganz sicher. Nur Toter Fuß da.«

      »Ist ein Haus da?«

      »Großes Haus.«

      »Vater«, sagte John, »wir holen ihn. Auf der Stelle. Dann verlassen wir die Insel und legen irgendwoanders an.«

      »Gewiß müssen wir ihn holen«, versetzte der Alte, »und zwar unverzüglich. Können wir die Molly allein lassen, Bob?«

      »Denke schon, Master. Wird ja so lange nicht dauern. Und sollten die Piraten wirklich kommen, werden sie das Schiff hier auch nicht gleich entdecken. Sieht nicht so aus, als ob hier ihre Landestelle wäre. Werden sich dann erst in ihre Höhle begeben.«

      »Also, nehmt die Büchsen. Der Häuptling mag uns führen. Nimm auch die Axt mit, Bob.«

      »Ay, ay, Sir.«

      Sie begaben sich in die Jolle. Ni-kun-tha ließ sie ein gutes Stück um die Insel herumfahren, bevor er das Zeichen zur Landung gab. Sie bargen das Boot unter überhängenden Büschen und betraten unter der Führung des Indianers den Wald.

      Schon nach kurzem Marsch kamen sie auf eine Lichtung, auf der sich ein starkes Palisadenwerk erhob. Über den Pfahlspitzen zeigten sich mehrere Dächer. Ni-kun-tha kroch einer Schlange gleich durch das hohe Gras auf die Pforte in der Palisadenwand zu und kauerte sich sprungbereit daneben nieder. Burns und Bob blieben mit den schußfertigen Büchsen in den Büschen stehen, und John ging geradewegs auf die Pforte zu, klopfte hart an die Bohlen und brüllte: »Hallo, Skroop! Aufgemacht!«

      Es erfolgte keine Antwort; nichts regte sich hinter den Palisaden. »Er ganz gut hören. Er schon kommen«, flüsterte Ni-kun-tha. »Skroop! In des Henkers Namen, macht auf. Komme mit Botschaft von Hollins!« brüllte John in gewollt rauhem Ton.

      Jetzt hörte man Schritte und das taktmäßige Aufstoßen des Stelzfußes hinter der Palisadenwand. »Gemach, gemach!« brummte eine mürrische Stimme. »Bin kein Rennpferd.« Ein schwerer Riegelbalken wurde zurückgeschoben, und die Pforte öffnete sich. Der Stelzfuß tauchte in der Spalte auf. Sein nicht nur von Wind und Wetter gerötetes Gesicht zog sich in Falten, in den grauen dicht überbuschten Augen flackerte es; mißtrauisch musterte er den ihm unbekannten jungen Mann. »Wer seid Ihr? Was wollt Ihr hier?«

      »Das sollt Ihr gleich hören.« John trat einen Schritt vor.

      »Halt!« donnerte der Alte. »Erst die Losung!« Und er machte Miene, die Tür zuzuschlagen.

      Da tauchte, wie der Erde entstiegen, das dunkle Antlitz Ni-kun-thas vor ihm auf; einen Schreckensruf ausstoßend, taumelte der Stelzfuß zurück. In der Hand des Indianers blinkte der Tomahawk.

      »Nicht töten, Ni-kun-tha!« rief John.

      Der Indianer bückte sich blitzschnell und führte einen kurzen Schlag gegen das Holzbein des Invaliden, der mit einem gräßlichen Fluch zusammenbrach. Sekunden später lag Ni-kun-tha über ihm und schnürte ihm mit einem Stück Tau, das er vom Schiff mitgenommen hatte, die Arme über der Brust zusammen.

      Burns und Bob waren mittlerweile herausgekommen, und alle vier betraten jetzt den Hofraum hinter den Palisaden. »Wo ist der Gefangene?« fragte John. Der Stelzfuß antwortete mit einer Verwünschung. Bob Green hob die Axt. »Antworte, oder ich schlage dir den Schädel ein!« brüllte er. Der alte Burns hielt den Wütenden zurück. »Sprecht, Mann«, sagte er, sich an den Gebundenen wendend, »wir finden ihn doch. Erschwert uns die Sache nicht unnütz.«

      »Daß euch der Satan hole!« knirschte der Stelzfuß, »holt ihn euch meinetwegen und bringt ihn um die Ecke! Tut mir verdammt leid um den Burschen. Dachte, ihn vor dem Schurken Hotham bewahrt zu haben. Sitzt im oberen Stock.«

      Bob und John betraten das Haus, stiegen eine Treppe hinauf und riefen mit Aufwendung aller Stimmenkraft: »Sir Richard, wo seid Ihr?«

      »Hier!« ertönte von irgendwoher eine schwache Stimme.

      John fand die Tür und stellte fest, daß der Schlüssel außen steckte. Auf die Anwendung der Axt konnte deshalb verzichtet werden. Als John aufschloß und das Zimmer betrat, sah er sich einem jungen Mann gegenüber, dessen stubenbleiches, gut geschnittenes und von blonden Locken umgebenes Gesicht Spuren starker Erschöpfung zeigte. Er trat, als die Tür sich öffnete, ein paar Schritte zurück, und maß den Eintretenden, hinter dem nun noch ein riesenhafter, athletisch gebauter Mann – Bob – sichtbar wurde, mit einem Blick, in dem sich Trotz und Erbitterung mit aufkeimender Hoffnung sonderbar mischten.

      »Sir Richard Waltham?« sagte John, einen Schritt nähertretend.

      »Ja. Wer seid Ihr?«

      »Freunde. Wir wollen Euch hier herausholen. Waren früher schon einmal da – auf der anderen Insel; Ihr erinnert Euch?«

      Das Gesicht des jungen Mannes belebte sich, freudiger Glanz trat in seine hellen Augen. »Ja – ich kenne Euch wieder, wenn ich Euch auch nur undeutlich sah. Oh, Gott sei Dank!«

      »Wir wollten Euch damals schon holen, fanden das Nest aber leer. Doch kommt jetzt; wir müssen die Zeit nützen. Es ist im Augenblick keiner der Banditen da. Es ist besser, wir warten ihre Ankunft nicht ab. Seid Ihr sehr schwach?«

      »O nein, es geht schon. Und vollends jetzt, wo es in die Freiheit geht.«

      Sie eilten, von Bob Green gefolgt, die Treppe hinab und wurden unten vom alten Burns und dem Indianer in Empfang genommen. »Elias Burns«, sagte der Alte, »freue mich, Euch begrüßen zu können, Sir Richard. Der Zufall – oder sagen wir besser: Gottes Fügung hat uns Euer Versteck finden lassen.«

      »Ich werd' Euch das nie vergessen, Gentlemen«, sagte der Befreite. Sie betraten den Hof, und er erblickte den gebunden daliegenden Skroop. »Laßt uns den Mann ins Haus tragen«, sagte er, »er hat mich nicht schlecht behandelt.« Dem Wunsch wurde entsprochen; Bob und John trugen den Stelzfuß ins Haus und legten ihn in einem ebenerdigen Zimmer auf ein Bett. John lockerte seine Fesseln ein wenig, um ihm ein freieres Atmen zu ermöglichen. Der befreite Gefangene stand dabei. Der Gebundene warf dem jungen Mann aus seinen verquollenen Augen einen scheuen Blick zu. »Ist mir recht, daß Ihr freikommt«, murmelte er, »hab' nichts gegen Euch.«

      »Seht zu, daß Ihr von den Banditen wegkommt, Mann«, versetzte der Befreite. »Könnt Euch später an mich wenden, wenn Ihr Hilfe braucht. Wäret Ihr böse gewesen, Ihr hättet anders mit mir umspringen können.«

      Der Alte murmelte etwas Unverständliches und wälzte sich auf die Seite. Richard Waltham nahm eine kunstvoll beschlagene Büchse, einen Kugelbeutel und eine Jagdtasche von einem Wandhaken herab. »Mein Eigentum«, lächelte er, »ich hätte nicht gedacht, es wiederzusehen. Man hat es mir damals abgenommen. Laßt uns also gehen.« Sie verließen gleich darauf das Grundstück.

      Als sie sich dem Versteck der Jolle näherten, hörten sie plötzlich vom Wasser her Stimmen; unwillkürlich blieben sie stehen, um sich