»Wir kommen im Falle einer Gefechtsberührung tatsächlich in eine recht üble Lage«, entgegnete Waltham ernst. »Es wird uns zunächst nichts weiter übrig bleiben, als uns zum Troß zurückzuziehen und dort die Schlachtentscheidung abzuwarten. Auf keinen Fall können wir gegen die Franzosen, die uns wie Gentlemen behandelten, feindlich auftreten. Das wäre in jeder Weise unfair, und ich könnte mich nie dazu entschließen.«
»Will keinem Franzosen ans Leder«, brummte Bob, »hab' manches zurückgesteckt, aber wohin der Mensch gehört, dahin will er nun einmal. Na, wir werden ja sehen.«
Während der Lord auf den schweigsamen und bedrückten Farmer einredete, den das Ungewisse Schicksal seiner Kinder zu sehr bedrückte, als daß er anderen Dingen zugänglich gewesen wäre, wandte der Bootsmann sich dem geistesschwachen Manne zu, der zu seinem Schatten geworden war. »Was wird nun eigentlich aus dir, Way-te-ta«, sagte er, »ich meine, wenn wir aus dem Schlamassel heraus sind und wieder hingehen können, wo wir wollen?«
»Way-te-ta bleibt bei Bob«, sagte grinsend der Irre.
»So, Way-te-ta bleibt bei Bob«, brummte der Bootsmann. »Ist ja ganz nett von dir, mein Junge; freu mich über deine Anhänglichkeit; weiß bloß noch nicht recht, wie du dir das vorstellst. Übrigens, du erzählst doch immer, du seiest ein Oneida-Krieger. Willst du denn nicht zu deinen Kopfhautabschneidern?«
Das Gesicht des Mannes zog sich in Falten; seine Augen wurden stumpf; er schien ernsthaft nachzudenken. Nach einem Weilchen schüttelte er den Kopf. »Oneida gut«, sagte er, »aber – –«; er fand wohl keine Begründung, sein Kopf ging unruhig hin und her. »Way-te-ta bei Bob bleiben«, schloß er in beinahe trotzigem Ton.
»Schön. Also dann bleibst du bei mir. Ein bißchen Verstand scheinst du ja noch behalten zu haben. Mindestens hat's ausgereicht, unsere Skalpe zu retten, und das ist verdammt allerhand. Sowas vergißt Bob Green nicht.«
»Bob«, kicherte Way-te-ta, »Bob, Bob, Bob? Hahahaha! Way-te-ta weiß! Weiß alles. Sehr klug!«
»Na, es geht an, glaube ich«, grinste der Bootsmann, »ganz so weit her scheint's mir mit der Klugheit nicht zu sein; immerhin –«
Ein sonderbares Lächeln erschien auf dem Gesicht des Irren; er tippte sich mehrmals mit dem Finger gegen die Schläfe. »Hieß früher anders, Way-te-ta«, raunte er, »lange her. Da drin irgendwo. Weiß nicht!« Und er tippte sich abermals gegen die Stirn.
»Sehr wahrscheinlich, was du da erzählst, mein Junge«, sagte Bob. »Irgendwann scheinen deine ehrenwerten Oneida, die der Satan holen möge, dich deinen christlichen Eltern entführt zu haben. Weiß der Henker, was sie mit dir angestellt haben, daß dir der Grips durcheinander geriet. Sollen hübsche Methoden haben, die Kanaillen, hab' ich mir sagen lassen. Hätt' nicht viel gefehlt, und ich hätt's selbst ausprobieren können. Das werd' ich dir nicht vergessen, Boy. Komm nur erst wieder mit mir unter Christenmenschen, dann wollen wir sehen, ob wir dein bißchen Verstand nicht wieder ins richtige Gleis kriegen. Schade, daß ich nicht Haus und Hof habe. Treib' mich auf dem Ontario herum und hab' auch keine Lust, mein Geschäft aufzugeben. Aber irgendwo werd' ich dich schon unterbringen. Laß das nur Bob Greens Sorge sein.«
»Bleibt bei Bob! Way-te-ta bleibt bei Bob!« grinste der Irre.
Während des Marsches hatte die Bodengestaltung fortgesetzt gewechselt; gegenwärtig erstreckten sich waldige Höhen vor den Marschierenden, rechts und links zeigten sich kleine Gehölze, von Wiesenflächen unterbrochen, auf denen allerlei kümmerliches Buschwerk wuchs. Plötzlich ließ sich vom Wald her der scharfe Knall zahlloser Büchsen hören. Alles horchte auf; das Gespräch in der Marschkolonne verstummte, überall wurden die Gewehre überprüft. Auf scharfe Kommandos hin wurde das Marschtempo beschleunigt.
»Das Gefecht hat begonnen«, sagte Richard Waltham. Die anderen atmeten schwer. Das Gewehrfeuer wurde stärker und kam langsam näher; offenbar waren die vorgeschobenen Indianer zurückgeworfen worden.
Jetzt bliesen die Hörner das Haltesignal. Kommandos klangen auf, und die Kompanien zogen sich in Schlachtordnung auseinander.
Auf einem Hügel hielt General Dieskau zu Pferde, umgeben von seinen Adjutanten und Ordonnanzen, mit dem Glas den Höhenzug musternd, von dem der Kampflärm herüberdrang. Die an der rechten Flanke vorgehenden Indianer – Huronen und Seneca – erhielten Befehl zum Vorgehen. Sie schienen auf diesen Befehl nur gewartet zu haben; ihr wildes, gellendes »Who-whoop!« tönte schauerlich durch die Wälder. Adjutanten sprengten nach vorn, um Befehle zu überbringen. Die regulären Truppen vollzogen eine Schwenkung und bezogen an einem Gehölz Stellung, das ihnen für den Notfall Deckung zu gewähren vermochte. Dieskau war sich offensichtlich noch nicht klar darüber, welcher Machtgruppierung er gegenüberstand, obgleich schon am Vortage indianische Läufer die Nachricht gebracht hatten, daß englische Linientruppen im Anrücken seien.
Dieskau hätte sehr gern die Vereinigung mit den von Norden heranziehenden Truppen abgewartet; den Engländern kam es offensichtlich darauf an, diese Vereinigung zu verhindern und die Korps einzeln zu schlagen.
Fiebernd vor Erregung und von einer inneren Unruhe gejagt, standen unsere Freunde am Rande des Gehölzes und lauschten dem unentwegt knatternden Gewehrfeuer. An dem Anschwellen der Salven merkten sie bald, daß die vorgegangenen Indianer Gefechtsberührung hatten. Der General sandte ihnen jetzt zweihundert Flankeurs hinterher, gab aber seine Stellung an dem Gehölz noch nicht auf.
Indessen schien das Gefecht vorn zum Stehen gekommen zu sein; eben kamen Adjutanten zurück, die Bericht erstatteten.
Plötzlich dröhnten einige dumpfe Kanonenschläge auf; gleich darauf erklangen von rechts her in kurzen Abständen starke Gewehrsalven. Und von dort her kommend, brachen jetzt auch flüchtende Indianerhaufen durch das Holz; man hörte das donnernde »Hurra!« der Engländer und den dumpfen Schlag ihrer Trommeln.
Dieskau ließ seine Geschütze nach rechts in Stellung bringen und zwei Kompanien ausgeschwärmt vorgehen. Die Indianer wurden von dem Schwung der regulären Truppen wieder mit nach vorn gerissen. Immer näher kam das Gewehrfeuer.
»Die Unseren dringen vor«, flüsterte Richard Waltham. Mit blassen Gesichtern, unschlüssig, was sie tun sollten, standen die anderen, nur Way-te-ta schien der kriegerische Lärm Spaß zu machen; er hüpfte herum und krähte vor Vergnügen wie ein Kind. Die Lage war für die unfreiwilligen Gäste der französischen Truppen um so beunruhigender, als sie keine Ahnung vom Stande der Schlacht hatten und weder die Stärke der Engländer noch die Gefechtspläne der Franzosen kannten. Klar schien nur, daß General Dieskau unerwartet angegriffen worden war und Verteidigungsstellung bezogen hatte.
Die nach rechts beorderten zwei Kompanien waren mittlerweile im Kampf begriffen; die Flüchtlinge hörten das gellende »Vive le roi!« der Franzosen und dazwischen das brausende »Hurra!« der Engländer, vermengt mit dem langgezogenen, grausenerregenden »Who-whoop!« der Indianer, zu sich herüberdringen. Die Dinge schienen auch hier für die Franzosen nicht günstig zu stehen, denn Dieskau sandte jetzt noch eine Kompanie hinterher, ließ sämtliche Reservetruppen in das Gehölz eintreten und befahl, an dessen Rand Verhaue anzulegen. Dem Befehl wurde in fieberhafter Eile Folge geleistet.
Von der Front her kam der Kanonendonner näher, und auch das Gewehrfeuer aus der Flanke verstärkte sich, ein Zeichen dafür, daß die Engländer von beiden Seiten her Raum gewannen. Jetzt brüllten zum ersten Male die französischen Geschütze, aber da wurden rechts auch schon die leuchtend roten Röcke der englischen Grenadiere sichtbar, die im Begriff waren, die französischen Kompanien mit dem Bajonett zurückzujagen.
Way-te-ta gröhlte und krähte; der Kanonendonner, die gellenden Rufe, der dumpfe Ton der Trommeln, die Signalhörner und die unentwegt peitschenden Gewehrsalven schienen ihn um den letzten Rest seines Verstandes gebracht zu haben. Während der Rückzug der französischen Linie auf beiden Seiten sich in regellose Flucht zu wandeln begann und das englische