Das Anliegen des Buches besteht darin, auf Fragen nach Theorien, Konzepten und Qualität, nach Auftrag, Klarheit und Beziehung, nach Kommunikation, Kooperation und Lösungsfindung näher einzugehen und sie an der systemischen Beratung in der schulsozialpädagogischen Praxis zu erklären.
Das Beispiel einer 15-jährigen Schülerin vermittelt insofern einen ersten Eindruck, als Lisa mit 13 Jahren die Schule verlässt, zwei Jahre durch Orte und Städte tingelt und regelmäßig mit ihrem Hund in die kommunale Einrichtung eines Mädchenkrisenhauses geht. Schlimmer hätte es nicht werden können, sagt sie, als Erinnerungen an Familie und Schulzeit das zum Teil selbstgefährdende Verhalten des Mädchens bestimmen und unerträgliche Ereignisse Anlass dafür waren, aus alldem auszusteigen. Wie andere Mädchen in der Einrichtung gehört auch Lisa zu den Schulverweigerinnen. Die Aufgabe der sozialpädagogischen Fachkräfte besteht darin, die Mädchen zu begleiten und zu beraten. Die Arbeit soll man niedrigschwellig ansetzen, um Vertrauen zu gewinnen. In der Beratung soll Lisa darin bestärkt werden, sich wegen ihres Drogenkonsums für eine unterstützende Maßnahme zu entscheiden. Sie soll dabei unterstützt werden, wieder auf einen gesunden Weg zu gelangen. Kontakte gibt es genug, nur Lisa soll auch »wollen«. Nach einem Gespräch mit einer Freundin findet sie von sich aus nach zwei Jahren den Weg zurück zur Schule. Nach anfänglicher Eingewöhnung sucht Lisa die Schulsozialarbeiterin auf, denn nicht immer schafft sie es, regelmäßig zur Schule zu gehen.
Will man einem »Fall« wie Lisa angemessen begegnen, ist Professionalität eine unbedingte Voraussetzung. Was bedeutet das?
Schulsozialarbeit ist heute eine politisch gewollte Erweiterung der Jugendhilfe. Schülerinnen wie Lisa sollen frühzeitig die Möglichkeit haben, sich beraten und begleiten zu lassen. In den Sozial- und Erziehungswissenschaften gewinnt die systemische Beratung zunehmend an Bedeutung, und systemische Beratungskonzepte werden in der Sozialen Arbeit vielerorts praktiziert. Es sind aber auch Unterscheidungen zu treffen.
Der Begriff »systemisch« wird häufig unreflektiert angewandt, und die Frage, was genau damit gemeint ist, wird oft mit der Erklärung, dass man ganzheitlich und in Systemen denke, für ausreichend beantwortet gehalten. Jedoch geht es eher um die Frage: »Wie gucke ich, und wie handele ich?«
Was ist denn eigentlich systemisch, und was ist ein Systemiker? Die Antwort auf die Frage an eine Schulsozialarbeiterin, wie sie ihren Beratungsansatz bezeichnen würde, lautete: »Ich bin Systemikerin.« Damit schien alles gesagt zu sein. Die Anschlussfrage, was genau sie damit meine, lautete: »Ich arbeite mit Systemen.« Wie man sich das vorstellen könne? »Ich berate, mache Mädchentrainings und unterstütze Theatergruppen mit der Klassenlehrerin.«
Solche oder ähnliche Aussagen lassen das Verständnis des Begriffs verschwimmen. Sie führen dazu, als systemisch alles zu bezeichnen, was individuell als Beratung oder Begleitung verstanden wird. Schnell lassen sie den Verdacht aufkommen, dass die Schulsozialarbeiterin selbst keine genauen Vorstellungen davon hat, was sie tut, wenn sie berät. Allein deshalb ist es wichtig, wesentliche theoretische Aspekte anzusprechen, die ein Verstehen in der Praxis erleichtern.
Es soll gezeigt werden, dass eine systemische Schulsozialarbeit mit einer wissenschaftlichen Theorie, einer klaren Haltung und einem fundierten Denk- und Beratungsansatz zu einem spezifischen Profil für die Schulsozialarbeit beiträgt. Für die Schulsozialarbeit soll der Anspruch erhoben werden, ihr Handeln theoretisch, konzeptionell und methodisch zu untermauern. Dies gilt sowohl in der Beratungsarbeit für Einzelne, Familien und Gruppen als auch für unterschiedliche Trainings wie Förderung von sozialem Lernen, Krisenintervention oder Unterstützung einer konstruktiven Streit- und Kommunikationskultur. Jedoch sollte die systemische Schulsozialarbeit sich nicht allein auf ein methodisches Können beschränken, sondern an der Entwicklung der Profession teilnehmen und bei der Formulierung ihrer Ziele mitwirken. Das mag als Herausforderung gelten, und gerade dazu möchte das Buch einen Beitrag leisten.
Zum Aufbau des Buches
Zunächst geht es in Teil I um einen jeweils eigenständigen wie auch gemeinsamen Kontext von Schule und Schulsozialarbeit, in dem beide Systeme mitgedacht werden. Zusammenhänge erklären sich, wenn wir sie metaperspektivisch betrachten. Es geht darum, einen Überblick über die vorhandenen Strukturen und einen Eindruck von systemischem Denken in komplexen Systemen zu gewinnen. Wozu soll es eigentlich systemisch sein? … Neben Methoden und Konzepten gehört die systemische Grundhaltung zur elementaren Ausrüstung gelingender Beratung. Sie wird mit systemtheoretischen Ansätzen untermauert, die für den praktischen Bereich relevant erscheinen. Es ist jedoch nicht von einem »fertigen Produkt« in Form einer Anleitung auszugehen, vielmehr wird es Anregungen für die Praxis und viele Fallbeispiele geben. Ebenso werden gängige systemische Begriffe erklärt und Handlungsperspektiven für ein Fundament systemischer Schulsozialarbeit zusammengeführt. Die eigene Haltung und Orientierung wird zur wichtigen Ressource. Damit gestaltet sich der Übergang zu Teil II, der sich mit der Eingebundenheit des Schulsozialarbeiters in Systemen beschäftigt. Der metaperspektivische Blick auf sich selbst ermöglicht ein anderes Sehen, führt zu Entwicklung in den eigenen Reihen. Die systemische Haltung zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch, taucht immer wieder auf, verfestigt sich und macht auch vor Interventionen nicht halt. Es wird um ausgewählte Beratungs- und Fragetechniken gehen, der Einsatz von Methoden wird an Fallbeispielen dargestellt. Sie führen zum methodischen Handeln, das an unterschiedlichen systemischen Modellen erprobt wird; auch auf den Ursprung dieser Modelle wird kurz eingegangen. Idealerweise wird der schulsozialpädagogische Kontext mit Geschichten von Max und Otto verbunden. Schließlich werden in Teil III die gewonnenen Erkenntnisse zusammengeführt und die Umsetzung einer systemisch-lösungsorientierten Beratung im schulsozialpädagogischen Alltag beschrieben. An Beispielen, die von Konfliktsituationen in der Schule, in Familien, unter Peers oder in Klassen bis hin zu gesundheitsgefährdendem Verhalten Einzelner reichen, werden systemische Methoden dargestellt und erläutert. Zuletzt geht es in Teil IV um beratende Funktionen in Form von Prozessverläufen und darum, Schulsozialarbeit intern wie extern an Ergebnissen zu präsentieren. Dazu werden Auswertungen bezüglich Beratungssituationen in quantitativer und qualitativer Form kurz erläutert.
Somit ist das Buch eine Einladung für Schulsozialarbeiter, die auf der Suche nach einer theoriegestützten Beratungsmethode sind, wie auch allgemein eine Einladung für alle Berater und Therapeuten, die mit Kindern, Jugendlichen und Familien arbeiten.
Aufgrund häufiger Nachfragen noch ein Wort zum Unterschied zwischen systemischer Beratung und Therapie: In der gängigen Literatur wird der Übergang als fließend beschrieben und jeweils die systemische Haltung in den Vordergrund gestellt. Beiden geht es um Gemeinsamkeiten im Rahmen von Veränderung, Erschließung neuer Perspektiven und darum, Lösungen mit dem Systemerleben zu verknüpfen. Beide arbeiten nach dem systemischen Ansatz