Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Леопольд фон Захер-Мазох
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027207350
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da war ich ein Held, wenn ich die Treppe hinab leuchtete und unten stehen blieb. Da wickelte sie sich behaglich ein, zog den Schleier herab, nickte allen freundlich zu, daß mir der Neid im Magen brannte und wenn die Glöckchen nur noch so aus der Ferne klangen, stand ich noch da und hielt mein Licht in der Hand, ganz krumm, das tropfte nur. So ein Tölpel, sag’ ich Ihnen!

      Dann waren die Tanzstunden zu Ende und ich sah sie lange nicht.

      Da wachte ich Nachts auf und hatte geweint und wußte nicht warum, da lernte ich verliebte Gedichte auswendig und sagte sie tüchtig her, Alles meinem Kleiderstock; da hatte ich Muth und phantasirte, nahm die Guitarre und sang, daß unser alter Jagdhund unter dem Ofen hervorkroch, die Nase zum Himmel hob und heulte.

      Dann kam mir im Frühjahr die Idee, auf die Jagd zu gehen. Streife so im Gebirge, lege mich über eine Schlucht und wie ich so liege, da brechen die Zweige und kommt das Dickicht herab ein großer Bär, langsam, ganz langsam. – Ich bin ganz stille und im Walde ist es stille – nur ein Rabe fliegt über mir und schreit. – Da faßt mich eine namenlose Angst, ich mache das Kreuz und athme nicht einmal und wie er hinab ist – laufe ich was ich laufen kann.

      Da war dann der Jahrmarkt – Verzeihen Sie, ich erzähle Ihnen wohl Alles erbärmlich durcheinander. – Da fahr’ ich denn auf den Jahrmarkt und wie ich so gehe, ist sie auch da. – Richtig! ich vergesse zu sagen wie sie heißt: Nikolaja Senkow also. Einen Gang hatte sie jetzt wie eine Fürstin und auch die Zöpfe hingen ihr nicht mehr herab, sondern lagen auf ihrem Haupte wie ein goldener Reif und ihr Gang war so frei, sie wiegte sich und die Falten ihres Kleides rauschten so anmuthig, man konnte sich in dieses Rauschen allein verlieben. – Da lärmt der Jahrmarkt, der Handel, rings herum, da traben die Bauern in ihren schweren Stiefeln, da schießen die Juden durch das Gedränge, das schreit und jammert und lacht, und die Buben haben kleine hölzerne Pfeifchen gekauft und pfeifen. Aber sie hat mich gleich gesehen.

      Da faß ich mir ein Herz, sehe mich um und denke: »Halt! Du gibst ihr die Sonne! das wird sie freuen! was kannst du mehr geben?« – Verzeihen Sie, es war eine Sonne von Lebzelten, prächtig vergoldet, sag’ ich Ihnen. Sie fiel mir von weitem auf und machte ein erstauntes Gesicht wie unser Pfarrer, wenn er Jemand umsonst begraben soll. Gut ich habe dießmal Courage wie der Teufel, gehe, werfe meinen Zwanziger hin – es war mein einziger – und kaufe die Sonne. Mache dann große Schritte und erwische mein Fräulein richtig bei einer Falte; was eigentlich recht unanständig war, aber so ist man, wenn man verliebt ist, ganz unanständig! – erwische sie und präsentire ihr die Sonne und was denken Sie, was thut meine Nikolaja?«

      »Sie bedankt sich wohl.«

      »Bedankt sich? – Sie – sie lacht mir ins Gesicht, lacht auch ihr Vater, lacht ihre Mutter, lachen ihre Schwestern und Basen, alle Senkows lachen! Mir ist zu Muthe wie an der Schlucht dort, wie der Bär so langsam kommt. Ich möchte laufen, aber ich schäme mich; die Senkows etwa lachen so fort. – Es sind reiche Leute und wir waren eben so – wir hatten unser Auskommen; da stecke ich beide Hände in die Taschen und spreche: »Das ist nicht schön, Pana Nikolaja, daß Sie so lachen. Mein Vater hat mir nichts gegeben als den Zwanziger für den Jahrmarkt, den hab’ ich für Sie hingeworfen wie ein Fürst, wenn er seine zwanzig Dörfer nimmt und Ihnen so hinwirft. – Haben Sie die Gnade also –« – ich konnte nicht weiter – mir kamen die hellen Thränen. So ein ganzer Tölpel, sag’ ich Ihnen. Aber die Pana Nikolaja nimmt meine Sonne so mit beiden Händen an die Brust und sieht mich an. Ihre Augen waren so groß, so weit – die ganze Welt schien mir nicht so weit – und so tief! es zog einen so hinein und sie bat mich, mit ihren Augen bat sie mich, ihre Lippen zuckten nur so –

      Da schrie ich auf! »O! was für ein Tölpel bin ich, Pana Nikolaja! Die Sonne möchte ich jetzt herunterreißen vom Himmel, Gottes wahrhaftige, lichte Sonne und Ihnen zu Füßen legen, lache Sie mich nur aus, lachen Sie.« – Da kommt ein polnischer Graf gefahren. Sechs Pferde hat er vorgespannt und sitzt auf dem Bock mit der Peitsche, fliegt nur so hin, sag’ ich Ihnen, auf seiner Britschka, mitten durch den Jahrmarkt. Ein Unsinn! fährt da so schnell. Das schreit nur, ein Jude kugelt sich am Boden, meine Senkows ergreifen die Flucht, nur Nikolaja steht starr, hebt nur die Hand gegen die Pferde. Ich sie um den Leib und trage sie. Nikolaja die Hände um meinen Hals. Alles schreit, ich aber möchte tanzen mit ihr auf dem Arme. Da ist der Graf auch vorbei mit seiner Britschka, das Mädchen aus meinen Armen, ein Moment, sag’ ich Ihnen! Polak das! fährt da so schnell!

      »Aber ich erzähle Ihnen das Alles wie ich es erlebt habe, ich will mich kurz fassen –«

      »Nein! nein; wir Russen erzählen gerne und lassen uns gerne erzählen. Fahren Sie nur so fort.« Ich streckte mich auf meiner Bank aus. Er stopfte sich eine neue Pfeife.

      »Es ist so Alles eins,« meinte er, »Arrestanten sind wir einmal, also hören Sie die Geschichte zu Ende.«

      Da hat uns der polnische Graf getrennt von der tapferen Familie. Meine Senkows waren in alle vier Winde zerstreut. Glauben Sie, ich habe sie gesucht? Pana Nikolaja hängt sich in mich ein, ganz sanft und ich führe sie zu ihren Leuten, das heißt, ich sehe mich immer um, damit ich sie von weitem entdecke und noch zu rechter Zeit in eine andere Gasse von Marktbuden einbiegen kann. Ich hebe meinen Kopf stolz wie ein Kosak und wir plaudern. Was gleich? Da sitzt ein Weib und verkauft Kannen. Pana Nikolaja behauptet, die irdenen Kannen sind besser für das Wasser und ich die hölzernen, nur um so zu reden; sie lobt die französischen Bücher und ich die deutschen; sie die Hunde, ich die Katzen, und ich widersprach nur, um sie reden zu hören, so allerliebst! und wenn sie zornig wurde – diese Stimme! – wie Musik, sag’ ich Ihnen! Endlich hatten mich die Senkows umstellt wie ein Wild, es war nicht mehr auszuweichen, da liefen wir denn Vater Senkow gerade in die Arme. Der wollte gleich nach Hause fahren. Gut. Ich hatte jetzt meine Courage beisammen, schrie den Kutscher recht an und sage ihm dann, wie er fahren soll. Hebe zuerst Madame Senkow in den Wagen, stoße dann Vater Senkow, der einsteigt, so hinterrucks – wissen Sie – hinein, Alles damit ich mich dann auf ein Knie niederlassen, Nikolaja auf das andere ihren Fuß setzen und auf ihren Sitz springen kann. Kommen noch die Schwestern und Basen, küsse noch ein halbes Dutzend Hände, der Kutscher peitscht in die Pferde, fort sind sie. –

      – Es ist wirklich – Sie verzeihen – wenn ich nur könnte – so eine schlechte Gewohnheit – so zu erzählen. Aber ich fahre lieber fort, sonst halte ich noch mehr auf. Endlich sind wir ja Arrestanten.

      Also der Jahrmarkt!

      Da hab’ ich mich verkauft, sag’ ich Ihnen, mich wie ich da bin. Da ging ich herum wie ein Thier, das seinen Herrn verloren hat. Ganz verloren war ich.

      Den nächsten Tag ritt ich hinaus auf das Dorf der Senkows, wurde gut empfangen. Nikolaja war ernster als sonst, ließ das Köpfchen etwas hängen. Auch ich wurde traurig, sah sie an und dachte »was bist du so? Ich bin dein, deine Sache, dein Geschöpf, mache mit mir was du willst, ich bin dein, lache doch!« – Ich dachte gar nicht, daß sie Etwas mehr wünschen könnte.

      Ich ritt jetzt oft hinaus zu den Senkows.

      Einmal sagte ich zu Nikolaja: »Erlauben Sie mir, daß ich nicht mehr lüge.« Sie sah mich erstaunt an. »Sie lügen?« – »Da sage ich Ihnen, ich bin Ihr Knecht, meine Seele gehört Ihnen; da falle ich Ihnen zu Füßen, küsse Ihre Fußstapfen und bin es nicht und thue es nicht. Erlauben Sie, daß ich nicht mehr lüge.« – Glauben Sie mir. ich – ich hörte noch in derselben Stunde auf zu lügen.

      Nach einiger Zeit sagte unser alter Kosak so zu den Dienstleuten: »Unser junger Herr ist jetzt andächtig geworden, hat der förmliche Flecke auf den Knien.« – So. Jetzt muß ich Ihnen von einem Hunde erzählen.

      Die Senkows hatten ihr Dorf näher dem Gebirge als wir. Sie hatten zahlreiche Schafe im Freien auf der Weide, nah dem tiefen Walde. Der Lagerplatz war von einem tüchtigen Zaun eingeschlossen. Da machten die Hirten Nachts ihre Feuer, hatten ihre Stöcke mit Eisen beschlagen, sogar eine alte Entenflinte mit einem Lauf und ein paar Wolfshunde. Alles wie gesagt, weil es nahe dem Gebirge war und die Wölfe und Bären liefen dort herum wie die Hühner und waren zahlreich und vermehrten sich in einer Weise wie die Juden.

      Da war ein schwarzer Wolfshund.

      Sie nannten ihn Kohle.

      Er