Als Lanskoi am folgenden Tage gegen Mittag in den Salon der Gräfin Branischa trat, fand er sie in grande parure zur Ausfahrt bereit, der Haarturm, welcher wie frischgefallener Schnee schimmerte, war mit blitzenden Juwelen in allen Farben durchflochten, die einen Regenbogen von seltener Kostbarkeit bildeten, zwei schwere seidene Roben, die untere in farbigen Blumen, die obere in Gold und Silber gestickt, bauschten sich über einander.
»Ich habe vernommen, daß man heute Nacht die Eisberge auf der Newa errichtet hat,« rief ihm die kleine Frau entgegen.
»So ist es, Gräfin.«
»Wir wollen hinfahren und sie ansehen,« fuhr die Gräfin Branischa fort, »ich freue mich kindisch, es giebt so viel Spaß dabei.«
»Ich stehe zu Diensten.«
»Vielleicht sehen wir auch bei dieser Gelegenheit die Göttin, welche Sie anbeten.«
»Es wäre ein Glück, das ich garnicht zu hoffen wage.«
Die kleine Frau begnügte sich, den Frevler mit einem Fächerschlag zu strafen, barg ihren zarten Körper mit seinem ritterlichen Beistand in kostbare Winterhüllen, und bald saßen sie weich aneinander geschmiegt im Schlitten, der sie im Fluge entführte; mit hellem Schellengeklingel kamen sie auf der matt silbernen, fest gefrorenen Decke der Newa an und hielten in der Nähe der beiden Eisberge, welche dieselbe hoch überragten. Lanskoi hob die kleine Frau aus dem Schlitten und nun schritt sie fröhlich, von der Seite mit einem stolzen Lächeln zu ihm aufblickend, an seinem Arme dahin.
Zwei Gerüste von etwa fünfzig Fuß Höhe waren in einer Entfernung von achthundert Schritten von einander aufgestellt. Jedes derselben hatte in der Mitte eine Plattform, zu der man auf einer hölzernen Treppe gelangte, während die andere sich steil zur Erde neigende Seite mit Eisblöcken ausgefüllt war, die durch Aufgießen von Wasser während der Nacht zu einer spiegelglatten Schlittenbahn verkittet worden waren. Zu beiden Seiten standen hohe grüne Tannen in das Eis gepflanzt. Unablässig erstiegen Leute aller Stände, vornehme Damen, durch sibirische Wintertracht kenntlich, Offiziere, Kaufleute, gemeine Muschiks die Treppe, um sich oben in einen kleinen flachen Schlitten zu setzen und von einem der bärtigen Männer, die daraus ein Geschäft machten, gegen Zahlung einiger Kopeken, mit Hülfe eines mächtigen Schwunges die schimmernde Bahn mit fabelhafter Geschwindigkeit hinabführen zu lassen.
Tausende von Menschen wogten hin und her, kostbare Schlitten, in denen reich gekleidete Damen saßen, während die Herren gleich Dienern rückwärts standen, teilten die Menge, ein Musikcorps spielte und die armen Muschiks sprangen wie die dressierten Bären umher, lachten und sangen.
»Kommen Sie, Lanskoi,« sagte die Gräfin Branischa, nachdem sie eine Weile zugesehen und sich an der Geschicklichkeit und Ungeschicklichkeit der Fahrenden gleich erlustigt hatten, »wir wollen es auch einmal versuchen. Nehmen wir einen Führer, oder darf ich mich Ihrer Kunst anvertrauen?«
»Erlauben Sie mir den Schlitten zu lenken,« bat Lanskoi.
»Sehr gern,« lachte die kleine Frau, »aber unter der Bedingung, daß, wenn wir umwerfen, ich auf Sie zu liegen komme, ich werde Sie nicht erdrücken.«
Das junge, schöne, heitere Paar stieg rasch die Stufen des Gerüstes aufwärts, mietete oben einen bequemen Schlitten, in dem sich die Gräfin Branischa anmutig niederließ, während Lanskoi voran seinen Platz einnahm. Er blickte noch einmal lächelnd auf seine reizende Gefährtin zurück und gab dann dem Fuhrwerk den entscheidenden Stoß, es nur mit seinen Händen lenkend. Wie von Flügeln fortgerissen, rasten sie den Abhang hinab und kamen glücklich unter fröhlichem Lachen und Beifall der Menge unten an. Als sie ausstiegen, blickte alles auf das prächtige Paar. »Sie ist sehr hübsch,« sagte eine alte Schnapshändlerin zu einem Kuchenverkäufer, »er aber ist die Schönheit selbst.«
Immer von neuem stieg die Gräfin mit ihrem Anbeter empor, und jedesmal führte er sie blitzschnell und sicher den steilen Abhang herab. Es war reizend anzusehen, wie sie vor Freude in die Hände klatschte, oder die Arme lachend von rückwärts um seinen Nacken schlang.
Wieder waren die beiden auf der Plattform angelangt und stiegen fröhlich in den Schlitten, den der Lakai der Gräfin ihnen jedesmal nachtrug, wenn sie die Stufen erklommen, schon war der erste Schwung, der dem gefährlichen Fahrzeug die Richtung giebt, gelungen, schon sauste das Paar den Eisberg hinab und Lanskoi saß da, kühn und stolz wie Apollo, der den Sonnenwagen lenkt, da mit einem male verließ der Schlitten die Bahn, stieß mit aller Gewalt gegen das Geländer, schlug um, und eine bunte Masse flog den Abhang hinab. Ein allgemeiner Aufschrei begleitete den Unfall, aber schon erhob sich die Gräfin Branischa, welche auf Lanskoi wie auf einem Fauteuil saß, purpurrot zwar, aber kichernd und schüttelte die kleinen blitzenden Eissternchen ab, mit denen ihr Samtmantel übersäet war, und auch Lanskoi zeigte sich unversehrt. »Mein Gott, wie sehen Sie aus,« flüsterte die Gräfin, als sie endlich Zeit gewonnen hatte ihn anzusehen, Lanskoi war totenblaß, seine Augen schienen aus ihren Höhlen zu treten, er bebte am ganzen Leibe wie ein Fieberkranker.
»Kommen Sie, Gräfin, kommen Sie,« bat er in einem Tone, den sie noch nie bei ihm gehört hatte, und schon hatte er ihren Arm in den seinen gelegt und zog sie fort. Die kleine reizende Frau aber wendete den Kopf zurück und suchte mit dem scharfen Instinkt des Weibes unter der Menge, die den Eisberg umgab, die Frau, die Lanskoi liebte; sie meinte mit einem male, daß nur ihr Anblick ihn so verwirrt und das ganze Unheil herbeigeführt haben konnte.
Und wie sie suchte und suchte, entdeckte sie plötzlich einen hochgebauten Schlitten mit zwei weißen Renntieren bespannt und in demselben ein Weib von seltener Schönheit, dessen Majestät durch den schweren Prunk ihrer Toilette nicht wenig erhöht wurde, und dieses schöne gebieterische Weib war die Kaiserin Katharina II. Wenn die kleine Branischa noch einen Augenblick in Zweifel gewesen wäre, ihre gefährliche Nebenbuhlerin entdeckt zu haben, so mußten ihr die Worte, die Lanskoi sprach, als sie in den Schlitten stiegen, Gewißheit geben. »Haben Sie nicht bemerkt, daß die Zarin gerade ankam, als wir stürzten?« fragte er.
»Ich denke vielmehr, wir stürzten, weil die Zarin ankam,« erwiderte die Gräfin ihn fixierend.
»Sie wird über mich gelacht haben,« murmelte Lanskoi mit einem Seufzer, »ich sah sie mit Korsakow sprechen, der hinter ihr auf dem Schlitten stand.«
Die kleine Frau zog ihren Schleier vor das Gesicht, um ihre Thränen zu verbergen. »Wer weiß, was sie ihm mitzuteilen hatte,« gab sie mit halberstickter Stimme zur Antwort, »sie liebt ihn ja.«
»Glauben Sie, daß eine Katharina einen Korsakow lieben kann?« gab Lanskoi rasch und heftig zurück. »Was ist er? Eine Puppe, ein gezähmter Affe, mit dem sie sich die Zeit vertreibt.«
»Nun, er ist doch ihr erklärter Günstling.«
»Es ist die Art der Löwin, daß sie gern mit Mäusen spielt.«
Damit endete das Gespräch.
Katharina II. ließ sich indes von Korsakow, der durch ihre Gunst vom gemeinen Gardesergeanten zum Grafen und Obersten emporgestiegen war, um die beiden Eisberge herumfahren und belustigte sich an dem kühnen Flug der kleinen Schlitten und den naiven Spaßen ihres Volkes. Auf der Rückfahrt lehnte sie sich plötzlich zurück und sagte zu Korsakow: »Kennst Du den Offizier, der sich der Branischa in so rührender Weise als Polster darbot?«
»Ich kenne ihn.«
»Wie nennt er sich?«
»Lanskoi.«
»Er schien mir hübsch zu sein.«
»Er gilt als der schönste Mann.«
»Wirklich! Er wird wohl sehr unglücklich sein, vor meinen Augen eine so lächerliche Rolle gespielt zu haben?«
»Das fürchte ich nicht.«
Die