»Wie soll ich Sie aber ansehen?« fragte der schöne Lanskoi naiv, »ich kann nicht verbergen, was ich für Sie fühle, Gräfin Branischa, ich kann es nicht!«
»Bah! Sie fangen mir an langweilig zu werden mit Ihrer schwärmerischen Anbetung. Unsere Herren am Hofe haben insgesamt keine Gefühle mehr, sie empfinden nur noch Wallungen des Blutes, aber zu viel Liebe ermüdet auch.«
»Ermüde ich Sie, Gräfin?«
»Mehr als das,« rief die lebhafte kleine Frau, ihm die Seide entreißend, »Sie fangen an mir unausstehlich zu werden.«
»Weshalb dulden Sie mich dann um sich?« fragte Lanskoi mit dem Erstaunen eines Kindes.
»Weil ich eben ein viel zu gutes Herz habe.« sprudelte die Gräfin Branischa hervor, »dieses Herz bringt mich beinahe täglich zu Schaden, ich hätte Ihnen längst den Abschied geben müssen, aber ich fühle noch immer Mitleid mit Ihnen und Ihrer Verzückung; jetzt ist es aber vorbei, ich will rücksichtslos sein und Ihnen die Wahrheit sagen: Ich liebe Sie nicht, und was noch viel schlimmer ist, ich verzweifle, sobald Sie nur eintreten, denn ich weiß dann, daß Sie mich mit Ihrer Zärtlichkeit wieder zu Tode ennuyieren werden.«
»Sie geben mir also den Abschied, Gräfin?«
»Ja, ja, gehen Sie.«
»Sie schicken mich fort, weil Sie mich nicht lieben?«
»Vielleicht nur, weil Sie mich zu sehr lieben.«
Lanskoi erhob sich mit dem unschuldigsten und reizendsten Lächeln von der Welt, schnallte seinen Degen um und führte die kleine Hand der schönen Branischa galant an die Lippen. Wie er so vor ihr stand, war er der schönste Mann, den nur die Phantasie eines großen Malers ersinnen kann, das herrliche Bild frischer Jugend und ungezwungner Noblesse. »Ich danke Ihnen für die Kunst, die Sie mich gelehrt haben,« sagte er.
»Welche Kunst?«
»Die Kunst geliebt zu werden,« gab Lanskoi mit einer leichten, graziösen Verneigung zur Antwort.
»Wie das?« rief Gräfin Branischa, »was geben Sie mir da für Rätsel auf?«
»Sie haben mir eben eine Lektion erteilt, die für mich unbezahlbar ist.«
»Sie betrachten Ihre Entlassung aus meinem Liebesdienst –«
»Als eine kostbare Lehre,« fiel Lanskoi der Gräfin in das Wort.
»Die Sie durchaus nicht zu betrüben scheint,« sprach die reizende Frau, ärgerlich an ihrem Taschentuche zerrend.
»Im Gegenteil, die mich entzückt.«
»Sie lügen!«
»Ich spreche die Wahrheit, gnädige Frau,« fuhr Lanskoi mit steigender Heiterkeit fort, »ich liebe mit aller Leidenschaft und Schwärmerei –«
»O! ich weiß –«
»Nein, nein, Sie wissen nicht,« unterbrach sie Lanskoi, »ich liebe eine Dame, deren Besitz mich zum Gotte, deren Verlust mich zum Elendesten der Menschen machen würde. Um nun bei dieser Dame keinen faux pas zu machen, entschloß ich mich, mich ihr erst dann zu nähern, wenn ich ebenso sicher bin, sie zu erobern als zu behaupten, wenn ich also nicht mehr Schüler, sondern Meister bin, in der Kunst geliebt zu werden. Ich bin also drei Jahre in die Schule gegangen, Gräfin, und wie es scheint, mit dem besten Erfolg. Ich war schwärmerisch, zärtlich, hingebend, voll Anbetung und habe Sie – gelangweilt; ich werde also bei der Dame, die ich liebe, trocken, kalt, ablehnend, voll Gleichgültigkeit erscheinen und werde sie bezaubern. Diese Theorie verdanke ich Ihnen, und Sie werden jetzt wohl verstehen, weshalb ich mich so sehr für Ihren Schuldner halte.«
»Abscheulich!« rief die Gräfin, »Sie haben mich also nicht geliebt?«
»Aufrichtigkeit gegen Aufrichtigkeit: Nein!«
»O! Sie sind ein Ungeheuer, Lanskoi!«
»Ich war nur Ihr gelehriger Schüler, Madame.«
»Und diese andere, die Sie lieben,« sagte Gräfin Branischa nach einer Weile, »ist sie schön?«
»Alle Welt sagt es.«
»Schöner wie ich?«
»Man nennt sie die Krone ihres Geschlechtes.«
Die kleine Gräfin sprang von ihrem Sitze auf, mit einer Wildheit, die sich bei dem gepuderten Haarturm, den sie trug, dem Pompadourschlafrock und den Stöckelschuhen eigentlich recht komisch ausnahm, klapperte auf ihren roten Stelzchen mit der Tragik einer Schauspielerin von Versailles im Zimmer auf und ab, warf eine kostbare Schale an die Wand, daß die Scherben gleich den Splittern einer Granate umherflogen, ergriff den kleinen Schürhaken, um damit der Reihe nach alle die kleinen dickbäuchigen Porzellanchinesen auf dem Kaminsims zu köpfen, und brach endlich in lautes Weinen aus.
»Ich habe Sie gekränkt, Gräfin,« flüsterte Lanskoi, während er sich ihr näherte, »das lag nicht in meiner Absicht, vergeben Sie mir.«
»Sagen Sie, daß Sie mich lieben, dann will ich nicht mehr weinen,« gab die reizende Frau, wie ein kleines Kind schmollend, zurück.
»Welche Laune mit einem male!«
»Versichern Sie mir, daß ich schön bin,« fuhr die Gräfin fort, »daß es in Ihren Augen keine reizendere Dame giebt als mich, daß dies alles nur eine boshafte Komödie war, die Sie gespielt haben, mir nur zu beweisen, daß Sie amüsant sein können, eine Strafe, die ich durch meine Unart verdient habe –«
»Aber, Gräfin,« unterbrach Lanskoi das Wortgesprudel der kleinen Frau, »Sie lieben mich ja nicht –«
»Ich liebe Sie nicht?« Sie blieb vor ihm stehen und ballte die kleinen Fäuste, »Sie verdienen es garnicht, daß ich Sie so sehr liebe –«
»Aber vor einer Viertelstunde schickten Sie mich doch fort!«
»Das war – vor einer Viertelstunde, jetzt liebe ich Sie und liebe Sie leidenschaftlich,« sie schlang rasch beide Arme um seinen Nacken und zog ihn an sich, »mich so zu quälen, nun sagen Sie mir endlich, daß – daß Sie mich anbeten.«
»Gräfin, Sie sind in der That eine bezaubernde Frau und Sie würden mich jetzt zu Ihren Füßen sehen, wenn ich nicht – eine andere lieben würde.«
»Sie wollen mich nicht?«
»Ich darf Ihnen nicht huldigen, mein Herz ist vergeben.«
»Schwören Sie.«
»Ich schwöre.«
»O! ich bin die unglücklichste Frau von der Welt!« Sie warf sich auf das Ruhebett und schluchzte heftig, während Lanskoi laut zu lachen begann. »Was, Sie können noch lachen, Sie Abscheulicher?«
»Ich freue mich nur des Sieges meiner Theorie,« sprach Lanskoi ruhig, »es scheint, daß ich die Kunst geliebt zu werden sehr gründlich bei Ihnen gelernt habe, da eine Viertelstunde der Kälte, der Gleichgültigkeit von meiner Seite genügt hat, diese Leidenschaft in Ihnen zu entzünden, die Sie meine Zärtlichkeit und Schwärmerei so langweilig, so unerträglich fanden.«
»Sie verschmähen mich also wirklich, Lanskoi?«
»Nein, reizende Gräfin,« entgegnete der junge Offizier mit einem feinen Lächeln um die vollen Lippen, »ich will Ihnen sogar recht eifrig den Hof machen, wenn Sie damit zufrieden sind, daß ich mich von Ihnen lieben lasse und dabei für eine andere Frau glühe.«
»Ach! ist sie denn wirklich gar so schön?« fragte die Gräfin. Sie richtete sich auf, trocknete ihre Augen und blickte mit süßem Verlangen auf Lanskoi.
»Die griechischen Bildner haben nichts vollkommneres geschaffen,« gab Lanskoi zur Antwort, »wenn die Welt gegen die Mitlebenden je gerecht sein könnte, würde sie dieses herrliche Weib in Marmor meißeln und in einen Tempel stellen als Göttin der Liebe.«
»Wirklich! Und ich kenne diese Frau? Ich will sie kennen, Lanskoi,« rief die Gräfin Branischa.
»Wenn