AJAX
Ja doch, löwenkrank; krank an einem stolzen Herzen. Ihr mögts Melancholie nennen, wenn Ihr höflich von dem Manne reden wollt; aber, bei meinem Haupt, 's ist Stolz. Nur, auf was, auf was? Er soll uns einmal einen Grund angeben! Ein Wort, mein Fürst!
Nimmt Agamemnon auf die Seite.
NESTOR
Was hat Ajax, daß er so gegen ihn bellt?
ULYSSES
Achilles hat ihm seinen Narren abspenstig gemacht.
NESTOR
Wen? Thersites?
ULYSSES
Eben den.
NESTOR
Dann wirds dem Ajax an Stoff fehlen, wenn er sein Thema verloren hat.
ULYSSES
Nein, Ihr seht, der ist sein Thema, der sein Thema hat: Achilles.
NESTOR
Das kann nicht schaden; sie sind besser zerschellt als gesellt. Aber das war ein starkes Bündnis, das ein Narr trennen konnte!
ULYSSES
Die Freundschaft, welche Weisheit nicht knüpfte, kann Torheit leicht auflösen.
Patroklus kommt zurück. Hier kommt Patroklus. [Patroklus kommt zurück. ]
NESTOR
Kein Achilles mit ihm.
ULYSSES
Der Elefant hat Gelenke, aber keine für die Höflichkeit; seine Beine sind Beine fürs Bedürfnis, nicht für die Verbeugung.
PATROKLUS
Achill heißt mich Euch sagen, er bedaure,
Wenn etwas sonst als Eure Lust und Kurzweil
Eur Gnaden jetzt nebst Euren edlen Freunden
Zu ihm geführt; er hofft, es sei allein
Für Eur Verdaun und der Gesundheit wegen,
Ein Gang nach Eurer Mahlzeit.
AGAMEMNON
Hört, Patroklus,
Wir kennen dies Erwidern nur zu gut.
Doch dieser Vorwand, so mit Hohn beschwingt,
Kann doch nicht Unsrer Wahrnehmung entfliegen.
Manch seltnen Wert besitzt er, mancher Grund
Heißt Uns dies eingestehn; doch seine Tugend,
Nicht tugendlich verwendet seinerseits,
Verlor in Unsern Augen fast den Glanz,
Ja, gleich der Würz in ungesunder Speise,
Verdirbt wohl ungekostet. Meldet ihm,
Wir kommen, ihn zu sehn. Ihr sündigt nicht,
Wenn Ihr ihm sagt, er dünk Uns mehr als stolz
Und minder als gesittet: viel größer noch
In eignem Hochmut als nach echter Schätzung.
Manch Beßrer krümmt sich hier der spröden Wildheit,
In die er sich verlarvt,
Entäußert sich der heilgen Herrschermacht
Und räumt ihm ein, nachsichtig und aus Schonung,
Den Vorrang seiner Laune, ja, bewacht
Sein kindisch Wechsein, seine Ebb und Flut,
Als ob der Laut und Fortgang dieses Kriegs
Mit seiner Wittrung schiffte. Sagt ihm dies;
Sagt noch, daß, wenn er so sich überschätzt,
Wir ihn verschmähn; dann lieg er wie ein Rüstzeug,
Zu dem man spricht, weils zum Gebrauch zu schwer:
Bewegung her, dies kann nicht in den Krieg!
Und daß wir vorziehn einen rührgen Zwerg
Dem Riesen, welcher schläft. Dies alles sagt ihm!
PATROKLUS
Ich tu's und bring Euch Antwort unverzüglich.
Geht ab.
AGAMEMNON
Antwort durch fremden Mund genügt uns nicht;
Er komme selbst. – Geht Ihr, Ulyß, zu ihm!
Ulysses geht ab.
AJAX
Was ist er mehr als andre?
AGAMEMNON
Nicht mehr, als was er selbst zu sein wähnt.
AJAX
So viel? Und glaubt Ihr nicht, daß er sich ein beßrer Mann dünkt als ich?
AGAMEMNON
Das ist kein Zweifel.
AJAX
Und teilt Ihr diesen Dünkel? Bejaht Ihrs?
AGAMEMNON
Nein, edler Ajax; Ihr seid ebenso stark, so tapfer, so klug, so edel und viel gesitteter.
AJAX
Warum sollte ein Mensch stolz sein? Wo kommt der Stolz her? Ich weiß nicht, was Stolz ist!
AGAMEMNON
Eur Gemüt ist um so reiner, Ajax, und Eure Tugenden um so leuchtender. Wer stolz ist, verzehrt sich selbst; Stolz ist sein eigner Spiegel; seine eigne Trompete, seine eigne Chronik; und wer sich selbst preist, außer durch die Tat, vernichtet die Tat im Preise.
Ulysses kommt zurück.
AJAX
Ich hasse einen stolzen Mann, wie ich das Brüten der Kröten hasse.
NESTOR
beiseit. Und liebst dich doch selber; ist das nicht seltsam? [Ulysses kommt zurück. ]
ULYSSES
Achill will morgen nicht im Feld erscheinen.
AGAMEMNON
Womit entschuldigt ers?
ULYSSES
Den Grund verschweigt er;
Dem Strome seiner Stimmung folgt er nach
Und weigert jedem Ehrfurcht und Gehorsam
In selbstisch eigenwilliger Verstocktheit.
AGAMEMNON
Warum nicht kommt er, freundlich doch ersucht,
Aus seinem Zelt und teilt die Luft mit uns?
ULYSSES
Ein Stäubchen, die Verhandlung zu erschweren,
Macht er zum Berg; er ist an Größe krank;
Ja, mit sich selbst nur redend, schnaubt sein Hochmut,
Und ihm versagt der Atem. Eigendünkel
Erregt sein Blut durch so erhitzten Schwulst,
Daß, wie des Leibs und Geistes Kräfte kämpfen,
Sein Reich des Lebens in Empörung wütet
Und den Achilles niederstürzt. Was noch?
So pestkrank ist sein Stolz, daß jede Beule
Ruft: Keine Rettung!
AGAMEMNON
Ajax geh zu ihm! –
Mein teurer Fürst, geht Ihr hinein und grüßt ihn;
Man sagt, er schätz Euch sehr und kommt vielleicht
Ein wenig zu sich selbst, von Euch ermahnt.
ULYSSES
O Agamemnon,