Den harten Klotz. Den überreifen Stolz,
Der hoch in Saat geschossen in dem argen
Achill, muß unsre Sichel schleunig mähn,
Sonst streut er rings dieselbe böse Saat,
Uns alle zu ersticken.
NESTOR
Wohl! Und wie?
ULYSSES
Der Kampf, zu dem der tapfre Hektor ruft,
Obschon in Allgemeinheit ausgesprochen,
Zielt doch zunachst allein nur auf Achill.
NESTOR
Der Zweck ist augenfällig; wie ein Ganzes,
Des Großheit sich aus kleinen Teilen formt.
Und wird dies kundgetan, so zweifle nicht,
Achilles, wär auch sein Gehirn so trocken
Als Libyens Strand – und doch, Apoll bezeugs,
's ist dürr genug –, wird mit eilfertgem Urteil,
Ja, unverzüglich, Hektors Zweck durchschaun,
Daß er auf ihn gezielt.
ULYSSES
Und sich der Fordrung stellen, denkt Ihr?
NESTOR
Ja;
So muß es sein. Wer mißt sich sonst mit ihm,
Der aus dem Kampf mit Hektor Ehre brächte,
Als nur Achill? Ists gleich ein Spielgefecht,
Hängt an der Kampfesprobe doch die Meinung.
Denn unser Köstlichstes schmeckt hier der Troer
Mit seinem feinsten Gaum; und glaubt, Ulysses,
Es geht um unser ganzes Ansehn da
Bei diesem tollen Tun; denn der Erfolg,
Obschon des einen Mannes, gibt den Ausschlag Dem allgemeinen gut und schlimmen Ruf – Und solcher Index, ob auch kleine Lettern, Verglichen mit der Bände Folge, zeigt In Kindsgestalt den Riesenkörper schon Von dem, was kommen soll. – Man sieht im Streiter, Der sich dem Hektor stellt, nur unsre Wahl; Und Wahl, einmütger Einklang alles Urteils, Leiht Würde dem Erkornen, kocht heraus Gleichsam von unsrer aller Wert und Kraft Die Quintessenz des Manns. Mißlingt es dem, Welch Herz faßt dann der Sieger in dem Kampf, Die eingebildte Ehre noch zu stählen! Der Ehrenpunkt belebt dann jedes Werkzeug Nicht minder kraftvoll, als Geschoß und Schwert Vom Arm geführt.
ULYSSES
Verzeihung meinem Wort.
Drum muß Achilles nicht mit Hektor kämpfen. Zeigt wie ein Krämer erst die schlechtste Ware, Vielleicht bringt Ihr sie an; geläng es nicht, Dann wird der Glanz der bessern Euch erhöht, Zeigt Ihr die schlechte erst. Drum gebt nicht zu, daß Hektor und Achill zusammen fechten; Sonst folgen unsrer Schmach wie unserm Ruhm Zwei höchst verderbliche Gefährten nach.
NESTOR
Mein altes Auge sieht sie nicht; wer sind sie?
ULYSSES
Der Ruhm, den sich Achill erringt vom Hektor,
War er nicht stolz, wir alle teilten ihn;
Doch allzu übermutig ward er schon,
Und lieber möcht uns Libyens Sonne dörren,
Als seiner Augen Stolz und bittrer Hohn,
Besiegt ihn Hektor nicht. Und wich er ihm,
Zerstörten wir den allgemeinen Glauben
Durch unsres Helden Schmach. Nein, losen wir
Und lenkens klug, daß Tölpel Ajax ziehe
Das Blatt zum Kampf mit Hektor. Unter uns
Rühm Euer Zeugnis ihn als besten Krieger;
Das wird Arznei dem großen Myrmidonen,
Der auf die Volksgunst pocht; dann sinkt sein Kamm,
Der stolz sich wie der Regenbogen bäumt.
Kommt der schwerköpfge Ajax heil davon,
Erhebt ihn unser Lob, und schlägts ihm fehl,
Dann bleibt doch stets die Meinung unverletzt,
Daß wir noch beßre haben. Wie's auch fällt,
Des Plans geheime Absicht muß gelingen:
Ajax, erwählt, rupft dem Achill die Schwingen.
NESTOR
Ulysses,
Jetzt fängt dein Vorschlag an, mir einzuleuchten;
Und ungesäumt soll Agamemnon gleichfalls
Ihn kosten. – Gehn wir in sein Zelt sofort!
Hier zähm ein Hund den andern: Stolz allein
Muß dieser Bullenbeißer Knochen sein.
Sie gehn ab.
ZWEITER AKT
ERSTE SZENE
Das griechische Lager
Ajax und Thersites treten auf.
AJAX
Thersites!
THERSITES
Agamemnon – wie, wenn er Beulen hätte? Vollauf, über und über, allenthalben –
AJAX
Thersites!
THERSITES
– und die Beulen liefen; gesetzt, so wärs: liefe dann nicht der ganze Feldherr? – Wäre das nicht eine offne Eiterbeule?
AJAX
Hund!
THERSITES
Auf die Art käme doch etwas Materielles aus ihm; jetzt seh ich gar nichts.
AJAX
Du Brut einer Wolfspetze, kannst du nicht hören? So fühle denn!
Schlägt ihn.
THERSITES
Daß dich die griechische Pestilenz, du köterhafter, kuhdummer Lord!
AJAX
Sprich denn, du abgestandner Klumpen Sauerteig, sprich! Ich will dich zu einer hübschen Figur prügeln!
THERSITES
Ich könnte dich leichter zu einem Witzigen und Gottesfürchtigen lästern; aber dein Hengst hält eher eine Rede aus dem Kopf, als du ein Gebet auswendig sprichst. Du kannst schlagen, nicht? Das kannst du? Die Pferdeseuche über deine Gaulmanieren!
AJAX
Giftpilz! Erzähle mir, was hat man ausgerufen?
THERSITES
Denkst du, ich sei fühllos, daß du mich so schlägst?
AJAX
Was hat man ausgerufen?
THERSITES
Man hat dich als Narren ausgerufen, denk ich.
AJAX
Nimm dich in acht, Stachelschwein, nimm dich in acht! Meine Finger jucken!
THERSITES