CRESSIDA
Wie es Euch gefällt.
PANDARUS
Hier, hier ist ein allerliebster Platz, hier können wirs recht schmuck mitansehn. Ich will sie dir alle bei Namen nennen, wie sie vorbeiziehn; merke nur vor allen auf Troilus.
Äneas geht über die Bühne.
CRESSIDA
Sprecht nicht so laut.
PANDARUS
Das ist Äneas; ist das nicht ein hübscher Mann? Es ist eine rechte Blume unter den Troern, das kann ich dir sagen. Aber merke nur auf Troilus; gleich wird er kommen!
Antenor geht vorüber.
CRESSIDA
Wer ist das?
[Antenor geht vorüber. ]
PANDARUS
Das ist Antenor, der ist recht kurz angebunden, das kann ich dir sagen, und ist ein guter Soldat; einer von den besten Köpfen in ganz Troja, und ein artiger Mann in seiner ganzen Person. – Wann kommt doch Troilus? Gleich sollst du Troilus sehn. Gib acht, wie er nicken wird, wenn er mich sieht.
CRESSIDA
Nickt er immer ein, wenn er Euch sieht? –
PANDARUS
Ihr sollt es sehen.
CRESSIDA
Falls er es tut, sollen die Reichen noch mehr haben.
Hektor geht vorüber.
PANDARUS
Das ist Hektor, der da, der da! Siehst du, der! Das ist ein Kavalier! Gott sei mit dir, Hektor! Das ist ein wackrer Mann, Nichte. O du edler Hektor! Sieh, wie er um sich blickt! Das ist eine Haltung! Ists nicht ein stattlicher Mann?
CRESSIDA
Ein recht stattlicher Mann.
PANDARUS
Nicht wahr? Es ist eine rechte Herzenslust, ihn zu sehn. Sieh nur, wieviel Beulen auf seinem Helm sind! Sieh nur hin, siehst du's? Sieh nur hin! Mit dem ist nicht zu spaßen; der verstehts; mit dem solls einmal einer aufnehmen! Das nenn ich Hiebe!
CRESSIDA
Sind die von Schwertern?
[Paris geht vorüber. ]
PANDARUS
Von Schwertern? Von was sie wollen, das kümmert ihn nicht. Wenn auch der Teufel mit ihm anbände, das ist ihm alles gleich. Ja, beim Element, es ist eine wahre Lust! Ach, dort kommt Paris, dort kommt Paris;
Paris geht vorüber. siehst du dort, Nichte? Ist das nicht auch ein hübscher Mann? Nicht? – Ei, das ist ja allerliebst – wer sagte doch, er wäre heut verwundet? Nun, das wird für Helena eine rechte Freude sein. O wenn ich doch nur den Troilus sähe! Gleich wirst du Troilus zu sehn bekommen. Helenas geht vorüber.
CRESSIDA
Wer ist das?
[Helenas geht vorüber. ]
PANDARUS
Das ist Helenas. Ich begreife gar nicht, wo Troilus bleibt – das ist Helenus – er wird wohl gar nicht zu Felde gezogen sein – das ist Helenus.
CRESSIDA
Kann Helenus fechten, Onkel?
PANDARUS
Helenus? Nein – ja, er ficht so ziemlich erträglich. – Ich begreife nicht, wo Troilus bleibt. – Horch! Hörst du nicht, wie die Soldaten rufen: Troilus? – Helenus ist ein Priester.
CRESSIDA
Was für ein Duckmäuser kommt denn da heran?
Troilus geht vorüber.
PANDARUS
Wo, dort? Das ist Deiphobus – nein, Troilus ists! Ach, welch ein Mann! Nichte! Hem! O du wackrer Troilus! Du Fürst der Ritterschaft!
CRESSIDA
Still doch, ums Himmels willen, still!
PANDARUS
Gib acht auf ihn; faß ihn recht ins Auge – o du wackrer Troilus! Sieh ihn dir recht an, Nichte; siehst du, wie blutig sein Schwert ist und sein Helm noch mehr zerhauen als der des Hektor. Und wie er um sich blickt, wie er einhergeht! – O wunderschöner Jüngling; und noch nicht dreiundzwanzig! Geh mit Gott, Troilus, geh mit Gott; hätte ich eine Grazie zur Schwester oder eine Göttin zur Tochter, er sollte die Wahl haben. O wunderschöner Held! – Paris? Paris ist ein Quark gegen ihn, und ich wette, Helena tauschte gern und gäbe noch ein Auge obendrein in den Kauf.
[Mehrere Krieger ziehn vorüber. ]
CRESSIDA
Dort kommen noch mehr.
Gemeine Soldaten ziehen vorüber.
PANDARUS
Esel, Narren, Tölpel! Spreu und Kleie, Spreu und Kleie! Suppe nach der Mahlzeit! In Troilus' Anblick konnt ich leben und sterben. Sieh nicht weiter hin; die Adier sind vorüber; Krähen und Dohlen, Krähen und Dohlen! Lieber wär ich solch ein Held wie Troilus, als Agamemnon mit ganz Griechenland.
CRESSIDA
Die Griechen haben ihren Achilles; der übertrifft den Troilus.
PANDARUS
Achilles? Ein Lastträger, ein Karrenschieber, ein rechtes Kamel!
CRESSIDA
Nun, nun!
PANDARUS
Nun, nun? Hast du denn kein Urteil? Hast du denn keine Augen? Verstehst du, was ein Mann ist? Sind denn nicht Geburt, Schönheit, gute Figur, Beredsamkeit, Mannhaftigkeit, Bildung, Artigkeit, Tapferkeit, Jugend, Freigebigkeit, und was dem gleicht, die Spezereien und das Salz, die einen Mann würzen?
CRESSIDA
O ja; ein Mengelmus von einem Manne, und so in der Pastete gehackt und gebacken gibts ein Mus von lauter Mängeln.
PANDARUS
Was sind das nun wieder für Reden! Man weiß nie, auf welcher Lauer du liegst.
CRESSIDA
Auf meinem Rücken, um meinen Leib frei zu haben; auf meinem Witz, um meine Launen zu verteidigen; auf meiner Verschwiegenheit, um meinen guten Ruf zu sichern; meiner Maske vertrau ich, um meine Schönheit zu bewahren; dann endlich auch, um das alles zu schützen; und auf allen diesen Lauerplätzen lieg ich und habe wohl tausend Wachen.
PANDARUS
Nenne mir eine deiner Wachen.
CRESSIDA
Das ist eben meine Hauptwache, die gegen Euch gerichtet ist. Denn wenn ich erst nicht mehr behüten kann, was niemand finden sollte, so kann ich Euch wenigstens bewachen, daß Ihr nicht erfahrt, wie ich zu Schaden kam; es müßte denn so zunehmen, daß sichs nicht mehr verstecken ließe; und dann wärs ohnehin mit dem Wachen vorbei.
PANDARUS
Ihr seid mir die Rechte!
Der Page des Troilus kommt.
PAGE
Herr, mein Gebieter wünscht Euch gleich zu sprechen.
PANDARUS
Wo?
PAGE
In Euerm Hause, Herr; dort legt er seine Rüstung ab.
PANDARUS
Lieber Kleiner, sag ihm, ich komme gleich.
Der Page geht. Ich fürchte, er ist verwundet. Lebe wohl, liebe Nichte, lebe wohl!
CRESSIDA
Lebt wohl, Oheim!
PANDARUS
Ich bin gleich wieder bei Euch, Nichte.