Drei Jahre Gefangenschaft. Sie hatten ihre Spuren bei seinem Vater hinterlassen, und das nicht nur äußerlich. Dragos Männer hatten ihn gefoltert und einer massiven Gehirnwäsche unterzogen, um ihn umzudrehen. Und dann, ganz plötzlich, kam ihm der Zufall zu Hilfe und er konnte fliehen. Einfach so. Nach der langen Zeit. Zufall …
Eine Vollbremsung des Fahrers, die dazu führte, dass Nicks Oberkörper mit einem Ruck in den Gurt gepresst wurde, und der sofort eine lautstarke Schimpftirade des Fahrers folgte, die er mit erhobener Faust untermalte, beendete diese Gedanken, und Nick war nicht böse darum.
Erneut blickte er nach draußen, betrachtete die wieder schneller vorüberziehenden Symbole einer fremden, unbekannten Welt.
Etwa bei der Hälfte der Strecke überkam Nick eine solche Müdigkeit, dass er sich in den Sitz sinken ließ und die Augen schloss.
Es dauerte nicht lange, da tauchten Bilder auf von ihm und seinem Vater. Wie sie lachend mit Mountainbikes durch die Alpen fuhren, sich mit lauten Schreien in viertausend Metern Höhe aus einem Flugzeug stürzten, Nick vor dem Bauch seines Vaters festgegurtet, oder wie sie an einem abgelegenen See schweigend nebeneinandergesessen und geangelt hatten. Glückliche Momente. Unbeschwerte Momente, in denen …
Der Fahrer bremste erneut so scharf, dass Nicks Oberkörper nach vorne gedrückt wurde, doch es war kein Hindernis auf der Straße daran schuld, sondern die Tatsache, dass sie ihr Ziel erreicht hatten, wie der Fahrer so fröhlich verkündete, als könne er es selbst kaum fassen. Nick sah sich für einen Moment verwirrt um, bis er wieder vollkommen in der Realität angekommen war.
Die Vorderfront des acht- oder neunstöckigen Hotelgebäudes war völlig verglast und wirkte sehr modern. Der großzügig überdachte Ankunftsbereich vor dem Eingang war zu beiden Seiten gesäumt von mannshohen Palmen in großen weißen Blumenkübeln. Zwei Hotelangestellte in Livree sahen ihnen entgegen, machten allerdings keine Anstalten, ihre Plätze neben dem Eingang zu verlassen, als das Taxi kurz vor ihnen anhielt. Das taten dafür zwei der vier bulligen Männer in schwarzen Anzügen, die mit vor den Körpern verschränkten Händen ebenfalls vor dem Eingangsbereich postiert waren. Security, dachte Nick sofort. Und zwar von der Sorte, die nicht lange fackelte, da war er sicher, als die beiden neben dem Taxi stehen blieben und Nick mit starren Mienen dabei beobachteten, wie er den Fahrer bezahlte. Einer von ihnen hatte kurz geschorene blonde Haare, die Glatze des anderen glänzte wie frisch poliert.
Als er sich seinen Rucksack griff und die Tür zum Aussteigen öffnete, gingen die beiden einen Schritt zurück, ließen ihn aber nicht aus den Augen. Erst, als er sich vor ihnen aufrichtete und ihnen dabei nur bis zur Brust reichte, zuckten ein paar Muskeln im Gesicht des Blonden. Nachdem das Taxi hinter Nick weggefahren war, ging der Glatzkopf um ihn herum und postierte sich hinter ihm.
»Ja, bitte?«, sprach der Blonde Nick auf Englisch an.
»Ich möchte in das Hotel«, antwortete Nick und bemühte sich, seiner Stimme einen lockeren Klang zu geben.
»Aha. Bist du Gast?«
»Ja«, antwortete Nick ohne Zögern. Angriff war die beste Verteidigung.
»Wer sind deine Eltern?«
»Ich bin alleine hier.«
Die Augen des Mannes verengten sich kurz. »Alleine also. Ein Junge in deinem Alter.«
Die beiden Männer tauschten einen schnellen Blick, der Nick nichts Gutes erahnen ließ. »So, das reicht jetzt. Hier findet gerade eine Konferenz statt. Zutritt nur für Mitglieder der Delegation. Du solltest jetzt nach Hause gehen.«
Einen kurzen Moment war Nick versucht, den Namen seines Vaters zu nennen, der schließlich offiziell als Diplomat zur deutschen Delegation gehörte, doch er überlegte es sich anders. Noch sollte niemand wissen, dass er in Kinshasa war. Auch nicht sein Vater.
»Also los, Junge.« Der Glatzkopf war neben ihm aufgetaucht und deutete in die Richtung, aus der Nick gerade mit dem Taxi gekommen war. Nick sah ein, dass jede Diskussion zwecklos war.
»Du solltest tun, was er sagt«, riet Bruno. »Ich erkenne in seiner Stimme eindeutig Aggressionspotenzial.«
»Ist ja schon gut, ich gehe ja schon.« Das galt Bruno und dem Security-Mann gleichermaßen. Er wandte sich ab und trottete los. Im Grunde genommen hätte er sich denken können, dass er nicht so einfach in das Hotel spazieren konnte, in dem die Regierungsmitglieder der wichtigsten Industrienationen wohnten.
Als er sich weit genug vom Eingang entfernt hatte, dass die Security-Typen ihn nicht mehr sehen konnten, verließ er den Weg, huschte über eine gepflegte Rasenfläche und kehrte im Schutz von Bäumen und Sträuchern in einem großen Bogen wieder so weit zurück, bis er geschützt von einem großen Busch den Eingangsbereich einsehen konnte.
Dort ließ er sich ins Gras sinken und lugte durch eine Lücke in der sonst dichten Blätterwand. Ein guter Platz. Hier würde er warten und beobachten.
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