Wir fischten fleißig, fingen aber im Durchschnitt kaum einen Fisch in der Woche. Wir konnten Forellen zu Tausenden unter uns durch den leeren Raum hinschwimmen oder an Sandbänken auf dem Grunde schlafen sehen, aber anbeißen wollten sie nicht – vielleicht, daß sie die Angelschnur zu deutlich unterscheiden konnten. Oftmals lasen wir uns eine Forelle aus, die wir gerne haben wollten und ließen ihr den Köder mit unermüdlicher Geduld achtzig Fuß tief drunten dicht vor der Nase baumeln; aber sie schüttelte denselben nur verdrießlich ab und nahm eine andere Stellung ein.
Gelegentlich badeten wir, doch war das Wasser, obwohl es so sonnig aussah, ziemlich frisch. Manchmal ruderten wir hinaus nach dem ›blauen Wasser‹, eine oder zwei Meilen vom Ufer. Das Wasser war dort ganz dunkelblau wie Indigo wegen der ungeheuren Tiefe. Der amtlichen Messung zufolge ist der See in der Mitte 1525 Fuß tief!
Bisweilen streckten wir uns an müßigen Nachmittagen auf den Sand hin und lasen bei einer Pfeife ein paar alte abgegriffene Erzählungen. Abends am Lagerfeuer spielten wir zur Herzstärkung ›Euchre‹ und ›Seven Up‹, und zwar mit so fettigen und schäbigen Karten, daß nur eine den ganzen Sommer fortgefetzte Bekanntschaft mit ihnen es ermöglichte, bei gehöriger Aufmerksamkeit das Kreuz-Aß vom Schellen-Buben zu unterscheiden.
In unserm ›Hause‹ schliefen wir niemals; das kam uns gar nicht in den Sinn; überdies hatten wir es ja nur gebaut, um das Anrecht auf Grund und Boden zu erhalten, und das genügte. Zuviel zumuten wollten wir ihm nicht.
Allmählich begannen unsere Lebensmittel knapp zu werden; wir kehrten deshalb ins alte Lager zurück, um neue Vorräte zu holen. Wir waren den ganzen Tag fort und kamen erst mit Einbruch der Nacht ziemlich müde und hungrig wieder heim. Während Johnny die Hauptmasse der Lebensmittel zu späterem Gebrauch in unser Haus trug, schaffte ich den Brotlaib, etliche Schnitten Schinken und den Kaffeetopf ans Ufer, stellte die Sachen an einem Baum ab, zündete ein Feuer an und ging dann nach dem Boote zurück, um die Bratpfanne zu holen. Unterwegs hörte ich einen Schrei von Johnny, und als ich aufblickte, sah ich mein Feuer über die ganze Umgegend hin galoppieren. Johnny befand sich jenseits desselben und mußte durch die Flammen hindurchlaufen, um das Seeufer zu gewinnen; dann standen wir hilflos da und beobachteten die Verwüstung, die der Brand anrichtete.
Der Boden war mit einer hohen Schicht trockener Fichtennadeln bedeckt, die bei der ersten Berührung mit dem Feuer aufflammten wie Schießpulver. Es war merkwürdig anzusehen, mit wie rasender Eile die gewaltige Flammensäule sich fortbewegte. Mein Kaffeetopf war dahin und alles andere mit ihm. Nach anderthalb Minuten ergriff das Feuer einen dichten Busch trockenen Manzanita-Gesträuchs von sechs bis acht Fuß Höhe, und nun wurde das Brausen, Zischen und Prasseln geradezu fürchterlich. Die durchdringende Hitze trieb uns in das Boot, wo wir, wie durch einen Zauber gefesselt, verblieben.
Binnen einer halben Stunde war alles vor unseren Augen ein rasendes und blendendes Flammenmeer. Das Feuer brauste an den nächsten Hügelkämmen empor, überstieg dieselben und verschwand in den jenseitigen Schluchten, um dann plötzlich auf ferneren und höheren Bergrücken abermals zum Vorschein zu kommen, wo es eine noch gewaltigere Helle ausstrahlte und dann wieder untertauchte. Dann flammte es wieder auf, höher und immer höher am Bergeshang, sandte Glutströme wie Plänklerketten da und dorthin aus, die sich dann in rotglühenden Schlangenlinien zwischen fernen Bergwänden, Klippen und Schlünden hinwälzten, bis die hoch aufragenden Gebirgsstöcke, so weit das Auge reichte, von roten Lavabächen überzogen waren, die einem verschlungenen Netzwerk glichen. Weithin über dem Wasser erstrahlten die Felshörner und Bergkuppen in grellrotem Glanz, und das Firmament droben flammte in einer wahren Höllenglut!
Dieses Schauspiel wiederholte sich Zug für Zug in dem glühenden Spiegel des Sees! Beide Bilder waren erhaben, beide schön, doch zeigte das Spiegelbild im See eine staunenswerte Farbenpracht, welche das Auge noch unwiderstehlicher fesselte und entzückte.
Vier lange Stunden saßen wir in uns versunken und regungslos da; wir dachten weder an Speise noch Trank und fühlten keine Ermüdung. Um elf Uhr hatte der Brand unseren Gesichtskreis überschritten und allmählich lagerte sich das Dunkel wieder über die Landschaft.
Jetzt meldete sich der Hunger; aber es gab nichts zu essen. Die Lebensmittel waren ohne Zweifel sämtlich gekocht und gebraten; doch nahmen wir sie nicht in Augenschein. Wir waren wieder heimat-und besitzlose Wandervögel. Unser Zaun war fort, unser Haus verbrannt und nicht einmal versichert gewesen. Unser Fichtenwald war gehörig versengt, die abgestorbenen Bäume sämtlich verbrannt und die weiten Strecken Manzanita-Gebüsch weggefegt. Unsere Decken indes befanden sich an unserem gewohnten Schlafplatz auf dem Sande; so legten wir uns denn nieder und schliefen ein. Am nächsten Morgen brachen wir wieder nach dem alten Lager auf, aber während wir noch eine weite Strecke vom Ufer entfernt waren, brauste ein gewaltiger Sturm heran, so daß wir nicht zu landen wagten. So schöpfte ich denn die Wasserstürze aus, die uns ins Boot schlugen, während Johnny mit Macht durch die Wogen ruderte, bis wir drei oder vier Meilen jenseits des Lagers eine gute Landungsstelle erreicht hatten. Der Sturm blies immer stärker, und es wurde uns immer klarer, daß wir besser thäten, das Boot auf gut Glück auf den Strand laufen zu lassen, als uns der Gefahr auszusetzen, in hundert Faden tiefem Wasser zu versinken. So fuhren wir denn aufs Land zu, hohe, weiße Wellenkämme hinter uns; ich saß hinten auf dem letzten Brette und lenkte die Spitze des Bootes nach dem Ufer hin. Im Augenblick, als dasselbe aufstieß, kam eine Welle über den Stern herüber, welche Mannschaft und Ladung ans Ufer spülte und uns dadurch viele Mühe und Not ersparte. Den ganzen Tag über zitterten wir hinter einem Felsblock vor Frost und froren auch die ganze Nacht hindurch. Am Morgen hatte sich der Sturm gelegt und wir ruderten ohne jeden überflüssigen Aufenthalt nach dem Lager. Wir waren dermaßen ausgehungert, daß wir den ganzen Rest des Proviants der Brigade aufaßen; dann machten wir uns nach Carson auf, um ihnen zu beichten und sie um Absolution zu bitten. Gegen Zahlung des Schadens wurde dieselbe gewährt. Wir machten später noch manchen Ausflug nach dem See und bestanden haarsträubende Abenteuer, bei denen wir nur mit knapper Not davonkamen. Aber die Geschichte schweigt darüber.
Drittes Kapitel.
Ich kam jetzt zu dem festen Entschluß, mir ein Reitpferd anzuschaffen. Nie hatte ich, außer im Zirkus, eine so tolle, freie, prächtige Reitkunst gesehen, wie sie diese malerisch gekleideten Mexikaner, Kalifornier und mexikanisierten Amerikaner in Carson Tag für Tag zum besten gaben. Wie die ritten! Nur ein klein wenig nach vorn gebeugt, fegten sie durch die Straßen wie der Wind; die breite Krempe ihres Schlapphutes stand kerzengerade in die Höhe, und sie schwangen die lange Riata über dem Kopfe. Eine Minute darauf waren sie nur noch ein Staubwölkchen, weit draußen in der Wüste. Beim Traben waren sie stolz und anmutig auf dem Pferde, als wären sie mit demselben verwachsen und hopsten nicht auf und nieder nach der albernen Manier der Reitschulen. Ich hatte bald ein Pferd von einer Kuh unterscheiden gelernt und brannte vor Begier, noch mehr zu können; ich war entschlossen, mir ein Pferd zu kaufen. Während dieser Gedanke mir im Kopf herumschwirrte, kam der Auktionator auf einem schwarzen Tiere über die Plaza gejagt, es war höckerig und eckig wie ein Kamel und auch ebenso häßlich; allein es wurde versteigert: »zum drittenmal zweiundzwanzig – Pferd, Sattel und Zügel für zweiundzwanzig Dollars, meine Herren!« und da konnte ich kaum widerstehen.
Ein unbekannter Mann (wie sich später zeigte, war es der Bruder des Auktionators) bemerkte meine sehnsüchtigen Blicke und meinte, das sei doch für den Preis ein ganz respektables Pferd; der