Im Gold- und Silberland. Mark Twain. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mark Twain
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027212521
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mit, so daß wir schließlich eine ganze Menagerie auf Brettern und Fenstersimsen im Zimmer aufgestellt hatten. Manche von diesen Spinnen konnten ihre haarigen muskulösen Beine über eine gewöhnliche Untertasse auseinander sperren; und wenn ihre Gefühle verletzt wurden oder man ihrer Würde zu nahe trat, so mußte man sie nach ihrem Ausdruck für die heillosesten Halunken im ganzen Tierreich halten. Bei jeder noch so leisen Berührung ihrer gläsernen Gefängnisse waren sie in einem Augenblick auf den Beinen und kampfgerüstet. In der ersten Nacht nach der Rückkehr der Brigade wehte wie gewöhnlich ein wütender ›Zephyr‹, der um Mitternacht das Dach eines benachbarten Stalles fortblies, so daß eine Ecke desselben krachend durch unfern Ranch hereingefahren kam. Es erfolgte ein gleichzeitiges Erwachen, eine geräuschvolle Musterung der Brigade im Dunkeln und ein allgemeines Stolpern und Übereinanderpurzeln in dem schmalen Gange zwischen den Bettreihen. Mitten in dem Getümmel fuhr Bob H.– aus seinem gesunden Schlafe auf und stieß dabei mir dem Kopfe ein Brett herunter. Im selben Augenblick schrie er:

      »Reißt aus, Jungens, die Taranteln sind los!«

      Einen gräßlicheren Alarmruf hätte es nicht geben können. Niemand wagte mehr das Zimmer zu verlassen aus Furcht, auf eine Tarantel zu treten. Jeder tappte nach einem Koffer oder einem Bett und schwang sich hinauf. Dann folgte die eigentümlichste Stille – eine Stille gräßlicher Spannung, voll Erwartung, Hoffnung, Furcht. Es war pechfinster, und um das Schauspiel der vierzehn zu genießen, wie sie in höchst mangelhafter Toilette ängstlich auf Koffern und Betten hockten, mußte man sich schon mit der Einbildungskraft behelfen, denn zu sehen war schlechterdings nichts. Dann folgten gelegentlich kleine Unterbrechungen der Stille; man konnte an der Stimme erkennen, wer sprach und wo der Betreffende sich befand; auch vermochte man zu unterscheiden, aus welcher Richtung die sonstigen Geräusche kamen, die einer der armen Dulder durch sein Herumtappen oder eine Änderung seiner Körperlage verursachte. Die ab und zu vernehmbaren Stimmen waren nicht sehr gesprächig – man hörte nur ein schwaches ›Au!‹ gefolgt von einem tüchtigen Aufstampfen; dann wußte man, daß der betreffende Herr einen haarigen Teppich oder sonst etwas dergleichen auf der Haut gespürt und daraufhin einen Satz aus dem Bette auf den Stubenboden gemacht hatte. Darnach wieder tiefe Stille. Jetzt rief eine nach Luft schnappende Stimme:

      »Mi–mir Kabbelt etwas hinten am Hals hinauf!« Alle Augenblicke konnte man einen halbunterdrückten Schrei, ein schwaches Strampeln und ein angstvolles ›ach, Herrgott!‹ vernehmen – zum Zeichen, daß einer sich vor etwas zurückzog, was ihm wie eine Tarantel vorkam, und zwar ohne Zeitverlust. Nun schrie auf einmal hinten in der Ecke eine Stimme laut und wild auf:

      »Ich hab’ ihn! Ich hab’ ihn!« (Hierauf Pause, während der die Verhältnisse sich vermutlich änderten,) »Nein, er hat mich! O, geht denn gar niemand und holt eine Laterne?«

      In dem Augenblick erschien die Laterne in den Händen der Frau O’Flannigan. Nachdem diese aus dem Bett gestiegen und Licht gemacht, hatte sie trotz ihrer Begier, sich von der Größe des durch das feindliche Dach angerichteten Schadens zu überzeugen, wohlweislich nicht unterlassen, eine angemessene Weile zu warten, bevor sie oben nachsah, ob der Wind jetzt fertig oder noch mehr Unthaten vorhabe.

      Die Scenerie, welche sich enthüllte, als plötzlich der Schein der Laterne ins Zimmer strahlte, war malerisch und wäre vielleicht manchen Leuten komisch vorgekommen, für uns war sie es nicht. Wir saßen zwar in höchst wunderlicher Stellung und in einem nicht minder wunderlichen Aufzug auf Kisten, Koffern und Betten herum, allein wir hatten viel zu große Angst und fühlten uns zu unbehaglich, um etwas Komisches darin zu finden; so war denn nirgends auch nur der Schein eines Lächelns zu bemerken. Was mich betrifft, so kann ich mir nichts Ärgeres vorstellen als die Pein, die ich während der wenigen Minuten voll angstvoller Spannung im Dunkeln, umgeben von diesen kriechenden, blutgierigen Taranteln, erduldet hatte. In kaltem Todesschweiß war ich von Bett zu Bett, von Kiste zu Kiste gehüpft, und so oft ich an etwas Stacheligem streifte, bildete ich mir bereits ein, ich spüre die Fänge.

      Ich ginge lieber in den Krieg, als dieses Vorkommnis noch einmal mitzumachen. Es war übrigens niemand zu Schaden gekommen. Derjenige welcher glaubte, eine Tarantel ›habe ihn‹, irrte sich gründlich – er hatte sich nur die Finger in einen Kistenspalt geklemmt. Von den entwichenen Taranteln wurde keine jemals mehr gesehen; es waren zehn oder zwölf gewesen. Wir durchsuchten das Zimmer mit Licht von oben bis unten, jedoch ohne Erfolg. Dann gingen wir wohl zu Bette? O nein! Alles Gold der Welt hätte uns nicht dazu gebracht. Wir blieben die Nacht vollends auf, spielten ›Cribbage‹ und hielten scharfe Ausschau nach dem Feinde.

       Inhaltsverzeichnis

      Es war Ende August, der Himmel war wolkenlos und das Wetter prachtvoll. Im Laufe einiger Wochen hatte mich das merkwürdige neue Heimatland wunderbar bezaubert, und ich nahm mir vor, meine Rückkehr nach den ›Staaten‹ einige Zeit aufzuschieben. Ich hatte mich völlig daran gewöhnt, einen schadhaften Schlapphut, ein blaues Wollhemd und die Hosen in den Stiefelschäften zu tragen und war stolz auf den Mangel von Rock, Weste und Hosenträgern. Es war mir so rüpelhaft und ›großschnäuzig‹ zu Mute (wie der Historiker Josephus sich in seinem schönen Kapitel über die Zerstörung des Tempels ausdrückt). Ein so schönes und romantisches Leben konnte es nicht wieder geben, davon war ich fest überzeugt. Ich war zwar Regierungsbeamter, allein das diente nur zum äußeren Glanz. Das Amt war eine reine Sinekure. Ich hatte nichts zu thun und bezog keinen Gehalt. Ich war Privatsekretär Sr. Majestät des Sekretärs und für zwei gab es noch nicht Schreiberei genug. So widmete ich meine Zeit dem Vergnügen in Gesellschaft von Johnny K. –, dem jungen Sohn eines Nabobs in Ohio, der sich hier zu seiner Erholung aufhielt. Er fand diese auch. Wir hatten von der wundersamen Schönheit des Tahoe-Sees reden hören und schließlich trieb uns die Neugier, denselben in Augenschein zu nehmen. Drei oder vier Mitglieder der Brigade waren dort gewesen, hatten ein paar Holzschläge an seinen Ufern abgegrenzt und in ihrem Lager einen Vorrat von Lebensmitteln zurückgelassen. Wir schnallten uns ein paar wollene Decken auf den Rücken, nahmen jeder eine Axt und machten uns auf – denn wir wollten uns auch einen Waldranch oder so etwas anlegen und vornehme Leute werden.

      Wir waren zu Fuß. Der Leser wird es vorteilhafter finden, zu reiten. Man sagte uns, es sei elf Meilen Weges. Lange marschierten wir auf ebenem Boden, dann klommen wir mühsam einen vielleicht tausend Fuß hohen Berg hinauf und hielten Umschau. Kein See da. Wir stiegen auf der andern Seite wieder hinunter, gingen über die Thalmulde hinüber und quälten uns noch einen Berg hinauf, der uns drei-bis viertausend Fuß hoch vorkam, um abermals Umschau zu halten. Noch immer kein See. Müde und schweißtriefend setzten wir uns nieder und mieteten uns ein paar Chinesen, um die Leute zu verfluchen, die uns zum besten gehabt hatten. Nach dieser Erfrischung nahmen wir unsern Marsch mit erneuter Kraft und Entschlossenheit abermals auf. Zwei oder drei Stunden schleppten wir uns noch weiter, bis endlich mit einemmal der See vor uns lag – eine herrliche blaue Wasserfläche, sechstausend dreihundert Fuß über dem Meeresspiegel und von einer Kette schneebedeckter Berggipfel umrahmt, die sich noch volle dreitausend Fuß höher auftürmten. Es war ein riesiges Oval von reichlich achtzig bis hundert Meilen Umfang. Wie er so dalag, während die Schattenbilder der Berge sich herrlich auf seiner stillen Oberfläche wiederspiegelten, war ich überzeugt, daß es sicherlich auf der ganzen Erde kein schöneres Bild geben könne.

      Wir fanden den kleinen Kahn, welcher der Brigade gehörte, und fuhren ohne Zeitverlust über eine tiefe Einbuchtung des Sees auf die Meßstangen zu, welche das Lager bezeichneten. Ich ließ Johnny rudern – nicht aus Scheu vor der Anstrengung, sondern weil mir übel davon wird, wenn ich beim Arbeiten rückwärts fahre. Dagegen steuerte ich. Nach einer Fahrt von drei Meilen langten wir gerade mit Einbruch der Nacht an dem Lager an; todmüde und mit einem wahren Wolfshunger stiegen wir ans Land. In einer Höhlung unter den Felsen fanden wir die Vorräte und das Kochgeschirr und nun setzte ich mich trotz meiner Erschöpfung auf einen Felsblock und beaufsichtigte die Zurüstungen, während Johnny Holz sammelte und das Essen bereitete. Mancher, der so viel geleistet hatte, wie ich, hätte sich wohl vor allem nach Ruhe gesehnt.

      Es gab ein köstliches Essen – warmes Brot, gebratenen Speck und schwarzen