Josuah Parker entschloß sich, diese ungastliche Stätte nun doch zu verlassen. Er wollte nicht zwischen die Fronten zweier streitenden und schießenden Parteien geraten.
Er ging zurück in das Büro, öffnete eines der beiden Fenster und nickte anerkennend, als er an der Außenwand eine Feuerleiter ausmachte. Sie bot sich ihm direkt an, lud ihn freundlichst ein, nach unten zu steigen.
Parker konnte und wollte nicht widerstehen.
Vom Fensterbrett aus stieg er über und kletterte dann würdevoll und ohne Hast nach unten in den Hof. Alles klappte wie am Schnürchen, wie das bei Parker eigentlich auch nicht anders zu erwarten war. Es gab nur eine kleine, fast unbedeutende Panne. Sie ereignete sich genau in dem Augenblick, als Parkers schwarze Melone von einem harten Gegenstand getroffen wurde. Unter der Wucht dieses Aufpralls wurde die mit Stahlblech ausgefütterte Melone tief in Parkers Stirn getrieben. Selbst seine Ohren verschwanden unter der Kopfbedeckung.
Josuah Parker konnte es nicht verhindern, daß er für wenige Minuten die Besinnung und den Überblick verlor …
*
»Wenn mich nicht alles täuscht, muß ich Sie schon mal gesehen haben«, stellte Josuah Parker fest.
Seinem Pokergesicht war nicht anzumerken, daß er nun schon seit fast drei Stunden in einem lichtlosen Raum festgehalten wurde. Er schien diese Einzel- und Dunkelhaft ohne Schaden überstanden zu haben.
Er hatte sich übrigens nicht getäuscht. Er kannte die beiden Männer, die ihn jetzt besuchten. Es waren die beiden Gangster Tony Strickton und Stan Bigels. Es waren jene beiden Männer, die er in den Lastenaufzug eingesperrt und mit kaltem Wasser berieselt hatte.
»Sie haben uns gesehen, aber noch nicht richtig kennengelernt«, antwortete Strickton gereizt. »Das haben Sie wohl nicht erwartet, was?«
»Worauf spielen Sie an, wenn ich in aller Form danach fragen darf?«
»Daß wir Sie doch wieder erwischt haben.« Strickton lachte auf. »Hatte ich mir doch gleich gedacht, daß Sie zu Candels gehen würden.«
»Verfügen Sie über telepathische Kenntnisse?« erkundigte sich der Butler.
»Ihnen wird das Spotten noch vergehen, Parker. Bei uns weht ein anderer Wind als bei Candels.«
»Wie recht Sie haben.« Parker faßte nach den immer noch leicht brennenden Ohren. »Sie haben einem alten und müden Mann arg mitgespielt.«
»Die Tour können Sie aufstecken. Uns legen Sie nicht noch mal ’rein, Parker. Sie haben es faustdick hinter den Ohren. Und darauf stellen wir uns ein.«
»Darf ich höflichst anfragen, welche Pläne Sie mit mir haben?«
»Sie werden für uns arbeiten, wenn Sie überleben wollen.«
»Ich gestehe, daß ich noch nicht recht begriffen habe.«
Strickton genoß seinen Triumph. Er zog an seiner Zigarette. Er ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Sein Begleiter Bigels, der Mann mit der häßlichen Zahnlücke, spielte derweil mit einem handlichen Stück Kabel, das ihm wahrscheinlich als Gummiknüppel diente. Er ließ den Butler nicht aus den Augen, Und in diesen Augen glomm der nackte Haß. Stan Bigels, der übrigens ebenfalls wie Strickton noch immer an starkem Schnupfen litt, konnte nicht darüber hinwegkommen, daß der Butler ihn mit eiskaltem Wasser behandelt hatte.
»Nun passen Sie mal gut auf, Parker«, begann Strickton endlich. »Wir werden Ihnen ein Labor einrichten. Sie werden für uns Koks herstellen. Koks in jeder Menge. Ist das klar?«
»Keineswegs«, erwiderte Josuah Parker mit leiser Stimme »Falls Sie es noch nicht wissen sollten, Kokain läßt sich nicht auf einem Küchenherd und in Stahltöpfen herstellen. Dazu bedarf es einer Laboreinrichtung.«
»Bekommen Sie alles geliefert. Sie brauchen uns nur Ihre Wünsche zu nennen.«
»Ich fürchte, Sie überschätzen meine Kenntnisse«, meinte Parker. »Ich bin kein gelernter Chemiker.«
»Schade für Sie, Parker.«
»Ich bedaure das auch.«
»Wenn Sie uns keinen Koks herstellen können, sind Sie wertlos für uns. Was wir mit solchen Leutchen machen, können Sie sich ja wohl ausmalen, oder?«
»Meine Phantasie ist leider sehr gut entwickelt. Mit anderen Worten, Sie wollen mich töten?«
»Sehr nett ausgedrückt.« Strickton nickte nachdrücklich. »Strengen Sie also Ihren Schädel an. Es liegt bei Ihnen, wie lange Sie noch leben werden.«
»Ich fürchte, ich befinde mich in einer bösen Zwangslage.«
»Wie schnell Sie das gemerkt haben«, Strickton lächelte spöttisch. »Bigels wird Ihnen gleich Papier und einen Kugelschreiber bringen. Schreiben Sie dann auf, was Sie brauchen.«
»Ich beuge mich der Gewalt«, verkündete der Butler. »Darf ich mich am Rande erkundigen, was aus Mr. Candels und seinen Leuten geworden ist? Wenn mich nicht alles täuscht, hörte ich einige Schüsse im Billardsaal.«
»Wir haben Candels’ Laden ausgeräumt, wenn Sie das meinen, Parker. Sein Glück, daß wir ihn nicht erwischen konnten.«
»Oh, hätten Sie mich rechtzeitig gefragt, hätte ich Ihnen einen Hinweis geben können.«
»Sie wissen, wo er steckt?« Strickton beugte sich unwillkürlich vor.
»Mr. Candels war auf dem Weg zu Dr. Snyders Labor. Sollte das Ihrer Aufmerksamkeit entgangen sein?«
»Verdammt!« Mehr sagte Strickton nicht. Er stieß seinen Begleiter Stan Bigels an. Ohne noch ein Wort zu verlieren, verließen die beiden Gangster den Raum. Sie hatten es derart eilig, daß sie vergaßen, von außen das Licht zu löschen.
Sie waren allerdings so vorsichtig, den Raum gründlich zu versperren und zu verschließen. Josuah Parker sollte schließlich Rauschgift für die Bande herstellen. Parker war damit sein Gewicht in Platin wert …
*
Lefty Candels starrte fassungslos auf die rauchenden Trümmer seines Etablissements. Die Feuerwehr hatte nur noch eine Brandwache zurückgelassen. Das Haus war bis auf die Grundmauern ausgebrannt. Candels Existenzgrundlage war gründlich vernichtet worden.
Er konnte sich vorstellen, wer ihm diesen Streich gespielt hatte. Die Konkurrenz hatte zugeschlagen. Und dieser Parker mußte dazu die Initialzündung geliefert haben.
Candels fluchte ausgiebig auf den Butler. Nachträglich hätte er sich ohrfeigen können, daß er sich mit diesem skurrilen Mann eingelassen hatte. Nur durch Parkers Auftauchen war die Konkurrenz aufmerksam geworden. Nur wegen Parkers Kokain konnte sein Haus angezündet worden sein.
Candels dachte an all das, doch er hütete sich, es laut werden zu lassen. Er schüttelte nur den Kopf, als Inspektor Madler von Scotland Yard neugierige Fragen stellte. Candels wußte von nichts. Er hielt sich selbst in dieser Situation an die Ganovenehre und lieferte keine Hinweise.
Inspektor Madler, ein müde und zerstreut wirkender Mann von etwa fünfzig Jahren, zog an einer billigen Zigarre. Es schien ihm Mühe zu kosten, weitere Fragen zu stellen.
»Zeugen haben ausgesagt, daß hier Schüsse gefallen sind. Haben Sie Streit mit lieben Freunden gehabt?«
»Ich war überhaupt nicht hier«, antwortete Lefty Candels wahrheitsgemäß.
»Und wo hielten Sie sich auf?«
»Ich war unterwegs, in der Stadt.«
»Sie wollen sicher nicht sagen, wo Sie gewesen sind, wie?«
»Erraten«, gab Candels spöttisch zurück. »Nehmen wir an, ich sei in einem Kino gewesen.«